Bis Montagabend erstrahlte das Goldene Dachl in türkis.

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Die ÖVP nutzte die PCOS-Kampagne für ihren Wahlkampf. Der eigentliche Sinn der Aktion ging unter.

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Innsbruck – Polyzystisches Ovarsyndrom (PCOS). Das sagt Ihnen nichts? Sollte es aber. Immerhin ist es eine der häufigsten Stoffwechselstörungen geschlechtsreifer Frauen. Zehn bis fünfzehn Prozent aller Frauen weltweit leiden darunter. Um den Betroffenen und ihren Problemen die Aufmerksamkeit zu verschaffen, die sie verdienen, gibt es seit dem Vorjahr den PCOS Awareness Month.

Ins Leben gerufen wurde die Aktion von der National Polycystic Ovary Syndrome Association in den USA. Der Aktionsmonat startet am 1. September, dem Welt-PCOS-Tag. Medienwirksam sollen am Abend dieses Tages bekannte Sehenswürdigkeiten türkis beleuchtet werden, denn das ist die Farbe der PCOS-Kampagne.

Weltweite Aktion in Städten

Bislang ist die Organisation vor allem in den USA tätig, wo auch der Großteil der Beleuchtungsaktionen stattfand. Eine Handvoll Städte machten heuer bereits in Australien, Kanada und Neuseeland mit. In Europa ist die Kampagne bislang kaum bekannt, daher gab es auch nur drei Teilnehmer bei der Beleuchtungsaktion am 1. September: Tallinn in Estland, Dublin in Irland und Innsbruck.

Auf Nachfrage bei der PCOS-Awareness-Kampagne in den USA kann man sich dort auch nicht wirklich erklären, warum Innsbruck auf dieser Liste gelandet ist. Man sei ein sehr kleines Team und kontaktiere im Vorfeld weltweit Städte mit der Bitte, am 1. September zur Unterstützung eine Sehenswürdigkeit türkis auszuleuchten. Auch beim Innsbrucker Stadtmagistrat trudelte im Frühsommer ein solches E-Mail aus den USA ein. Die Anfrage landete über das Büro des Bürgermeisters am Schreibtisch der für Frauenagenden zuständigen Stadträtin Elisabeth Mayr (SPÖ).

Die Tücken des Dienstweges

Sie fand die Aktion unterstützenswert und wies die Innsbrucker Kommunalbetriebe (IKB) an, sich um die Umsetzung zu kümmern. Für die war das ein Leichtes, wird das Goldene Dachl doch auch anlässlich anderer Aktionstage, etwa Gewaltprävention, farbig angestrahlt. Zudem informierte Mayr den für Gesundheit zuständigen Stadtrat Franz Gruber (ÖVP). Er sei in einem kurzen Gespräch darauf hingewiesen worden und befand die Idee ebenfalls für gut. Weiter sei er jedoch nicht involviert gewesen.

Die Stadt Innsbruck ließ die NGO also wissen, dass man die Aktion gerne unterstütze. Die Aktivisten zeigten sich erfreut und kündigten am 26. Juli per E-Mail an, sich in Bälde mit den begleitenden Infomaterialien zu melden und für die mediale Bewerbung der Aktion Sorge zu tragen. Danach habe man aber nichts mehr von der PCOS-Organisation gehört, sagt Mayr. Die NGO selbst bedauert ihr Versäumnis und führt es auf mangelnde Personalressourcen zurück. Man habe tausende Städte kontaktiert, und Innsbruck sei dann offenbar vergessen worden.

Aktion fand ohne Begleitinformation statt

Wie es dann trotzdem dazu kam, dass am 1. September das Goldene Dachl in Türkis erstrahlte, ist wohl der Bürokratie und unergründlichen Dienstwegen geschuldet. In dem Zuständigkeitswirrwarr ging der eigentliche Sinn der Aktion offenbar verloren. Die Beleuchtung fand daher statt, allerdings ohne irgendeine begleitende Information zum Sinn dahinter.

Nur die Innsbrucker Volkspartei wusste den PCOS-Tag letztlich für sich zu nutzen. Denn am Abend des 1. September veröffentlichte sie ein Facebook-Posting mit dem Foto des türkis ausgeleuchteten Goldenen Dachls mit dem Slogan "#Wir4Kurz in Innsbruck" und folgendem Text unter dem Bild: "Sogar das Goldene Dachl bekennt Farbe. Unser Team Wir4Kurz mit den Bezirkskandidaten und den Funktionären ist voll motiviert: Wir kämpfen um jede Stimme, damit Sebastian Kurz wieder Kanzler wird." Kein Wort zum Polyzystischen Ovarsyndrom.

Wahlkampf-Posting mit türkisem Dachl

VP-Stadtparteigeschäftsführer Peter Pock, der für die Facebook-Seite verantwortlich ist, sagt, dass er nichts von dem PCOS-Tag gewusst habe. ÖVP-Fans hätten ihm das Foto des nachts türkis beleuchteten Goldenen Dachls am 1. September zugeschickt, weil sie offenbar dachten, es handle sich um eine Wahlkampfaktion. Er fand das lustig und postete es auf Facebook.

Dass er das Posting um 19.36 Uhr, also fast eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang, veröffentlichte, obwohl die Beleuchtung ja erst an diesem Abend gestartet wurde, wird wohl eines der vielen Rätsel dieser Geschichte bleiben. Die VP hat das Posting nach der STANDARD-Anfrage am Dienstag gelöscht und betont, dass sie die PCOS-Kampagne keinesfalls wissentlich für den Wahlkampf benutzen wollte.

"Internes Missverständnis"

Ungeklärt bleibt auch, wieso die Beleuchtungsaktion nicht nur wie geplant und von der NGO angefragt eine Nacht andauerte, sondern bis zum Montagabend dieser Woche. Die IKB sprechen von einem "internen Missverständnis" und dass man die Filter in der Nacht auf Dienstag entfernt habe. Das passierte offenbar just nachdem DER STANDARD am Montagnachmittag bei den IKB angefragt hatte, was es mit der türkisen Beleuchtung auf sich habe.

SPÖ-Stadträtin Mayr übt sich in Selbstkritik: "Unsere Abstimmung muss besser werden, damit so etwas nicht mehr passieren kann." In der Form sei die Beleuchtungsaktion jedenfalls sinnlos gewesen, denn es habe keinerlei Aufklärung zum wichtigen Thema PCOS stattgefunden. Dass die ÖVP die Kampagne, gemäß eigener Aussage ohne Kenntnis des eigentlichen Hintergrundes, für ihren Wahlkampf genutzt habe, sei in gewisser Hinsicht nachvollziehbar: "Das war aufgelegt." (Steffen Arora, 10.9.2019)