Herbststimmung nach Umfragehoch: Kurz führt, aber nicht mehr so hoch wie vor dem Sommer

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Linz – Vor zwei Jahren noch, scherzt David Pfarrhofer vom Linzer Market-Institut, habe man den Eindruck vermittelt bekommen, dass Sebastian Kurz wie der Messias persönlich über Wasser gehen könne. "Heute würde er ein Boot brauchen", fasst er die Erkenntnisse der jüngsten Umfrage für den STANDARD zusammen. Dieses Boot wäre allerdings, um im Bild zu bleiben, durchaus gut unterwegs.

Stimmungstest

Market stellte den 800 repräsentativ ausgewählten Befragten Anfang des Monats folgende Frage: "Die Spitzenkandidaten der Parteien bestimmen den Wahlkampf maßgeblich mit. Für welchen Spitzenkandidaten ist die Stimmung derzeit eher besser oder eher schlechter geworden? Geben Sie dies bitte anhand von Schulnoten an." Darauf geben 17 Prozent einen Einser und 31 Prozent einen Zweier. Das ist nicht schlecht, aber lange nicht so gut wie die 42 plus 31 Prozent, die Kurz bei derselben Frage im September 2017 vor der letzten Nationalratswahl erreicht hat.

Ein Nicht genügend für die Stimmung rund um Kurz geben nur acht Prozent. Die Durchschnittsnote von 2,61 ist die beste Note aller Kandidaten; aber sie bleibt hinter der Durchschnittsnote 1,86 aus dem Jahr 2017 zurück.

Gleich hinter Kurz kommt im Stimmungstest der Grünen-Spitzenmann Werner Kogler: 13 Prozent sehen eine sehr gute, 29 Prozent eine gute Stimmung – Gesamtnote 2,64.

Auf dem dritten Platz liegt dann Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger (2,74) vor dem Freiheitlichen Norbert Hofer (3,03) und der SPÖ-Kanzlerkandidatin Pamela Rendi-Wagner mit 3,44. Nur für Peter Pilz wird die Stimmung noch düsterer gesehen: 3,84 – mehr als die Hälfte der Befragten sagt, für Pilz sei die Stimmung schlechter (Note 4 mit 25 Prozent) oder viel schlechter (Note 5 wird von 30 Prozent der Befragten vergeben).

Zum Vergleich: 2017 war die Durchschnittsnote für Peter Pilz 2,59, für Rendi-Wagners Vorgänger Christian Kern lag sie bei 2,82.

Pfarrhofer liest aus den Daten, dass die Anhänger der jeweiligen Partei durchaus eine positive Stimmungslage für ihre jeweils favorisierten Spitzenkandidaten wahrnehmen: SPÖ-Wähler geben der Stimmung für Rendi-Wagner die Note 2,31. Und ÖVP-Anhänger sind mit einer Durchschnittsbenotung von 1,68 sehr zuversichtlich, dass sich die Stimmung für Kurz verbessert (und jene für Rendi Wagner verschlechtert) habe.

Sonntagsfrage

Und wie wird sich das alles auf das Wahlergebnis am 29. September auswirken? Market kommt zu folgendem Befund:

  • ÖVP: Mit 34 Prozent in der Umfrage liegt die ÖVP zu Beginn des Intensivwahlkampfs ziemlich genau dort, wo sie vor Ibiza-Gate gelegen ist: Gut zwei Prozentpunkte über dem Wahlergebnis von 2017, aber längst nicht mehr so gut wie bei ihrem Zwischenhoch in den Umfragen unmittelbar nach dem Misstrauensantrag, als der Wert auf bis zu 38 Prozent gestiegen war. Die Werte für Sebastian Kurz in der (theoretischen) Kanzlerfrage sind ebenfalls leicht über jenen, die Kurz vor der Wahl 2017 verbuchen konnte, aber nicht so hoch wie im Frühsommer. Kurz punktet besonders bei Wahlberechtigten über 50: In dieser Altersgruppe wollen 40 Prozent Kurz als Kanzler, in der Altersgruppe unter 30 sind es dagegen nur 23 Prozent. Der Vorsprung vor seiner Herausforderin aus der SPÖ beträgt aber komfortable 20 Prozentpunkte.
  • SPÖ: Die Sozialdemokraten liegen in der Hochrechnung seit Monaten unverändert bei 22 Prozent – rund fünf Prozentpunkte schlechter als 2017. Parteichefin Rendi-Wagner liegt in der fiktiven Kanzlerfrage bei 15 Prozent – das ist besser als im Frühsommer, als sie nur zwölf Prozent als Kanzlerin sehen wollten, aber schlechter als die 23 Prozent, die Rendi-Wagner im heurigen April (vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos) hatte; und noch schlechter als die 28 Prozent, die Christian Kern vor der Wahl 2017 wählen wollten. Rendi-Wagner spricht vor allem ein männliches Publikum an und ebenfalls ältere Befragte.
  • FPÖ: Die Freiheitlichen liegen in der Umfrage stabil bei 21 Prozent, einen Prozentpunkt besser als im August – aber drei Prozentpunkte unter ihrem Wert vor Ibiza-Gate und fünf Prozentpunkte unter dem Ergebnis der Nationalratswahl. Norbert Hofer würden zwölf Prozent zum Bundeskanzler wählen, wenn das möglich wäre. Hofer ist eher bei Männern als bei Frauen beliebt, und er spricht die mittlere und jüngere Wählerschicht mehr an als die Wähler über 50.
  • Neos: Mit neun Prozent liegen die Neos weiterhin auf hohem Niveau. Für neun Prozent der Befragten wäre Beate Meinl-Reisinger die bevorzugte Bundeskanzlerin. Sie punktet vor allem bei jüngeren und höher gebildeten Wählerinnen und Wählern.
  • Grüne: Sie sind, wie auch der Stimmungstest zeigt, die Partei, die am meisten zulegt: Bei der Nationalratswahl haben sie zuletzt nur 3,8 Prozent der Stimmen bekommen, jetzt kommen sie in der Umfrage auf elf Prozent. "Der große Sprung zurück ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit ist ihnen bei der Europawahl gelungen, seither haben sie stabil gute Werte", kommentiert Pfarrhofer. Er verweist auf die außerordentlich gute Stimmung für Kogler, die sich auch in der Kanzlerfrage niederschlägt: So wie schon im August wünschen sich sieben Prozent den Grünen-Chef sogar als Bundeskanzler. Je größer die Gemeinde, in der die Befragten wohnen, desto höher die Zustimmung zu Kogler und zu den Grünen, die in Wien in den Rohdaten sogar auf 21 Prozent kommen.
  • Jetzt: Nur Außenseiterchancen hat Peter Pilz mit seiner Partei Liste Jetzt: Jeweils zwei Prozent gibt es in der Sonntags- und in der Kanzlerfrage. (Conrad Seidl, 7.9.2019)