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Der Generaldirektor der IAEA, Cornel Feruta, am Sonntag in Teheran bei Außenminister Mohammed Javad Zarif: Die IAEA mahnt den Iran.

Foto: West Asia News Agency via REUTERS

Das Wiener Atomabkommen, das dem iranischen Urananreicherungsprogramm ein Jahrzehnt lang strenge Beschränkungen – und Kontrollen auch in der Zeit danach – auferlegen sollte, zeigt immer weitere Zerfallserscheinungen. Im Mai 2018 von den USA unilateral aufgekündigt, fährt auch der Iran seit einem halben Jahr die Einhaltung seiner Verpflichtungen zurück.

Bisher lagen die iranischen Maßnahmen eher im symbolischen Bereich, aber das kann sich schnell ändern – nämlich wenn klar wird, dass es die anderen Partner des Deals nicht schaffen, die Einhaltung für Teheran wieder lukrativ zu machen. Aber das verhindern die US-Sanktionen gegen alle Staaten und Unternehmen, die Geschäfte mit dem Iran machen wollen.

Gerüchte über Treffen Trump/Rohani

Dabei ist die US-Stimmungslage nicht ganz eindeutig. Am Sonntag meldete die israelische Haaretz, Premier Benjamin Netanjahu fürchte, dass US-Präsident Donald Trump tatsächlich zu Gesprächen mit seinem iranischen Amtskollegen Hassan Rohani bereit sei. Lobbyarbeit dagegen war auch der Grund für Netanjahus Stippvisite in London am Samstag. Angeblich traf er dort nicht nur Premier Boris Johnson, sondern auch US-Verteidigungsminister Mark Esper. Aber die USA verkünden ohnehin wöchentlich neue Sanktionen, und die iranische Seite bleibt dabei, dass Gespräche nur statt finden können, wenn die USA sie zurücknehmen.

Aber auch der Ton der Inter nationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien dem Iran gegenüber ist etwas strenger geworden. Generaldirektor Cornel Feruta, der nach dem Tod Yukiya Amanos die Geschäfte führt, war am Sonntag in Teheran und "betonte" dort die Notwendigkeit einer "vollen und zeitnahen Kooperation". Iran habe "prompt" auf die Fragen der IAEA zu antworten. Das klingt wie Kritik. In einem Lagerhaus in Teheran, das Netanjahu vor einem Jahr in einer Rede als früheren Aufbewahrungsort von radioaktivem Material benannt hatte, hat die IAEA bei einer Inspektion Spuren von (allerdings nicht waffenfähigem) Uran gefunden, und sie ist offenbar mit den iranischen Erklärungen nicht zufrieden.

Netanjahu lässt neue Bombe platzen

Am Montagabend trat Netanjahu mit neuen Enthüllungen an die Öffentlichkeit: Der Iran habe in einer – inzwischen zerstörten – geheimen Anlage in Abadeh (Provinz Fars) Experimente im Rahmen eines Atomwaffenprogramms durchgeführt. Das sei in Dokumenten, derer Israel vor einem Jahr habhaft geworden war, entdeckt worden. Die IAEA wird diesen Behauptungen wohl nachgehen, so wie sie es im Fall des "Warenhauses" gemacht hat. Allerdings ist nicht anzunehmen, dass die Israelis ihre Informationen nicht schon längst mit anderen Geheimdiensten, vor allen den USA, geteilt haben – die sie demnach als weniger brisant anzusehen scheinen. Sie beziehen sich ja meist auf die Vergangenheit, nicht auf das, was der Iran derzeit an nuklearen Tätigkeiten hat. Deshalb analysiert etwa Haaretz, dass auch die unmittelbar bevorstehenden Wahlen in Israel bei der Wahl des Veröffentlichkeitszeitpunkts eine Rolle spielen – und wohl auch die Sorge, dass der unberechenbare Trump eine Show mit Rohani à la Kim in Nordkorea haben will.

Westliche Geheimdienste gehen ja davon aus, dass der Iran vor 2003 Forschungen an einem militärischen Atomprogramm betrieb. Für das Wiener Abkommen von 2015 wurde unter dessen Aufklärung ein Schlussstrich gezogen: Die IAEA akzeptierte die vom Iran gelieferten Antworten auf offene Fragen zum Programm. Das ist, neben manchen Inhalten – und Leerstellen – im JCPOA (so heißt das Abkommen offiziell) einer der Gründe für die Kritik daran.

Und nun setzt der Iran zum Sprung in die nächste Zentrifugengeneration an, was ihm laut Atomdeal eigentlich noch verwehrt ist. Mit Gaszentrifugen wird Uran angereichert: In den ersten Jahren seines Urananreicherungsprogramms, mit dem 2006 zum ersten Mal produziert wurde, war der Iran technisch ziemlich bescheiden unterwegs, machte aber bald Fortschritte. Unter dem JCPOA sind aber nicht nur Grad und Quantität des angereicherten Urans beschränkt, das der Iran haben darf. Es dürfen auch keine Zentrifugen der neuesten Generationen gebaut und zum Anreichern benützt werden, die bereits in technischer Reichweite des Iran stehen. Das sind vor allem die sogenannten IR-6 und IR-8.

Testen, ohne zu produzieren

Der Iran darf jetzt schon beschränkt R&D-Arbeit (Forschung und Entwicklung) mit diesen Zentrifugen betreiben und sie dazu auch mit radioaktivem UF6 (Uranhexafluorid) beschicken. Aber es darf dabei kein angereichertes Uran produziert werden; das heißt, dass das Produkt, das beim Test entsteht, nicht bzw. anders entnommen wird. Und erst gegen Ende der Ablaufzeit des JCPOA dürfen die Zentrifugen auch in längeren Kaskaden getestet werden (mehrere hinter einander, was die Produktionsgeschwindigkeit maximiert).

Die Frage, was dem Iran an Nuklearforschung erlaubt ist, war eine der kontroversesten Fragen vor dem Abschluss des JCPOA 2015 gewesen: Immerhin ist es ein tiefer Einschnitt in die Souveränität eines Staates, wissenschaftliche Arbeit zu verbieten. Urananreicherung ist ja unter dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) prinzipiell erlaubt – wenn sie fried lichen Zwecken dient.

Am Montag meldete sich diesbezüglich der neue saudische Energieminister, Königssohn Abdelaziz bin Salman, zu Wort: Saudi-Arabien wolle Uran an reichern, um Brennstoff für seine – noch nicht gebauten – Atomkraftwerke selbst zu erzeugen. So argumentiert auch der Iran, wobei dieser bereits einen kleinen Forschungsreaktor in Teheran und das Kraftwerk Bushehr betreibt. (Gudrun Harrer, 9.9.2019)