Auch der aktuelle Jihadistenprozess in Graz findet wieder unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen statt.

Foto: APA/ Erwin Scheriau

Der Angeklagte im kurzärmligen weißen Hemd weiß längst, wie der Prozess ausgehen wird: Freispruch, auf den er plädiert, "weil sie werden nichts finden".

Auf der Suche nach der Wahrheit geht es hart zur Sache an diesem zweiten Tag des Grazer Jihadistenprozesses. Es wird laut, kontroversiell, der Angeklagte zeigt wütend auf die Richterin. Diese und später der Staatsanwalt versuchen dem hauptangeklagten Islamprediger, der in Wien an öffentlichen Schulen unterrichtet hat, nachzuweisen, dass er junge Muslime vor allem in seinem Linzer Glaubensverein radikalisiert habe. Mit dem Ziel, sie zur Reise nach Syrien in den IS-Krieg zu animieren. Was dieser erregt verneint: "Eine Lüge". Er habe niemanden zum IS geschickt. "Wenn ich gesagt habe, geh nach Syrien, habe ich immer gemeint, als Unterstützer der Menschheit, aber nicht, um zu kämpfen." Außerdem habe er die jungen Muslime, die dem IS verfallen waren, eigentlich nicht wirklich gekannt.

T-Shirt mit IS-Emblem

Einer, von dem in der Verhandlung die Rede ist, wurde wegen seiner Mitgliedschaft bei der Terrororganisation bereits zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Auch zu diesem soll der Prediger und Religionslehrer, der mit fünf weiteren Glaubensbrüdern in Graz vor Gericht steht, Kontakt gehabt haben. "Alle können zu mir in die Vorträge kommen", sagt der gebürtige Türke. Aber das bedeute noch nichts. Der Staatsanwalt will es genauer wissen: Was sei mit jenem jungen Muslim, der im T-Shirt mit IS-Emblem zu ihm in den Verein gekommen sei? "Warum haben Sie den nicht rausgeschmissen?" Der Angeklagte: "Der kam von Wien. Damit habe ich nichts zu tun. Außerdem war das zu einer Zeit, wo die Flagge in Österreich noch nicht verboten war."

Der Staatsanwalt wird mürrisch: "Aber Sie wissen schon, dass das die Flagge des Krieges ist?" Der Angeklagte: "Noch mal, sie ist nicht verboten gewesen, außerdem, mir ist ganz egal, was die anhaben, ich bin nicht ihr Vater." Damit ist die Sache mit dem IS-Zeichen noch nicht erledigt. Auf der Homepage seines Betvereins in Linz prangte ebenfalls die IS-Flagge. "Das habe ich nicht angeschafft", sagt der Angeklagte.

Dass sein Verein jedenfalls ein Stützpunkt des IS gewesen sein soll, wie es ihm die Staatsanwaltschaft vorhält, sei eine "Lüge, Sie haben keinen Beweis". Dass ihm dies vorgeworfen werde, sei vielleicht auch so ein "Spielchen der Polizei".

Für einen jungen IS-Mann ist in seinem Verein Geld gesammelt worden, 1069 Euro habe dieser für eine Kampfausrüstung ausgegeben, sagt der Ankläger. "Eine Lüge", erwidert der Angeklagte.

"Verachten die Feiertage"

"Wir verachten ihre Feiertage", macht die Richterin ein weiteres Kapitel des Aktes mit einem Zitat aus einem Telefongespräch auf. "Verachten Sie Weihnachten?", fragt die Richterin. Der Angeklagte: "Ich feiere nicht, ist mir egal." Religiöse Feiertage mit diesem Glauben an Jesus, wo es doch nur "diesen einen Gott" gebe, könne er nicht zusammen mit den anderen feiern.

Dann war da noch dieser Facebook-Eintrag eines Freundes von Anfang 2019, den er geteilt habe. Sein ehemaliger Schüler hatte darin die Gleichberechtigung der Geschlechter als "lächerlichste Theorie der Welt" bezeichnet und entsprechende EU-Projekte zur Gleichstellung in der Türkei abgelehnt. Von "Lügen des Westens" und von "Lass unsere Kinder nicht zu Spielzeugen des Westens werden" ist die Rede. Nein, er habe diesen Eintrag nicht geteilt, vielleicht seine Tochter, die Zugang zum Computer habe. Was er von der Gleichstellung von Frauen und Männern halte? "Das ist ein ganz tiefes Thema ..." Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt. (Walter Müller, 11.9.2019)