Eine gute Weile hat Samsungs Smartphone-Thron gewackelt. Der wachsende Erfolg von Huawei und Xiaomi wirkten sich spürbar auf die Absätze aus. Vor drei Jahren sorgte das ungeplant explosive Galaxy Note 7 als erstes Smartphone, das international von Airlines verbannt wurde, für Vertrauensverlust. Und einen Kratzer erhielt der eigene Ruf auch durch die schweren Probleme beim ersten Anlauf, das Falthandy Galaxy Fold auf den Markt zu bringen.

Huawei hat nun allerdings mit US-Sanktionen zu kämpfen, das Note 7-Debakel ist in den Köpfen kaum noch präsent und das Fold steht nun vor einer Rückker in überarbeitetem Zustand. Doch das konventionelle Flaggschiff für die Wintersaison ist das Galaxy Note 10, das man nun offiziell auf den Markt geschickt hat. Was bringt die nächste Generation des stifttauglichen Smartphones? DER STANDARD hat das Plus-Modell einem Test unterzogen.

Foto: DER STANDARD/Pichler
Foto: DER STANDARD/Pichler

Design

Bei der Unterscheidung zwischen der "regulären" Ausgabe und dem Note 10+ versucht der koreanische Hersteller mehr Merkmale zu verändern. Das Note 10+ ist nicht nur größer, sondern es bringt auch einen stärkeren Akku, mehr RAM und eine zusätzliche Kamera mit. Gleich vier Aufnahmemodule sitzen auf der Rückseite.

Und dort findet sich auch gleich die erste von zwei sehr sichtbaren Designänderungen. Das in einen eckigen Ausschnitt eingefasste Kameramodul in der Mitte ist Geschichte. Stattdessen orientiert man sich an vielen Konkurrenten und ordnet die Kameras links oben in einer abgerundeten Fassung an.

Ebenfalls nicht mehr auf Rückseite präsent ist der Fingerabdruckscanner. Beide Note 10-Modelle wurden auf Sensor umgerüstet, der unter dem Display sitzt. Dieser reagiert zwar spürbar langsamer als sein Vorgänger, aber immer noch schnell und zuverlässig genug, um nicht negativ aufzufallen. Und dann wäre da noch die Frontkamera, die nun in einem Ausschnitt in der Mitte des oberen Displayrandes residiert. Dafür wurden die Kanten einmal mehr schmäler und das Gehäuse insgesamt wesentlich "kantiger" designt. Das Note 10+ kommt auf Maße von 151 x 71,8 x 7,9 Millimeter bei rund 170 Gramm Gewicht.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Verarbeitung und Ergonomie

Bei der Verarbeitung hat sich Samsung keine Makel geleistet. Und mit der Wahl einer Rückseite, die das Licht in seine Spektralfarben zerlegt, sticht man auf jeden Fall aus der zunehmend bunten Handylandschaft heraus. Dazu sorgt das grelle Farbenspiel auch dafür, dass die sich zahlreich ansammelnden Fingerabdruckspuren weniger auffallen.

Allerdings fällt das neue Note auch in die Kategorie jener Handys, die man nicht unbeobachtet auf einer glatteren Tischoberfläche liegen lassen sollte. Denn da die Rückseite kaum Reibung bietet, wandert es bei der geringsten Neigung des Untergrunds unaufhaltsam dem Abgrund entgegen. Auch beim Halten in der Hand merkt man die eher geringe Haftung, weswegen sich die Anschaffung einer Schutzhülle empfiehlt.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Basics

Stolze 6,3 Zoll ist der Durchmesser vom AMOLED-Display, das Samsung auf der Frontseite des Handys verbaut hat. Es liefert eine Auflösung von 3.040 x 1.440 Pixel (19:9) und ist in Sachen Darstellung über alle Zweifel erhaben. Die Helligkeit ist hoch genug, um auch unter strahlendem Sonnenlicht Inhalte noch gut zu erkennen, Farben und Kontraste fallen überzeugend aus. Es bietet außerdem Support für den HDR10-Standard. Einen (subjektiven) Beschwerdepunkt gibt es allerdings: Nämlich die seitlich nach unten gezogenen Ränder, die immer wieder kleinere Fehleingaben provozieren. Das mag freilich für Nutzer, die bereits routiniert mit Handys dieser Art sind, kein Problem darstellen.

