Porr-Chef Karl-Heinz Strauss setzt auf die Heimatmärkte, solange in Europa die Baubranche boomt.

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Wien – "Wir sind in einer historisch einmaligen Zeit, weil die Nachfrage nach Bauleistungen enorm hoch ist, es Probleme bei der Rohstoffbeschaffung gibt, dazu einen enormen Preiskampf, gepaart mit einem Fachkräftemangel": So umriss Porr-Chef und Miteigentümer Karl-Heinz Strauss am Dienstag die Problematik. Einzigartig sei etwa auch, dass 60 Prozent der Architekturstudenten Frauen seien, aber über 80 Prozent Männer ein Bauingenieur-Studium absolvieren. Um Fachkräfte zu bekommen, finanziere die Porr Diplomarbeiten oder versuche mit Stipendien Praktikanten längerfristig an das Unternehmen zu binden. "Nachwuchs ist in allen unseren Heimatmärkten zu wenig vorhanden", erläutert Strauss, dessen Konzern 20.000 Mitarbeiter zählt. Dieser Tage wird der Porr-Campus in Wien-Simmering eröffnet, wo Ausbildung und Wohnen angeboten werden.

Freilich hätten sich auch die Prioritäten der Bewerber geändert: Im urbanen Bereich punkte man nicht mehr mit einem Firmenauto, die Leute wollen eine Wohnung. "50 Prozent sagen, sie haben gar keinen Führerschein", berichtet Strauss. Neben der Porr-Zentrale in Wien-Favoriten stelle man gemeinsam mit dem Bauträger ÖSW daher Wohnraum zur Verfügung, biete Wohnungszuschüsse und sei bei der Kinderbetreuung behilflich.

Ausnahmesituation Rumänien

Allein in Österreich suche die Porr 300 bis 400 Mitarbeiter – auch über 50-Jährige. Bei diesen gelte es eine Balance zu finden zwischen digitaler und manueller Welt sowie die Bereitschaft, Neues zu lernen. Auf Mitarbeiter aus Osteuropa zu warten, die wegen des höheren Gehalts nach Westeuropa kommen, sei mittlerweile nicht mehr zielführend: Rumänien habe etwa bis zum Jahr 2026 die Lohnnebenkosten in der Baubranche abgeschafft. Die Mitarbeiter im Baugewerbe bekämen so in etwa 95 Prozent ihres Bruttogehalts netto ausbezahlt. Viele Rumänen gingen wieder zurück in ihre Heimat, berichtet Strauss. Auch in Polen brummt der Baumarkt, weil das Land die Mittel aus dem Kohäsionsfonds, mit dem die EU Infrastrukturprojekte fördert, voll ausnutze.

Zum Heimmarkt der Porr zählen Österreich, Deutschland, die Schweiz, Polen, Tschechien, die Slowakei und Rumänien. Aus den reinen Projektmärkten wie England oder Katar ziehe man sich infolge der politisch unsicheren Situation zurück. "Solange die Märkte in Europa so gut gehen, brauchen wir keine politisch instabilen Märkte", sagt Strauss. Die Porr biete alle Bauleistungen an und zähle zu den Top drei im Tunnelbau.

Vollauslastung

Der Rekordauftragsbestand schaffe eine Vollauslastung und ein stabiles Fundament für den Konzern. Die Neuaufträge wuchsen bis Ende Juni im Jahresabstand um 14,4 Prozent auf drei Milliarden Euro, der Auftragsstand kletterte um 16,4 Prozent auf 7,6 Milliarden Euro. Die Nachfrage im Bau sei ungebrochen – dem stünden eben der Fachkräftemangel, enorme Kapazitätsengpässe bei Subunternehmern sowie ein anhaltend hohes Kostenniveau bei Baumaterialien, Logistik und Ähnlichem entgegen. Heuer will der Baukonzern – dank des dicken Orderbuchs – das Leistungsniveau des vergangenen Jahres von 5,59 Milliarden Euro übertreffen.

Zugleich stehe man immer auf der Kostenbremse. Nachsatz: "Kosten sind wie Staub. Sie können ihn wegwischen, aber er kommt immer wieder", sagt Strauss. (Claudia Ruff, 10.9.2019)