Die FPÖ-Politikerin Ursula Stenzel, im Bild auf einer FPÖ-Veranstaltung am 1. Mai, ist seit Juni 2016 nicht amtsführende Stadträtin in Wien.

Bild nicht mehr verfügbar.

Ursula Stenzel zog vor ihrer Rede durch die Wiener Innenstadt.

Foto: picturedesk.com/Michael Gruber

Wenn Perlenkette und Seidentuch sich mit Fascho-Haarschnitt und völkischem Gebrüll bei Fackelschein vermengen, liegt eine besondere Form bürgerlicher Verwahrlosung vor. Die frühere ÖVP-Mandatarin, Bezirksvorsteherin von Wien-Innere Stadt und nunmehrige FPÖ-Landtagsabgeordnete Ursula Stenzel hat auf Einladung an einem Fackelzug der rechtsextremen Identitären teilgenommen, die etwa 200 bis 300 strammen Jungmänner mit "Liebe Freunde" angesprochen, ihr "Geschichtsbewusstsein" gelobt und selbst die Fackel gehalten.

Stenzel ist eine tragische Erscheinung. Der Weg, den sie von einer weltoffenen ORF-Redakteurin und ÖVP-EU-Abgeordneten an den rechten Rand genommen hat, teils aus persönlicher Kränkung, teils weil sie sich immer mehr in ein radikales Eck hineinmanövriert hat, ist exemplarisch für manche Bürgerlich-Konservative, die nach rechts außen abdriften.

Sind ja nur junge Idealisten, die da die Wiederkehr der Aufhebung der Wiener Türkenbelagerung feiern (diesmal nicht am Kahlenberg, vermutlich wegen Regens). Dass die Identitären nach allen Kriterien klar als Rechtsextreme zu bezeichnen sind; dass sie auch vor physischer Gewalt nicht zurückschrecken; dass ihr Chef Martin Sellner wegen seiner Kontakte zu dem Christchurch-Attentäter eine Hausdurchsuchung hatte (die ihm offenbar von Sympathisanten mit Insiderwissen verraten wurde); dass hierzulande und in Deutschland der Verfassungsschutz die Herrschaften beobachtet – das stört Ursula Stenzel nicht.

Politische Verwirrtheit

Die ÖVP will sogar ein (rechtlich problematisches) Verbot der Identitären zur Bedingung für eine Koalition mit der FPÖ machen (was Kickl bereits höhnisch abgelehnt hat). Es fragt sich allerdings, was sich die ÖVP schon früher dabei gedacht hat, einen Herbert Kickl als Innenminister zu akzeptieren, von dem man wusste, dass er die Teilnehmer eines rechtsextremen Kongresses, bei dem auch Identitäre waren, als "Gleichgesinnte" ansprach.

Identitäre und FPÖ haben zig Berührungspunkte, personell und inhaltlich. Der Partei ist es nur im Moment peinlich, mit klar Rechtsextremen identifiziert zu werden. Ursula Stenzel, die einmal fast Präsidentschaftskandidatin der FPÖ geworden wäre, nimmt sich da eine Art politischer Narrenfreiheit. Aber sie steht für eine gar nicht so kleine Strömung von Bürgerlich-Konservativen, die völkische Fackelzüge gegen "Ausländer" gar nicht so schlecht finden.

Dass Stenzel behauptet, sie habe bei dem regelmäßig von den Identitären veranstalteten Gedenken nicht gewusst, "dass auch Identitäre dabei waren", ist unter politische Verwirrtheit einzuordnen. (Hans Rauscher, 8.9.2019)