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Manuel Neuer hatte schon einmal eine stabilere Abwehrreihe vor sich.

Foto: AP/Martin Meissner

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Die von Niklas Süle dirigierte Defensive machte mehrmals keine sonderlich gute Figur.

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Hamburg – Niklas Süle war völlig bedient. Vier Gegentore wie beim 2:4 (1:0) in der EM-Qualifikation gegen Erzrivale Niederlande hatte der Münchner in seiner kurzen Ära als Abwehrchef der deutschen Fußball-Nationalmannschaft noch nicht zu verantworten. "Ab dem 1:1 haben wir die Kontrolle komplett verloren und Holland zum Toreschießen eingeladen, das darf so nicht passieren", sagte der Profi von Bayern München: "Wir wurden zu Recht viel gelobt, aber das war ein schlechtes Spiel."

Vor allem von der Verteidigung, die Bundestrainer Joachim Löw nach der Ausbootung der Rio-Weltmeister Mats Hummels und Jerome Boateng im März neu formiert hatte. Die DFB-Auswahl kassierte in Hälfte zwei vier Gegentore in 32 Minuten. "Vier Tore sind einfach viel zu viel, unsere Defensive sah als Verbund nicht gut aus", monierte Kapitän Manuel Neuer, an dem es noch am wenigsten gelegen hatte: "Die Stimmung könnte bei einem Torhüter nach so einem Spiel besser sein."

Keine Erinnerungen an den 16. Oktober 2012 in Berlin

Vier Gegentreffer in einem Heimspiel, dazu alle in einer Halbzeit – Neuer konnte sich nicht erinnern, so etwas im DFB-Dress schon einmal erlebt zu haben. Hat er aber: Beim legendären 4:4 am 16. Oktober 2012 in Berlin gegen Schweden, als die deutsche Elf ein 4:0 verspielte. Gegen Oranje kassierten Löws Youngster in zwei Qualispielen stolze sechs Tore – beim Abstieg aus der Nations League vor dem Umbruch waren es fünf.

Am System mit der Dreierkette um Süle, Matthias Ginter und den unglücklichen Eigentorschützen Jonathan Tah wollte Nationaltrainer Löw dies nicht festmachen. Er würde wieder so aufstellen, bekannte er: "Wir hatten unsere Schwachstellen, aber nicht aufgrund der taktischen Ausrichtung, sondern wegen der einfachen Fehler." Allerdings wurden die Patzer von der äußerst passiven System-Interpretation begünstigt. "Wir sind nur hinterhergelaufen. Mir war das ein bisschen zu wenig Ballbesitz", sagte Süle, "das ständige Verschieben hat Kraft gekostet. Wir brauchen Ballbesitz, um uns zu erholen."

Die Deutschen liegen damit in der Quali-Gruppe C weiter nur auf Rang zwei. Drei Punkte fehlen zur Quali-Halbzeit auf den makellosen Leader Nordirland gegen den es für die Deutschen am Montag im Windsor Park von Belfast geht. Eine neuerliche Niederlage darf sich die Elf von Teamchef Joachim Löw da im Kampf um die EM-Tickets nicht leisten. "Das Spiel wird sicherlich ein anderes. Klar, die Köpfe müssen hoch – und die werden am Montag auch oben sein", versprach DFB-Offensivspieler Toni Kroos. Auch Löw war guter Dinge: "Ich bin mir sicher, dass wir eine Reaktion zeigen." Das mit einer taktisch anderen Ausrichtung. "Nordirland spielt einen völlig anderen Fußball als die Niederlande. Da sind ganz andere Attribute, ganz andere Eigenschaften im Spiel", wusste Löw.

"Ein paar Fehler zu viel gemacht"

Die Niederlage gegen die "Oranjes" schätzte er als verdient ein. "Über 90 Minuten betrachtet, war Holland die bessere Mannschaft. Wir haben das ganze Spiel so ein bisschen unter unserem technischen Niveau gespielt. Viele Bälle haben wir verloren. Viele Kombinationen sind nicht so gelungen. Wir haben einfach ein paar Fehler zu viel gemacht", analysierte der Ex-Trainer von Austria Wien und des FC Tirol. Seine Spieler gaben sich selbstkritisch. "Wir haben kaum Ballbesitz gehabt. Das war ein ganz schwaches Spiel von uns", meinte Abwehrspieler Niklas Süle. Sorgen müsse man sich aber keine machen. "So ein Rückschlag wirft uns nicht aus der Bahn", versprach der Bayern-Akteur.

Deutschland hat es jedenfalls nicht mehr in der Hand, den Gruppensieg aus eigener Kraft zu fixieren. Das können neben den Nordiren jetzt auch die Niederländer, die bei Punktegleichheit mit Deutschland aufgrund des besseren direkten Vergleichs den Vortritt hätten. "Ein großartiger Abend. Es ist ein fantastischer Sieg, der noch höher hätte ausfallen können", sagte Niederlande-Teamchef Ronald Koeman. Sein Team revanchierte sich eindrucksvoll für die 2:3-Niederlage in Amsterdam. "4:2 in Deutschland zu gewinnen, ist eine tolle Sache und sehr wichtig für uns", meinte Offensiv-Ass Memphis Depay.

Dass der Auswärtserfolg nach einem 0:1-Rückstand gelang, schmeckte den Gästen noch mehr. "Wir waren überrascht, dass die Deutschen so zusammengefallen sind", schilderte Niederlande-Kapitän Virgil van Dijk. Frenkie de Jong (59.), ein Eigentor von Jonathan Tah (66.), Donyell Malen (79.) und Georginio Wijnaldum (91.) besiegelten die erste DFB-Niederlage in einer Qualifikation für ein großes Turnier seit Oktober 2015. Treffer von Serge Gnaby (9.) und Toni Kroos (72./Elfmeter) waren am Ende zu wenig, um Zählbares mitzunehmen.

"Feuer von Fußball und Leidenschaft"

Vom Auftritt der "Elftal" waren neben den Gäste-Fans auch die niederländischen Zeitungen begeistert. "Es war, als ob ein Feuer aufflammte, ein Feuer von Fußball und Leidenschaft, ein Feuer, das, das Stadion füllte", wurde "De Volkskrant" geradezu poetisch. Und "De Telegraaf" ist sich sicher: "Koeman und seine Männer bekamen, was sie verdienten. Oranje hatte mehr Inhalt, mehr Kreativität und traute sich, dominant zu spielen, während die Deutschen sich präsentierten wie ein paar Angsthasen."

Während die bei einem Spiel weniger drei Punkte hinter Deutschland auf Rang drei liegenden Niederländer am Montag beim punktlosen Schlusslicht Estland vor einem Pflichtsieg stehen, läuft gleichzeitig der Schlager Nordirland gegen Deutschland. Die "Green And White Army" hat ihre Hausaufgaben mit je zwei Siegen gegen Weißrussland und Estland bisher perfekt erfüllt und geht mit einem Drei-Punkte-Polster ins Spiel. "Wir haben uns mit vier Siegen in vier Spielen das Recht erarbeitet, an der Spitze der Gruppe zu stehen. Ich hoffe, dass wir am Montag über uns hinauswachsen und sie nicht auf ihrem höchsten Niveau spielen", erläuterte Nordirland-Coach Michael O'Neill.

Seine Kicker fiebern dem Duell entgegen. "Das sind diese Momente im internationalen Fußball, wo einem klar wird, dass man es dafür macht", betonte Goalie Bailey Peacock-Farrell. (APA, dpa, sid, red, 7.9.2019)