Zu Hause ist es doch nicht immer am schönsten: Fabienne Trüssel in der choreografischen Meditation "Wry Smile Dry Sob" von Silvia Costa, inspiriert von Samuel Becketts Drama "Spiel".

Anja Koehler

Die magische Energie einer Mumie bringt die Mitarbeiterinnen eines Labors an den Rand ihres Wissens: Episode 1 aus Mariano Llinás' 14-Stunden-Film "La Flor".

Foto: Filmgarten

Le Studio, die soeben neu eröffnete Film- und Theaterbühne in Wien, widmet sich Künstlern und Werken, für die es bis dato keinen oder zu wenig Raum gibt. Da wäre zunächst der mit einer Gesamtdauer von 14 Stunden der Logik des regulären Kinobetriebs zuwiderlaufende, aber fabelhafte Episodenfilm La Flor von Mariano Llinás, in dem mehrere Genres ineinandergreifen: ein Muss für Freunde fantastischer Erzählweisen und der Wirkmacht "nackter" Schauspielergesichter.

Auch mit der italienischen Theaterregisseurin Silvia Costa haben die neuen Bühnenleiter Lise Lendais und Pierre-Emmanuel Finzi ins Schwarze getroffen. Die 35-Jährige, seit ihrem Abschluss an der Universität Venedig 2006 künstlerische Mitarbeiterin Romeo Castelluccis, ist in Österreich als Solokünstlerin noch unbekannt gewesen. Bis Stephanie Gräve, Intendantin am Landestheater Vorarlberg, sie für das Beckett-Doppel Spiel/Wry Smile Dry Sob im Frühjahr ans Haus holte. Wien war nun Gastspielort.

Bildnerische Wucht

Am Beginn des kleinen Abends steht Becketts Minidrama Spiel, in dem drei Figuren ihre Köpfe bedenklicherweise aus ihren jeweiligen Urnen recken, um posthum ihre unglücklich verlebte Dreiecksbeziehung zu erinnern. Die darin verhandelten Motive wie Isolation, Ausweglosigkeit oder Existenzzwang greift Costa in einer zweiten hintangestellten Choreografie auf. Wry Smile Dry Sob ist die Castellucci-Prägung nicht abzusprechen, und doch entwickelt Costa etwas Eigenes:

Sie übersetzt die Absurdität Beckett'scher Realität in eine berückende Meditation häuslicher Szenen, die simultan anwachsen. Körperteile winden sich aus Möbeln, eine Frau schöpft Erde aus der Matratze, zu gegebener Zeit lösen sich Nip/Tuck-mäßig Kostümflächen von den Körpern ab.

Wry Smile Dry Sob ist ein Kleinod von bildnerischer Wucht und Intensität. Costa, die im Frühling an der Staatsoper Stuttgart Juditha triumphans inszenieren und ab 2020 zur Comédie de Valence gehören wird, ist ganz Bühnenkünstlerin ihrer Generation. Sie begreift den Regieberuf nicht entkoppelt, sondern versteht sich gleichermaßen als Bühnenbildnerin, Choreografin, Autorin und Performerin. Von ihr wird man noch viel hören. (Margarete Affenzeller, 9.9.2019)