Bei der restlichen Ausstattung lässt sich Samsung angesichts des gewagten Preises ab 1.100 Euro nicht lumpen. Für ausreichend Rechenpower soll in unseren Breitengraden und in Lateinamerika der hauseigene Exynos 9825 sorgen. In den USA und China verbaut man Qualcomms Snapdragon 855. Dazu gibt es 12 GB RAM und 256 oder 512 GB Onboardspeicher. Dieser lässt sich mittels microSD-Karte um bis zu einem Terabyte erweitern, allerdings muss man dafür einen der beiden microSIM-Slots opfern. Das Handy unterstützt LTE, Bluetooth 5.0, NFC und auch bereits den neuesten WLAN-Standard 802.11ax, vulgo "Wifi 6". Für das Aufladen und die Übertragung von Daten per Kabel gibt es einen USB 3.1-Slot im Type-C-Format.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Abschied nehmen muss man allerdings von der 3,5mm Klinkenbuchse. Während Apple und zahlreiche andere Hersteller diesen längst abgeschafft haben, hat Samsung der "Buchse" bei seinen Flaggschiffen bislang die Treue gehalten. In Zukunft dürfte es nun aber kaum noch ein Topsmartphone geben, das noch traditionelle Kopfhörer und Headsets unterstützt.

Performance

Bei der Alltagsperformance liefert das Note 10+, wie man es von den Specs erwarten darf. Dass das Handy in der Exynos-Variante bei Benchmarks hinter Geräten mit dem Snapdragon 855 bzw. Snapdragon 855 Plus liegt, darf man angesichts der eher theoretischen Auswirkungen getrost als Randnotiz verbuchen. Apps starten flott, auch anspruchsvolle Spiele laufen trotz der höheren Auflösung beschwerdefrei.

Stifteinsatz

Das herausragende und namensgebende Merkmal der Note-Reihe ist freilich die Unterstützung eines Eingabestiftes, der in Form des "S Pen" auch gleich mitgeliefert wird und sich einfach in einem Einlass im Handy verstauen lässt. Er kann genutzt werden, um Notizen mit Handschrifterkennung anzulegen (die relativ zuverlässig funktioniert), auf Fotos und Bildern herumzuzeichnen oder gleich selbst kleine Kunstwerke von Null anzufertigen.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Die Möglichkeiten hat Samsung nun erweitert. Als neues Augmented-Reality-Feature kann man nun im Livebild der Frontkamera Gesichter bemalen. Die Verzierungen bleiben auch bei Bewegung des Kopfes an der korrekten Stelle. Und weiters kann man mit dem Stift nun auch Gesten in der Luft zeichnen. Eine Drehbewegung bei gedrücktem Button kann etwa verwendet werden, um den Kamerazoom zu verstellen. Mit Wischgesten in der Luft kann man durch Inhalte blättern. Welche Geste was bewirkt, hängt von der jeweiligen App ab.

Als Zusatz ist das freilich nett, aber nicht mehr als eine Samsung-typische Spielerei. Über eine eigene Schnittstelle sollen auch Dritthersteller diese Gesten in ihre Apps einpflegen können. Dass das Feature damit zu einem Massenphänomen wird, erscheint allerdings unwahrscheinlich.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Kamera

Die Kamera hat Samsung hochgerüstet. Das Hauptmodul auf der Rückseite kombiniert einer Weitwinkelkamera, Telefotokamera (jeweils 12 Megapixel) mit einer Ultraweitwinkelkamera (16 MP) und einem Time-of-Flight-Modul zur Raumerkennung. Dazu gibt einen Dual-LED-Blitz.

Unter guten Lichtbedingungen bietet die Kamera schnelle Auslösezeiten und starke Fotoqualität. Es gibt einen KI-gestützten Szenenoptimierer, der sich mit einem Klick an- und ausschalten lässt. Er sorgt primär für etwas höhere Kontraste und intensivere Farben. Bei Landschaftsaufnahmen wird insbesondere der Himmel merkbar stärker "eingebläut". Lobend anzumerken ist, dass die Abbildung der Farben bei den drei relevanten Hauptkameras kaum abweicht.

Unter schlechteren Bedingungen, also am späteren Abend oder unter reinem Kunstlicht, lässt der Detailgrad insbesondere bei Nahaufnahmen merkbar nach, was vermutlich an der recht aggressiven Rauschentfernung liegt. dennoch zählt das Note 10+ auch in solchen Szenarien definitiv zum Spitzenfeld, was Handykameras betrifft. Mit dabei ist nun außerdem ein dezidierter Nachtmodus. Hier hat Samsung gute Arbeit geleistet. Er hält zwar nicht ganz mit mit jenem von Huawei, produziert aber absolut passable Fotos.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Was Hybrid-Zoom-Kapazitäten angeht, versucht Samsung nicht, sich mit Huawei und Co. zu messen. Wo andere Handys bereits fünffache oder zehnfache Vergrößerung bewerben, beschränkt sich Samsung auf doppelte Vergrößerung.

