Wie "in den Kreisky-Jahren" solle es wieder zugehen, träumt die SPÖ in ihrem aktuellen Arbeitsmarktpapier, das dem STANDARD vorliegt – und dafür müsse Vollbeschäftigung zur "obersten Maxime der Politik" werden. Um sich der zumindest anzunähern, fordern die Sozialdemokraten nun ein sogenanntes "Qualifizierungsgeld neu", das einen Rechtsanspruch auf Weiterbildungsmaßnahmen vorsieht, und eine "Jobgarantie" für alle Langzeitarbeitslosen.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner möchte 400 Millionen jährlich in Beschäftigungsmaßnahmen stecken.
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Denn im August 2019 waren rund 330.700 Menschen in Österreich arbeitslos oder in Schulungen des Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldet – circa 100.000 von ihnen sind bereits länger als ein Jahr ohne Beschäftigung und somit Langzeitarbeitslose. Für diese Gruppe will die SPÖ in ihrem Konzept Jobs schaffen.

Taxi fahren und einkaufen

Angedacht werden verschiedenste Betätigungsfelder im öffentlichen Bereich. Eine Möglichkeit, die in dem Papier angeregt wird, sind geförderte Elektrotaxis in Gemeinden, die von Langzeitarbeitslosen gesteuert werden. So könnten ältere Menschen zum Arzt oder Einkauf gebracht werden oder Bahnreisende die letzten Kilometer nach Hause bewältigen, ist im roten Konzept zu lesen. Auch denkbar seien verschiedenste Unterstützungstätigkeiten in Gemeinden, Bezirksämtern und Schulen, die Entlastung von Polizisten als Schülerlotsen oder Besuchsdienste bei älteren Menschen, um mit ihnen zu reden oder spazieren zu gehen.

Im Grunde handelt es sich dabei um eine Ausweitung der Aktion 20.000, die unter der letzten rot-schwarzen Regierung eingeführt und von Türkis-Blau wieder abgeschafft wurde. "Die Konjunktur droht ab Herbst abzuflauen, das zeichnet sich auch in den Arbeitsmarktdaten ab. Wir müssen Betroffenen den Weg zurück in Jobs erleichtern", sagt SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.

1.700 Euro für Teilnehmer der Aktion

Die Sozialdemokraten haben ihr Modell auch grob durchgerechnet. Ausgegangen wird dabei von einem Mindestlohn von 1.700 Euro für die Beschäftigten. Stelle man die Aktion dem gegenüber, was ein Arbeitsloser den Staat kostet, kommt die SPÖ auf eine jährliche Differenz von lediglich 2.000 Euro im Jahr, die pro Beschäftigten anfalle.

Der Wifo-Arbeitsmarktexperte Helmut Mahringer bestätigt, dass eine derartige Aktion wesentlich durch Einsparungen der Kosten, die Arbeitslosigkeit verursacht, mitfinanziert werden könnte. Die konkrete Kosten-Nutzen-Bilanz hänge jedoch stark davon ab, ob eine längerfristige Arbeitsmarktintegration der Betroffenen gelingt. Studien würden zeigen, dass Beschäftigungsinitiativen besonders bei älteren Arbeitslosen fruchten.

Recht auf Weiterbildung

Ein weiterer Punkt der roten "Aktion Vollbeschäftigung", wie die SPÖ ihr Programm getauft hat, ist das "Qualifizierungsgeld neu": Dafür sollen bestehende Förderungen wie das Fachkräftestipendium, die Bildungskarenz und das Selbsterhalterstipendium mit einem Rechtsanspruch versehen werden – der laut Konzept analog zur Elternteilzeit auch gegenüber dem Arbeitgeber durchgesetzt werden könnte.

Das "Qualifizierungsgeld", das man während der Weiterbildung bekomme, sei eine Art "fiktives Arbeitslosengeld", mindestens in der Höhe von 933 Euro, heißt es in dem Papier. Bezogen werden könnte es maximal 36 Monate lang – im Lauf des gesamten Berufslebens bis zu zwei Mal.

Kosten von rund 400 Millionen

Für beide Maßnahmen gemeinsam veranschlagt die SPÖ rund 400 Millionen Euro jährlich – höchstens und im absoluten Vollausbau, wie betont wird.

Die Wirtschaftskammer lehnt Wiedereinführung der "Aktion 20.000" ab. "Die in der Aktion 20.000 künstlich geschaffenen Jobs waren teuer, aber nicht nachhaltig", urteilte Rolf Gleißner, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik in der WKÖ. Wirksamer und kostengünstiger sei es, die Menschen über das Instrument der Eingliederungsbeihilfe in die Unternehmen zu vermitteln.

Das von der SPÖ geforderte "Qualifizierungsgeld Neu" sah Gleißner in einer Aussendung am Samstag ebenfalls kritisch. Ein "Ausbildungsgeld für alles und jeden" sei "teuer und ineffektiv", da dabei weder darauf geachtet werde, ob die jeweilige Ausbildung die Chancen am Arbeitsmarkt verbessere, noch ob die Ausbildung überhaupt erfolgreich abgeschlossen werde. Die Senkung der Lohnnebenkosten wäre die beste Maßnahmen, um den Wirtschaftsstandort zu stärken, ist Gleißner überzeugt. (Katharina Mittelstaedt, 7.9.2019)