Bernadette Hartl fertigt in ihrer Teilzeit-Selbstständigkeit individuelle Handtaschen in ihrer Werkstatt in Steyr her.

Foto: Bernadette Hartl

Vormittags Leiterin einer Marketingabteilung und nachmittags Taschen in der eigenen Werkstatt fertigen und selbstständig vertreiben. Bernadette Hartl ist seit April 2016 neben ihrem Teilzeitjob selbstständig als Unternehmerin tätig. Eine neue Studie der Wirtschaftskammer (WKO) ergab, dass das sogenannte hybride Unternehmertum ein immer öfter gewählter Weg der Ein-Personen-Unternehmer (EPUs) in Österreich ist. Auch Hartl hat sich für diesen Weg entschieden. In ihrer Freizeit produzierte die Oberösterreicherin immer schon individuelle Handtaschen, diese haben auch schnell Anklang gefunden.

Bald meldete Hartl ein Gewerbe an, eins führte zum anderen, und "Bernanderl Upcycling" war geboren. Hartl findet durch ihren zweiten Berufsweg vor allem Ausgleich: "Bei meiner Arbeit im Büro bin ich immer viel unter Menschen", da genieße es Hartl umso mehr, wenn sie in ihrer kleinen Werkstatt Zeit für sich habe, obwohl sie bei der Arbeit sei. Rund ein Viertel der Ein-Personen-Unternehmer in Österreich sind hybride Unternehmer. Das hat Elisabeth Zehetner von der WKO in einer neuen Studie herausgefunden.

Geldsorgen sind kein Grund

Laut Zehetner entscheiden sich Unternehmer nicht aus Geldsorgen oder wirtschaftlichem Druck für diesen Berufsweg: "Aufgrund der Studie kann man davon ausgehen, dass die Befragten Unternehmer nicht dazu gezwungen sind, diesen Weg zu wählen." Ganz im Gegenteil: Bei den Teilzeitunternehmern zeigte sich eine hohe Zufriedenheit mit dem Einkommen. Auch der Akademikeranteil unter den EPUs ist mit 42 Prozent hoch. Vielmehr sei der Grund die Möglichkeit zum Aufbau eines zweiten Standbeins, ohne das Sicherheitsnetz der Festanstellung zu verlieren. "Viele wollen mit der teilweisen Selbstständig einfach ihrem Hobby intensiver nachgehen", das Thema Selbstverwirklichung stehe hier im Vordergrund, erklärt Zehetner.

Seit April 2016 ist Bernadette Hartl als hybride Unternehmerin tätig.

Das könnte auch der Grund sein, warum hybrides Unternehmertum unter den 50- bis 59-Jährigen mit 45 Prozent am stärksten vertreten ist. Gleich danach folgen die 40- bis 49-Jährigen. Zehetner erkläre sich das so, dass man nach 30 Jahren im Berufsleben dieses als eintönig empfinden könnte. Wenn man also noch seiner Leidenschaft nachgehen und etwas im Leben ändern möchte, dann jetzt. Als sogenannter Silverpreneur hat man zusätzlich noch den Vorteil, die Selbstständigkeit nach dem Pensionsantritt weiterführen zu können.

Nicht zwingend branchenübergreifend

Die überwiegende Mehrheit der befragten EPUs, rund zwei Drittel, sind primär in ihrem Brotberuf tätig. Sie weisen eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 52 Stunden auf. Davon gehen 24 Stunden für die Selbstständigkeit und 28 Stunden für die Fixanstellung drauf. Überraschend war für Zehetner, dass die Tätigkeiten nicht zwingend branchenübergreifend sind: Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmer üben als Angestellte einen ganz anderen Beruf aus als in der Selbstständigkeit.

Probleme mit dem Arbeitgeber für den Teilzeitgang in die Selbstständigkeit habe es für Hartl nicht gegeben: "Ich habe das mit meinem Chef besprochen und bekam lediglich die Auflage, dass ich Job und Selbstständigkeit vollkommen trennen muss." Zehetner kann das bestätigen: "Man sollte sich prinzipiell schon die Erlaubnis des Arbeitgebers einholen", wenn man jedoch in einer ganz anderen Branche tätig ist, wäre nicht einmal das notwendig. Problematisch werde es nur dann, wenn man dem Arbeitgeber plötzlich zur Konkurrenz wird. Stellt man jedoch nebenberuflich Taschen aus recycelten Stoffen her, ergibt das bei der Leitung der Marketingabteilung, wie bei Hartl, kein Problem. (Lena Langbauer, 7.9.2019)