Der American Staffordshire Terrier (hier ein Symbolbild) trug keinen Maulkorb, als er Monika Diendorfer vor acht Jahren attackierte. Sie leidet bis heute an den Folgen des Hundebisses.

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Den 24. Juni nennt Monika Diendorfer "Überlebensgeburtstag". Ihre Stimme wird zittrig, wenn sie schildert, was an diesem Tag vor acht Jahren passiert ist. Wie so oft war Diendorfer damals Joggen am Mühlwasser in Wien-Donaustadt. Den freilaufenden American Staffordshire Terrier am Ufer sieht sie nicht. Plötzlich nimmt der Listenhund Anlauf, stößt sie um und verbeißt sich. "Ich hatte Todesangst", schildert die Pensionistin. Der Hund fügt Diendorfer schwere Verletzungen im Gesicht zu. 40 Stiche sind nötig, um die Wunden zu versorgen.

Langwierige Verfahren

Dem nachfolgenden Strafverfahren gegen den Hundebesitzer, Herrn T., schloss sich Diendorfer als Privatbeteiligte an. Herr T. wurde wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt, Frau Diendorfer bekam eine Entschädigungszahlung von 16.000 Euro – plus vier Prozent jährlicher Zinsen – gerichtlich zugesichert. "Bis zum heutigen Tag habe ich von Herrn T. aber nur einen Betrag von 560 Euro erhalten", sagt Diendorfer.

Auch die Exekutionsverfahren gegen den Hundebesitzer verlaufen für sie negativ. Laut Exekutionsbericht ist Herr T. mittellos und hat monatlich nur 900 Euro zur Verfügung.

Die langwierigen Verfahren empfindet Diendorfer als Belastung. Sie lassen die Erinnerungen an das Erlebte immer wieder präsent werden. "Wie komme ich als Geschädigte dazu, so lange für mein Recht kämpfen zu müssen?", fragt die Pensionistin. Offiziell haftet der Hundebesitzer 30 Jahre lang. "Aber was nützt mir diese Haftung, wenn ich trotzdem mit hoher Wahrscheinlichkeit niemals zu der Entschädigung komme, die mir rechtlich zusteht?"

Anfrage beim Bundesamt

Immer wieder bekommt sie Sätze zu hören wie "Seien Sie lieber froh, dass Sie nicht gestorben sind" oder "Wo nix ist, hat der Kaiser das Recht verloren". Damit will sie sich aber nicht abfinden. Diendorfer wendet sich an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, das Sozialministeriumservice.

Dort wurde bereits 2009 ein Entschädigungsfonds für Verbrechensopfer eingerichtet, die wie sie sonst keine Chance auf Schmerzensgeld hätten. Aber es gibt einen Haken: Laut Verbrechensopfergesetz muss es sich um eine vorsätzliche Tat handeln. Im Fall von Frau Diendorfer geht es aber um Fahrlässigkeit, nicht Vorsätzlichkeit. Anspruch auf eine Sozialentschädigung hat sie deshalb nicht. "Fahrlässigkeit wird vom Verbrechensopfergesetz nicht umfasst", bestätigt das Sozialministerium. "Uns sind auch keine anderen Fonds oder Stellen bekannt, die Kosten nach einem Hundebiss übernehmen."

Im Stich gelassen

Diendorfer fühlt sich zunehmend allein gelassen. "Es braucht einfach mehr Fairness für die Opfer, damit sie nicht wie ich durch die Finger schauen", sagt sie. Auf Nachfrage des STANDARD, wie viele Menschen sich mit ähnlichen Fällen an das Bundesamt wenden, erklärt ein Ministeriumssprecher: "Zu Hundebissen gab es beim Sozialministeriumservice nur zwei Anfragen."

Die Zahl der Betroffenen dürfte aber weit höher sein. Laut dem Kuratorium für Verkehrssicherheit müssen jährlich 3.600 Österreicher nach einem Hundebiss im Krankenhaus behandelt werden. Wie viele davon wie Frau Diendorfer jahrelang auf ihre Entschädigung warten müssen, ist nicht bekannt und lässt sich nur schwer abschätzen.

Fonds in Wien

In ihrer Verzweiflung wendet sich die Pensionistin auch an die Politik. Ihre Forderung an Stadträtin Ulli Sima (SPÖ), die Gemeinde Wien solle einen zusätzlichen Fonds für solche Fälle einrichten, bleibt unkommentiert. Auf Nachfrage des STANDARD heißt es dazu aus Simas Büro: "Was die Frage der Entschädigungen angeht, sehen wir eine bundeseinheitliche Lösung im bestehenden Fonds aus dem Bundesministerium für zielführender an."

Man verweist auf die "Vielzahl von gesetzlichen Maßnahmen, um Bissvorfälle in unserer Stadt so gut es geht zu verhindern". Für Frau Diendorfer kamen diese Maßnahmen zu spät. Solange sie für ihr Recht kämpfen muss, ist ein Schlussstrich unter das Erlebte undenkbar. (Alexander Polt, 11.9.2019)