Natürlich wäre es gut, müsste man sich mit der Identitären Bewegung nicht auseinandersetzen, weil es sie gar nicht mehr gibt: aufgelöst, verboten vom Höchstgericht; es gäbe – vordergründig – weniger Hass, weniger Hetze, weniger Fackelmärsche, und vor Auftritten wie jenem von Ursula Stenzel müsste man sich auch nicht mehr gruseln.

Dass sich ÖVP-Chef Sebastian Kurz jetzt kurz vor den Wahlen so vehement für ein Verbot einsetzt, ist taktisch nachvollziehbar. Vor Wahlen will ja oft jemand jahrelange Versäumnisse mit einem scheinbar spektakulären Paukenschlag nachholen.

Aber so einfach ist es nicht, das zeigt ein Blick nach Deutschland: Zwei Anläufe hat es dort gegeben, um die rechtsextreme NPD zu verbieten. Beide Verfahren waren kein Ruhmesblatt für die Antragsteller.

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Demonstration der NPD in Erfurt.
Foto: AP Photo/Jens Meyer

Beim ersten Mal, 2013, beschied das Gericht der damaligen Bundesregierung, es könne gar nicht unvoreingenommen prüfen, ob es sich um eine verfassungswidrige Partei handle, da sich in der Führung so viele V-Leute tummeln.

2017 scheiterte ein neuer Anlauf. Immerhin lautete die Begründung, die NPD habe zwar eine verfassungsfeindliche Gesinnung; ein Verbot komme aber nicht infrage, weil sie zu unbedeutend sei. Man schwankte zwischen Lachen und Entsetzen.

Opferrolle

Zwar sind die Identitären keine Partei, sondern ein Verein, und auch nicht so marginal wie die aufgrund ihrer Altersstruktur und der AfD-Konkurrenz aussterbende NPD. Aber abgesehen von hohen formalen Hürden gibt es gute inhaltliche Gründe, um von einem Verbot abzusehen.

Man würde sie in die Opferrolle drängen, nach dem Motto: Alle sind gegen uns, die "Wahrheit" will niemand hören. Zudem fiele es den Identitären leicht, wieder aufzuerstehen: neuer Name, neuer Verein, neuer Auftritt im Internet – im Internet ginge das zack-zack-zack. Die vergleichsweise alte NPD hätte es da schon schwieriger gehabt.

Mühsamer ist es natürlich, immer wieder gegen die Parolen anzukämpfen, Rechtsextreme konsequent inhaltlich zu stellen und für ein Menschenbild einzutreten, das nicht auf Ausgrenzung basiert. Da ist bei so manchem, der jetzt nach einem Verbot ruft, noch Luft nach oben.

Die permanente Auseinandersetzung ist natürlich auch unbequemer als jener unfassbare Weg, den Vertreter von CDU, SPD und FDP in der hessischen Gemeinde Altenstadt eingeschlagen haben. Sie wählten einen NPD-Mann einstimmig zum Ortsvorsteher mit der Begründung: Der sei gar nicht so schlimm, und ein anderer wollte den Job nicht machen.

Es ist ein fatales Zeichen, auch in einer kleinen Kommune. Das Gemeinwohl wird einem Verfassungsfeind anvertraut. Und ebenso schrecklich ist die Begründung, dass sich halt niemand anderer gefunden habe.

Man kuschelt nicht mit Rechtsextremen – nicht einmal, wenn sie noch so "gute" kommunalpolitische Ideen haben. Lässt man sie "einfach mal machen", erhebt man sie in den Status der Salonfähigkeit.

Im Fall der hessischen Gemeinde hätte das im Umkehrschluss bedeutet: Dann muss den Job eben jemand mit untadeliger demokratischer Haltung übernehmen. Rechtsextreme dürfen nicht an Boden gewinnen, weil die anderen zurückweichen. Das ist ebenso falsch wie nach einem Verbot zu rufen und zu hoffen, dass damit der Fall erledigt ist. (Birgit Baumann, 10.9.2019)