Noch-ÖJV-Präsident Hans Paul Kutschera, Ex-Sportminister Heinz-Christian Strache, IJF-Präsident Marius Vizer im September 2018 in Baku.

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Wien – Jetzt hat das Ibiza-Video, wenn auch etwas indirekt, doch noch zu einer richtigen Rücktrittswelle geführt. Aus dem zwölfköpfigen Vorstand des heimischen Judoverbands (ÖJV) ist – Stand Montag – ein vierköpfiger geworden. Nach einer Vorstandssitzung in Fuschl haben mittlerweile alle vier Vizepräsidenten sowie die Kassierin, der Schriftführer und ihre jeweiligen Stellvertreter ihre Ämter zurückgelegt.

Es gab laut den "Oberösterreichischen Nachrichten" heftige Querelen um die ungeklärte Finanzierung der WM 2021. Diese Titelkämpfe waren im September 2018 im Rahmen der WM in Baku (Aserbaidschan) an Wien vergeben worden. Eine Abstimmung fand nicht statt, der Weltverband (IJF) hatte sich schon vorher auf Österreich verständigt. Ihm steht der gebürtige Rumäne Marius Vizer vor, der auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Vizekanzler und Sportminister Heinz-Christian Strache, der eine ÖVP-FPÖ-Delegation in Baku anführte, ließ sich nach der WM-Vergabe als Machatschek abfeiern.

Die Sechs-Millionen-Gebühr

Blöd nur, dass die IJF sechs Millionen Euro Veranstaltungsgebühr verlangt und Österreich zusätzlich noch eine Million an Preisgeld stemmen müsste. Kritiker meinen, Vizer würde die Titelkämpfe regelrecht "versteigern". Der ÖJV hat die erste von drei Tranchen, zwei Millionen, schon überwiesen, bald wäre die zweite fällig. Doch seitens der Stadt Wien ist kaum Unterstützung zu erwarten, Sportstadtrat Peter Hacker hatte "keine brauchbare Kalkulation" gesehen.

Mag sein, die FPÖ respektive die Bundesregierung hätte die WM auch ohne Wien durchgezogen. Wenn nur Ibiza nicht gewesen wäre. Mitnichten ist seither gesichert, dass der Bund großzügig zuschießen würde. ÖJV-Präsident Hans Paul Kutschera ist bei dem nun auch für Sport zuständigen Finanzminister Eduard Müller schon vorstellig geworden, für den 24. September ist ein weiteres Treffen anvisiert.

Die Zeit läuft davon

Doch ist es vorstellbar, dass Müller dem Verband, den es gerade zerreißt, mit zwei Millionen aushilft, die einfach an den Weltverband weiterfließen sollen, ohne dass die WM gesichert wäre? Kutschera will nicht aufgeben. "Im Prinzip steht das Budget", beteuert er und sagt, es wären "nur ein, zwei Dinge nachzuliefern". Er will jetzt "eine Steuerberatungskanzlei beauftragen, die das checkt". Die Zeit wird knapp, längst schon müssten intensive Vorbereitungen laufen. Kutschera: "Typisch österreichisch. Statt dass man sich freut, so ein Event durchführen zu können, versucht man, es kaputtzumachen." Dann spricht auch er schon in der Vergangenheit – und im Konjunktiv. "Die WM wäre eine einmalige Chance gewesen."

Kutschera beschwert sich, dass Interna aus ÖJV-Vorstandssitzungen an die Medien gelangten. "Es gab einen Maulwurf." Deshalb ließ er seine Vorstandskollegen zuletzt über vieles im Unklaren, was diese wiederum verstimmte. Der Tiroler Martin Scherwitzl, einer der zurückgetretenen Vizepräsidenten, sagt: "Nach Ibiza hat alles zu wackeln begonnen." Man sei von Kutschera "lange vertröstet worden. Ich musste die Handbremse ziehen." Der Salzburger Hans Peter Zopf, ein weiterer Ex-Vize, erklärt: "Ich wäre ein Verfechter der WM. Aber wir haben eine Sorgfaltspflicht, das Budget muss ausgeglichen sein."

Ein neuer Präsident?

Über Kutschera, der "nur das Beste wollte", will Scherwitzl nicht herziehen. Aber: "Es wird sich ein neuer Vorstand finden. Und es muss ein neuer Präsident her. Im Hintergrund laufen schon Gespräche." Am 12. Oktober wird in Wien ein Verbandstag zwecks Neuwahlen stattfinden. IJF-Präsident Vizer ließ Fragen des STANDARD unbeantwortet, aber über Twitter wissen: "Ich unterstütze Österreich und den ÖJV-Präsidenten Hans Paul Kutschera." (Fritz Neumann, 9.9.2019)