Die Frontkamera arbeitet solide. Sie liefert einen guten Detailgrad und Kantenerkennung. Allerdings fällt die Farbwiedergabe merklich blasser aus, als beiden Hauptkameras.

Der Vollständigkeit halber erwähnt seien auch noch allerlei Augmented-Reality-Optionen. Neben den AR-Emojis (Samsungs Pendant zu Apples Animojis und Huaweis Qmojis) kann man nun auch Live-Veränderungen des Hintergrunds für Videos und Fotos vornehmen und diesen etwa Schwarzweiß schalten, während das eigene Gesicht weiter in Farbe erstrahlt.

Akustik

Bei den akustischen Qualitäten schwächelt das Note 10+ in Anbetracht seines Premiumpreises. Zwar beherrscht das Handy Stereowiedergabe, der von den Lautsprechern abgegebene Ton erschallt aber eher verwaschen und blechern. Hier schlagen sich andere Handys mit Stereosound merklich besser. Daran ändert auch der Support für Dolby Atmos nichts.

Bei der Sprachqualität sind keine großen Makel feststellbar. Allerdings fällt das akustische Erlebnis auch nur überdurchschnittlich aus. Gespräche werden von leichten Verzerrungen und leisem Rauschen begleitet, beide Seiten verstehen sich aber prinzipiell gut.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Akku

Überzeugen kann hingegen der 4.300-mAh-Akku. Selbst wenn man ihn mit regelmäßigem Kameraeinsatz und energiehungrigen Games á la Pokémon Go oder Harry Potter: Wizards Unite foltert, kommt man ohne Schwierigkeiten durch den Tag. Auffällig ist, dass der Akkustand bis etwa 80 Prozent relativ flott fällt, danach aber nur noch sehr langsam. Das realistische Durchhaltevermögen liegt je nach Intensität der Verwendung des Handys geschätzt bei zwei bis vier Tagen.

Auch Aufladen geht flott. Das mitgelieferte Ladegerät ersetzt den lange gängigen USB-A-Ausgang mit USB-C und läuft mit einer Leistung von bis zu 45 Watt. In 30 Minuten konnte die Batterie des Note 10+ von null auf 65 Prozent geladen werden. Wireless Charging unterstützt das Handy mit bis zu 15 Watt (nicht getestet). Und wer will, kann auch andere Handys und sonstige Geräte drahtlos oder per Kabel mit Strom versorgen.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Fazit

Das Samsung Galaxy Note 10+ ist ein kleines Upgrade zu seinem Vorgänger. Es gibt einen flotteren Prozessor, eine verbesserte Kamera, einen Designumbau und dafür keinen Audioklinkenanschluss mehr. Hinzu kommen ein paar neue Features auf Softwareseite, fertig ist das neue Handy.

Als Gesamtwerk ist das Smartphone durchaus überzeugend, wenn auch eben nicht gerade billig. Daraus folgt, dass Fans der Note-Reihe diese Generation getrost überspringen können, wenn sie bereits den Vorgänger besitzen. Für alle anderen stellt sich primär die Frage, wie wichtig die Stiftunterstützung für sie ist. Denn sie ist nach wie vor das wahre und gut umgesetzte Alleinstellungsmerkmal des Handys. (Georg Pichler, 15.09.2019)

Testfotos

Bitte zur Ansicht des Originalbildes die Fotobeschreibung anklicken.

Tageslicht, Ultraweitwinkel
Foto: DER STANDARD/Pichler
Tageslicht, Weitwinkel
Foto: DER STANDARD/Pichler
Tageslicht, 2x-Zoom (Telefoto)
Foto: DER STANDARD/Pichler
Tageslicht, Nahaufnahme
Foto: DER STANDARD/Pichler
Tageslicht
Foto: DER STANDARD/Pichler
Tageslicht
Foto: DER STANDARD/Pichler
Tageslicht (ohne Szenenverbesserung)
Foto: DER STANDARD/Pichler
Tageslicht (mit Szenenverbesserung)
Foto: DER STANDARD/Pichler
Tageslicht
Foto: DER STANDARD/Pichler
Selfie
Foto: DER STANDARD/Pichler
Kunstlicht
Foto: DER STANDARD/Pichler
Kunstlicht
Foto: DER STANDARD/Pichler
Nachtmodus
Foto: DER STANDARD/Pichler