Millionen Kilometer voneinander entfernte Sonden sollen bei einer künftigen Mission der Raumfahrtagentur Esa Gravitationswellen vermessen. Der Antrieb dafür könnte aus Wiener Neustadt kommen.

Foto: AEI / Milde Marketing / Exozet

Mit dem Nachweis von Gravitationswellen aus kollidierenden Schwarzen Löchern, der 2015 im Ligo-Observatorium in den USA erstmals gelang, wurde ein neues Fenster ins Universum geöffnet. Die europäische Raumfahrtagentur Esa möchte mit der für 2034 angesetzten Mission Lisa einen großen Schritt weitergehen.

Die feinen Veränderungen der Raumzeit sollen mit bisher ungekannter Genauigkeit vermessen werden – vom Weltall aus. Drei Sonden werden dazu, verbunden durch Laserlicht, jeweils zweieinhalb Millionen Kilometer voneinander entfernt platziert. Die hypersensiblen Messinstrumente an Bord sind auf eine exakte Ausrichtung der Raumfahrzeuge angewiesen.

Zu diesem Zweck ist auch von den Antrieben höchste Genauigkeit gefragt. Der Formationsflug muss trotz der hohen Entfernungen eingehalten, der Schub der Triebwerke auf kleinster Skala dosiert werden. Ein neuartiger elektrischer Ionenantrieb, entwickelt vom Forschungsunternehmen Fotec, einer Tochter der FH Wiener Neustadt, hat gute Chancen, bei Lisa eingesetzt zu werden.

Denn dort erhielt man vor kurzem den Zuschlag für ein zwei Millionen Euro schweres Projekt der Esa. Das Ziel: Der Antrieb soll weiterentwickelt und optimiert werden, um ihn fit für kommende Wissenschaftsmissionen der Weltraumagentur zu machen.

New Space

In einer Variante, die für Kleinsatelliten maßgeschneidert ist, wird der Feep-Antrieb bereits seit dem Jahr 2016 im Spin-off Enpulsion zur Marktreife geführt. Hier möchte man vor allem die unter Schlagwörtern wie "New Space" firmierenden privatwirtschaftlichen Raumfahrtanwendungen, etwa im Bereich Telekommunikation, Erdbeobachtung oder Meteorologie, mit kleinen, effizienten und günstigen Antriebsmodulen ausstatten.

"In diesem Bereich wird bewusst auf teure Komponenten verzichtet, und es werden Abstriche bei aufwendigen Tests gemacht", erklärt Bernhard Seifert, der den Bereich elektrische Antriebssysteme bei der Fotec leitet. "Kosten sollen gering und Entwicklungszeiten kurz gehalten werden."

Doch bei Wissenschaftsmissionen mit Milliardenbudgets herrschen andere Anforderungen und Standards, die die bereits verfügbaren "New Space"-Varianten der Triebwerke nicht erfüllen können. "Allein die Dokumentation macht einen wesentlichen Teil des Budgets aus. Da muss der Werdegang jeder Schraube nachvollziehbar sein", erklärt Seifert.

Ein weiterer Punkt ist, dass bei den Ionentriebwerken noch Verbesserungen bei Leistung und Genauigkeit notwendig sind, um sie bereit für Esa-Missionen zu machen. "Die Schubkraft muss noch um den Faktor drei bis vier steigen", sagt der Forscher. "Das kann entweder durch größere Bauformen oder eine Anordnung von mehreren Thrustern gelöst werden. Das genaue Design ist noch offen."

Das nun laufende Esa-Projekt ist bei der Fotec in drei Teile gegliedert. Zuerst müssen die Anforderungen der Esa mit dem Ist-Stand abgeglichen werden. "Wir arbeiten eine Liste mit über 100 Vorgaben ab und schauen, wo wir diese bereits erfüllen und wo wir noch Entwicklungsbedarf haben", erklärt Seifert.

Phase zwei widmet sich der Frage, was verändert werden muss, um die Anforderungen zu erfüllen. "Ein Grundsatz ist, wirklich nur notwendige Adaptierungen durchzuführen. Zudem stellt sich die Frage, welche Analysen und Tests entwickelt werden müssen, um tatsächlich zeigen zu können, dass die Vorgaben – auch über eine Missionsdauer von über zehn Jahren hinweg – erfüllt werden."

Neue Geometrie

Herzstück des Antriebs ist der aus Wolfram bestehende Emitter, eine Form mit poröser Innenstruktur, die sich außen zu extrem dünnen Nadeln verjüngt. Indium als fester Treibstoff wird darin aufgeheizt und geschmolzen.

Hohe Spannung reißt Ionen aus der flüssigen Masse heraus, die durch die Nadeln entweichen und durch ihren Rückstoß für Schub sorgen. Mit einer Veränderung der Geometrie in einem neuen Thruster müsse eine neuerliche Optimierung aller Parameter stattfinden, betont Seifert. Die Anzahl der Nadeln, verwendete Legierungen, Produktionsprozesse verändern sich.

Schlussendlich soll in Phase drei ein Demonstrationsmodell des Triebwerks gezeigt werden, das den strengen Anforderungen gerecht wird, sowie Teststände, mit denen dieser Umstand belegt werden kann. Doch selbst das Erreichen dieser Wegmarke, das in zwei Jahren geplant ist, ist nur ein erster Schritt auf dem Weg zur Teilnahme an der Lisa-Mission.

Seifert: "Es folgen weitere Stufen der Entwicklung, bei denen beispielsweise die Leistung in relevanten Umgebungen, also in Vakuum und bei sehr tiefen Temperaturen, geprüft wird. Wird der Antrieb tatsächlich für eine Mission gewählt, folgen noch Integrationstests, um eine gegenseitige, gegebenenfalls negative Beeinflussung zwischen ihm und anderen Technologien an Bord auszuschließen." (Alois Pumhösel, 16.9.2019)