Zu sehen im Belvedere 21: Josef Bauers "Soldatenserie" von 2011, ein SW-Foto mit Pinselstrichen.

Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien. Courtesy Josef Bauer; Krobath, Wien; Galerie Karin Guenther, Hamburg

Blick in die Josef-Bauer-Ausstellung im Belvedere 21.

Foto: Belvedere, Wien, Foto: Johannes Stoll

Josef Bauers "Körpergalerie" von 1974 ist auch zu entdecken.

Foto: Josef Bauer. Courtesy Josef Bauer; Krobath, Wien; Galerie Karin Guenther, Hamburg

Rot" steht in gelben Buchstaben auf einer blauen Wand. Ein Kreuz verbeugt sich vor einem Thron. Und durch ein gespanntes Seil entsteht ein quadratischer leerer Raum. Die Werke des oberösterreichischen Künstlers Josef Bauer sprechen eine deutliche Sprache – und doch wirken sie unvollständig. Dass vor einem Tisch nur das Wort Sessel geschrieben steht, ist für ihn ebenso Teil der Wirklichkeit wie ein tatsächlicher Sessel. Er kann für ihn alles sein: Objekt, Bild oder nur ein Wort. Durch das Abwesende scheint dessen Bedeutung erst zu entstehen.

In der Retrospektive Josef Bauer. Demonstration, die aus einer gemeinsamen Idee des Belvedere und des Lentos in Linz entstand, werden über 100 Arbeiten des Konzeptkünstlers gezeigt. Fotoserien, Plastiken und Installationen hängen, stehen und liegen über das obere Stockwerk des Belvedere 21 verteilt. Endlich, könnte man sagen, denn obwohl Bauer bereits seit den 1970er-Jahren ausstelle, sei es seine erste Einzelausstellung dieser Dimension, erzählt Kurator Harald Krejci.

Gemeinsam mit dem 85-jährigen Künstler habe er frühe Arbeiten, die Bauer noch vor seinem Studium an der Kunstschule in Linz entworfen hatte, Fotoserien, die er stets erweitert, und sogar beinahe vergessene Werke zusammengetragen. Weder chronologisch noch thematisch, sind diese ausschließlich nach ihrer Beziehung zueinander gruppiert. Wie einzelne Wörter fügen sie sich zu Sätzen zusammen – und ergeben eine eigene Sprache.

Sprache und Umwelt

Diese medienkritische Auseinandersetzung kann in der Biografie des 1934 in Wels geborenen Künstlers wiedergefunden werden. Bereits als Kind mit den Verbrechen des NS-Regimes konfrontiert – auf dem Grundstück seiner Familie wird ein Nebenlager von Mauthausen errichtet -, verarbeitet er diese Erfahrungen in seinen ersten Bildern. Zwei Porträts zeigen einen Soldaten sowie einen KZ-Inhaftierten. "Eigentlich wollte ich Rosen malen, aber plötzlich waren diese Gesichter da", erklärt Bauer.

Diesen Konflikt zwischen Macht und Ohnmacht überträgt er auch auf den Umgang mit Sprache. Dass damals Zeitungen ausschließlich vom Krieg berichteten, ließen ihn im kindlichen Glauben, sie existierten nur wegen des Krieges. Er übermalt Zeitungsausschnitte – die Worte scheinen bedeutungslos und zu leeren Hülsen vertrocknet. In dieser erschütterten Welt möchte er Sprache und ihre Umwelt miteinander versöhnen.

Einige Arbeiten bezeichnet Bauer als "taktile Poesie" und setzt sich im Kreis der Wiener Gruppe mit der Sprachkritik Wittgensteins und der Konkreten Poesie auseinander. Sein avantgardistisches Sprachspiel lässt an die Lyriker Ernst Jandl und Kurt Schwitters denken. In den späten 1970er-Jahren zieht er sich in seinen Heimatort Gunskirchen zurück, arbeitet nachts in seinem Atelier.

Er entwirft Plastiken, die berührt werden dürfen, nennt diese Körpernahe Formen. Die Bezüge zu den Skulpturen Passstücke, die Franz West in den 1980er-Jahren konzipieren wird, sind frappierend. Ebenso erinnert eine Fotoserie stark an die One-Minute-Sculptures von Erwin Wurm.

Unbedankter Visionär

Dass es nicht er selber war, der mit diesen visionären Ideen Bekanntheit erlangte, schien Josef Bauer wenig zu stören. Zwar begann er ab den 1970er-Jahren in Österreich auszustellen, ließ sich aber durch keine Galerie vertreten. Er habe, sagt er, selten systematisch gearbeitet, er wolle einfach immer weitermachen. Dunkle Lettern stehen auf Stelzen an die Wand gelehnt und verdeutlichen den Bezug zum Titel Demonstration als Form des politischen Protests. Für die Fotoserie Die Sprache des Herzeigens halten Hände Lettern und Kreuze in die Luft. Sie erinnern an die Studentenbewegung der 68er und den Gedanken des Aufbegehrens.

Die Ohnmächtigen übernehmen die Sprache und füllen sie mit Bedeutung. Diese Kritik an Machtstrukturen – seien es jene des Nationalsozialismus oder die der katholischen Kirche – ist genau das Element, das die Abwesenheit und Unvollständigkeit in Bauers Arbeiten zu füllen scheint. Egal, ob als Objekt, Bild, oder nur als Wort. (Katharina Rustler, 11.9.2019)