Mit einer Art Wiederkehr des kanadischen Ausnahmepianisten Glenn Gould (1932 – 1982) endete am Samstagabend der Hauptteil des "AIxMusic Festivals" bei der Ars Electronica. In der Basilika des Augustinerstifts St. Florian konzertierte ein Künstliche Intelligenz-System, das Goulds einprägsames Spiel imitiert, zusammen mit menschlichen Musikern. Hinter der Entwicklung steht ein aufwendiges Forschungsprojekt.

Mit dem "Dear Glenn" betitelten System stellt der japanische Yamaha-Konzern laut eigenen Angaben das erste auf maschinellem Lernen basierende KI-System für Klavier vor, wie es seitens der Initiatoren vor der ersten größeren Livepremiere im oberösterreichischen Stift hieß. Unter Federführung des KI-Entwicklers Akira Maezawa von Yamaha wurde das Programm mit dem Werk des 1982 verstorbenen Musikers gefüttert. Die mannigfaltigen Feinheiten im so prägnanten Spiel des Ausnahmetalents könne die KI alleine trotz großer Fortschritte in den vergangenen Jahren jedoch noch nicht ganz herausarbeiten, sagte Maezawa bei dem der Verbindung von Musik, Kunst und KI gewidmeten "AIxMusic Festival".

Yamaha_Global

KI spielt im Stil von Gould

Aus diesem Grund suchte man den Kontakt zu Musikern, die Goulds Wirken nahe stehen. Gefunden hat man unter anderem den luxemburgischen Pianisten und Komponisten Francesco Tristano, der sich daraufhin in das Projekt einbrachte. Es sei erstaunlich gewesen, welche Fortschritte das selbstlernende System mit der Zeit machte. Nach etwa einem Jahr ließen die Projektpartner, zu denen auch die Glenn Gould Foundation, das Bruckner Orchestra Linz sowie die Firmen Dentsu und IBM Japan zählen, die KI vor Wegbegleitern Goulds vorspielen. Das Ergebnis habe überzeugt, sagte Brian M. Levine von der Gould Foundation.

Für ihm liege der Mehrwert des Vorhabens darin, dass man damit mehr über das so schwer zu fassende Phänomen des musikalischen Stils erfahre, an dem es vielen nahezu perfekt spielenden Musikern heutzutage mitunter fehle. Zukünftig könne man virtuell mit Gould zusammenspielen und von seiner KI-Variante lernen, so Levine. Ein weiterer interessanter Aspekt sei, dass man das System auch Stücke spielen lassen könne, die der Pianist nie selbst gespielt hat.

Nicht nur eine starre Maschine

Gould selbst hätte sich diesem Ansatz, der natürlich auch Zweifel und Befürchtungen auslöse, vermutlich nicht entzogen, gab sich der Direktor der Gould-Stiftung überzeugt. Immerhin habe der Innovator die durchaus verknöcherte klassische Musik federführend ins 20. Jahrhundert mitbefördert.

Schon bei den ersten Proben in St. Florian wurde klar, dass sich das Spielen mit "A.I. Glenn" als Partner nicht nach Interaktion mit einer starren Maschine anfühle, konstatierte der künstlerische Direktor des Bruckner Orchesters, Norbert Trawöger. Im Gegensatz zu Menschen, die versuchen, Gould zu imitieren, sei das Gefühl in der Auseinandersetzung mit dem KI-System stimmiger. Trotzdem sei es seltsam, mit einem Menschen zusammenzuspielen, der nicht da ist – "man gewöhnt sich aber daran", sagte Trawöger. (APA, 08.09.2019)