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Das Konterfei Robert Mugabes in Simbabwes Hauptstadt Harare.

Foto: Reuters / Philimon Bulawayo

Auf diesen Augenblick hat Simbabwes Opposition jahrzehntelang gewartet. Lange galt er als die "natürliche Lösung", als letzte Hoffnung, weil sich eine "politische Lösung", der Abtritt Robert Mugabes, partout nicht einstellen wollte. Nun ist der 95-Jährige ist in einem Krankenhaus in Singapur gestorben. Kommendes Wochenende soll Mugabe begraben werden. Am Sonntag wird ein Staatsbegräbnis im National Sports Stadium in der simbabwischen Hauptstadt Harare abgehalten.

Die Feierlaune seiner Gegner ist dennoch verhalten. Längst befindet sich der marode Staat im Griff eines neuen Autokraten, der sein Handwerk von seinem einstigen Mentor und Vorgänger Mugabe gelernt hat. So setzt sich dessen verheerender Einfluss auch posthum fort: wie ein Fluch, dem sich die Simbabwer trotz aller Anstrengung nicht entledigen können.

Dabei hatte es so segensreich begonnen. Als Robert Mugabe nach einem erfolgreichen Guerillakampf und seinem überwältigenden Wahlsieg am 4. März 1980 als erster Regierungschef des unabhängig gewordenen Landes eingesetzt wurde, fand der Befreiungsführer erstaunlich milde Töne: Er rief die weißen rhodesischen Farmer zum Bleiben im neuen Simbabwe auf und ließ deren Ex-Präsidenten Ian Smith als Senator weiter amtieren. 16 Jahre zuvor hatte Smith den Befreiungskämpfer ohne Gerichtsverfahren zehn Jahre lang im Straflager halten lassen, weil dieser die weißen Herrscher als "Cowboys" tituliert hatte. Gerüchten zufolge wurde Mugabe in der Haft vergewaltigt, womöglich der Grund für seine spätere militante Homophobie.

Erfolgreicher Guerillakrieg

Im Lager eignete sich Mugabe zusätzlich zu seinem Universitätsabschluss als Lehrer sechs weitere Diplome an: Er habe auch "ein Diplom in Gewalt" erworben, wird er sich später rühmen. Endlich freigelassen, begab sich Dr. Gewalt in den Busch des Nachbarlandes Mosambik, um als Präsident der Simbabwischen Afrikanischen Nationalen Union (Zanu) einen schonungslosen Guerillakrieg gegen die weißen Herrscher Rhodesiens zu führen.

Der Triumph stellte sich nicht nur im Busch, sondern letztlich am Verhandlungstisch in London ein. Dort erwies sich Mugabe als gewieftester Agent der Interessen seines Volks. Der einstigen britischen Kolonialmacht warf er später vor, ihren Teil der Verpflichtungen in Sachen Landerstattung niemals eingehalten zu haben.

Das Janusgesicht der blitzgescheiten, aber schonungslosen Persönlichkeit stellte sich während seiner fast 40-jährigen Herrschaft immer deutlicher heraus: Mugabe legte zunächst großen Wert auf das soziale Wohl und die Bildung der Bevölkerung – Simbabwe wurde zur Kornkammer und zum Reservoir bestens ausgebildeter Profis. Doch gleichzeitig räumte der Regierungschef gnadenlos mit der ethnisch und ideologisch abweichenden Simbabwischen Afrikanischen Volksunion (Zapu) auf: Seine von Nordkoreanern ausgebildete Fünfte Brigade richtete Mitte der 1980er-Jahre zahlreiche Massaker unter der Ndebele-Minderheit des Landes an. Mehr als 20.000 Menschen wurden umgebracht, ohne dass die Welt davon Notiz nahm: Sie wollte sich das Bild vom klugen und versöhnenden Befreiungsführer nicht verderben.

Daran ließ sich erst dann nicht mehr festhalten, als diesem eine neue – politisch und nicht ethnisch motivierte – Opposition erwuchs: Gewerkschafter, Menschenrechtler und weiße Farmer, die dem ständigen Machtzuwachs des Präsidenten entgegentraten. Mugabe hetzte seine Schergen – Soldaten, Kriegsveteranen und die Parteijugend – auf die Kritiker: Er ließ sie grün und blau schlagen, nahm ihnen das Land weg und fälschte eine Wahl nach der anderen. Das Land versank in einer Wirtschaftskatastrophe.

Der Fehler seines Lebens

Als sich schließlich, lange nach seinem neunzigsten Geburtstag, die Frage nach seiner Nachfolge nicht mehr unterdrücken ließ, machte Mugabe den Fehler seines Lebens: Er unterstützte seine 41 Jahre jüngere, geld- und machtgierige zweite Ehefrau Grace und stieß damit seinem einstigen Mitkämpfer und Zögling, Emmerson Mnangagwa, vor den Kopf. Dieser, genannt das "Krokodil", wusste, dass der Gewaltmensch Mugabe von seiner Schwäche für Grace geblendet war: Mithilfe des Militärs putschte sich Mnangagwa vor knapp zwei Jahren an die Macht und verbannte den trotzigen Januskopf aufs Altenteil. Von dem erzwungenen Machtverlust sollte sich der Dauerpräsident auch körperlich nicht mehr erholen.

Schon damals ahnten die Simbabwer, dass ihr Jubel über das Ende von Mugabe nur vorübergehend sein könnte: Tatsächlich erwies sich der Lehrling als Abbild seines einstigen Meisters. Auch das Krokodil ist auf die Unterstützung der Militärs und der korrupten Parteiführung angewiesen. Mit seinen 76 Jahren scheint Mnangagwa von einer "natürlichen Lösung" noch weit entfernt zu sein. Und ohne politische Lösung wird sich für die Simbabwer nichts ändern. (Johannes Dieterich, 7.9.2019)