Bild nicht mehr verfügbar.

Ursula Stenzel sprach bei einer Veranstaltung der Identitären.

Foto: Picturedesk

Es ist eine eigenartige Szenerie: Eine ältere Frau steht auf einem offenen Lastwagen und spricht im allerschönsten Schönbrunnerdeutsch zu einer Menschenmenge, in der Fackeln und weiße Transparente mit der Jahreszahl 1683 in die Höhe gehalten werden. Die Frau ist Ursula Stenzel, ehemalige Fernsehjournalistin, ehemalige ÖVP-Politikerin, heute nichtsamtführende Stadträtin der FPÖ. Sie nahm am Samstag bei einem Gedenken an das Ende der Türkenbelagerung 1683 teil, organisiert von den rechtsextremen Identitären.

Ursula Stenzel, die in ihrer fast zehnjährigen Amtszeit als Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt ein Demonstrationsverbot am Ring, ein Alkoholverbot oder ein Ästhetik-Manifest für die City forderte. Wie passt das zusammen?

Erfolgreiche Quereinsteigerin

Als Inbegriff der Bürgerlichkeit war Stenzel zunächst für die ÖVP ein Glücksfall. Wolfgang Schüssel holte die ORF-Journalistin und Moderatorin der Zeit im Bild 1996 als Spitzenkandidatin für die erste EU-Wahl. Stenzel zählt bis heute zu den erfolgreichsten Quereinsteigern: Bei ihrer Premiere holte sie mehr Vorzugsstimmen als alle anderen Spitzenkandidaten zusammen. Noch weitere zwei Male kämpfte sie für ein EU-Mandat. Schon damals galt sie als nicht ganz pflegeleicht, tätigte Äußerungen, die sie im Nachhinein nicht so gemeint haben wollte. 2004 setzte sie die Folterungen im Irakkrieg mit den Taten von KZ-Schergen gleich.

Schwierigkeiten soll Stenzel mit ihrem späteren Nachfolger als Delegationsleiter Othmar Karas gehabt haben. Doch bevor es zum offenen Konflikt kam, zog Stenzel 2005 zurück nach Wien, um als Bezirkschefin ihres Heimatbezirks zu kandidieren.

Polarisierend und unberechenbar

Der Plan ging auf. Bald machte die streitbare Politikerin mit ihren umstrittenen Aussagen aufmerksam, immer schlagzeilenwirksam platziert, oft über das Ziel hinausschießend und selten zum Wohlgefallen ihrer Partei.

Dennoch kam ihre polarisierende Art auch über Parteigrenzen bei den Innenstadtbewohnern an. Immerhin wurde sie ein zweites Mal zur Bezirksvorsteherin gewählt. War die Forderung nach weniger Punschständen und Straßenmusikanten für die Schwarzen noch vertretbar, wurde Stenzel immer unberechenbarer. Plötzlich war ihr die ÖVP zu liberal: Dass die eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle eingeführt wurde, gefiel ihr ebenso wenig, wie dass mit Asdin El Habbassi ein Muslim für die ÖVP in den Nationalrat einzog.

Politische Irrwege

Spätestens das dürfte der Beginn ihres politischen Irrwegs gewesen sein. War es zunächst noch die schmale Grenze zwischen Tragik und Komik, driftete die Bürgerliche immer mehr ins Nationalkonservative ab. Die ÖVP ließ sie fallen. Aus persönlicher Kränkung oder weil sie tatsächlich nie an Ruhestand dachte, wie sie in einem Interview erzählte, gab sie dem Werben der FPÖ gern nach. Sie wollte ihre neue Partei als Bundespräsidentschaftskandidatin vertreten, doch ihr wurde Norbert Hofer vorgezogen. Stenzel unterstützte ihn auf ihre Art und unterstellte den Eltern des Konkurrenten Alexander Van der Bellen, sie hätten mit den Nazis geliebäugelt. Als der Interviewstil von ZiB-Anchor Armin Wolf von den Blauen verrissen wurde, verglich sie diesen mit einem Volksgerichtshof. Ex-EU-Parlamentspräsident Martin Schulz war für sie "eine Art roter Goebbels".

Als Zugpferd funktioniert Stenzel auch für die FPÖ nicht mehr. Trotzdem giert sie nach Beachtung. Als nichtamtsführende Stadträtin bekommt sie davon offenbar zu wenig. Der Fackelzug war offenbar ein willkommener Anlass für die Rückkehr ins Rampenlicht. (Marie-Theres Egyed, 10.9.2019)