Die schlechtere Bezahlung in sogenannten Frauenbranchen wie dem Einzelhandel wird oft als Erklärung für die auseinandergehende Lohnschere zwischen Männern und Frauen herangezogen.
Foto: imago/snapshot

Sie sollten zur regelmäßigen Lektüre gehören, die Fälle des Monats der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Da erfährt man von einer Diplomingenieurin, die in einem Unternehmen in zwei leitenden Positionen arbeitete, fast sechs Monate lang erfüllte sie diese sogar gleichzeitig. Die Kollegen, jeweils nur mit einem dieser Jobs befasst, brachten es trotzdem schneller zu einem höheren Gehalt. Oder wir lesen von einer Assistentin der Geschäftsführung, deren Vorgänger doppelt so viel verdient hat.

Vielleicht langweilen die konkreten Fälle weniger als die seit Jahren ähnlichen Zahlen zur Lohnschere, die nicht gerade das Interesse der Massen wecken. Dabei ist gerade diese ewig gleichbleibende Ungerechtigkeit ein Skandal. Und auch für die Feinheiten auf struktureller Ebene gibt es wenig Echo. Lieber wird von verhandlungsunwilligen Frauen gesprochen und davon, welche Karriereskills sie sich von Männern abschauen müssen. Man redet auch gern davon, was man aus der Gehaltsschere alles rausrechnen müsste, weil es die niedrigeren Gehälter erkläre – von Teilzeit bis hin zur Branche.

Weniger oft kommt vor, welche Faktoren man aber eigentlich reinrechnen müsste: die unbezahlte Arbeit, die neben der Teilzeitarbeit erledigt wird, dass bestimmte Branchen schlechter bezahlen, weil vor allem Frauen in ihnen arbeiten, und die mieseren Jobs, in die Frauen nach einer Karenz oder während ihrer Elternteilzeit abgeschoben werden – oder die Leitungsjobs, die sie aus denselben Gründen manchmal nicht bekommen.

Ein Mix aus Problemen

Es ist ein Mix aus all dem, der dazu führt, dass Frauen während ihres Arbeitslebens durchschnittlich insgesamt 38 Prozent weniger verdienen und deswegen später mit 42 Prozent weniger Pension dastehen. Und das hängt wiederum mit vielen anderen Gleichberechtigungsthemen zusammen: vom Vorurteil, dass Frauen die Familienarbeit besser können, angefangen – bis hin zur Auffassung, dass es für unter Dreijährige zwangsläufig daheim schöner ist als in der Kinderkrippe.

Es ist also vielschichtig und kompliziert. Doch das darf kein Grund sein, den Kopf in den Sand zu stecken und wie die ÖVP und die Neos einfach ganz fest an die Meritokratie zu glauben. Die SPÖ hat jetzt immerhin ein paar Vorschläge in die richtige Richtung vorgebracht und setzt beim Lohntransparenzgesetz an. Und bei dem gibt es tatsächlich noch viel Luft nach oben. So sollen auch kleine Betriebe ab 20 Beschäftigten über das durchschnittliche Gehalt der unterschiedlichen Verwendungsgruppen Auskunft geben. Können Firmen Gehaltsdifferenzen nicht sachlich begründen, soll es Strafen geben, und auch Zuschläge zum Grundgehalt sollen künftig angegeben werden.

Nicht auf Bäumen gewachsen

Ein Fehler ist jedoch, dass man keine Sanktionen für jene vorsieht, die erst gar keine Berichte vorlegen, während diejenigen, die es tun, dafür eine Strafe bekommen könnten, wenn ihr Bericht Lohndiskriminierung aufzeigt. Und: Viele Frauen stehen mit ihrer Vermutung, ungerecht bezahlt zu werden, weiterhin allein da. Bei der Vorlage der durchschnittlichen Gehälter nach Verwendungsgruppen sieht die SPÖ offenbar keinen Verbesserungsbedarf. Wenn allerdings eine Bürokauffrau in einem Betrieb weniger verdient als ein Elektriker desselben Betriebs, könnte das ein "erklärbarer Gehaltsunterschied" sein. "Im Büro verdient man halt weniger." Schulterzucken.

Genau das zeigt das Problem an den Erklärungen von Lohndifferenzen, denn auch ihnen liegen Bewertungen von Arbeit zugrunde, die nicht auf Bäumen wachsen, sondern selbstgemacht sind – und bis heute unhinterfragt gelten. Bis sich das ändert, gibt es noch viel Arbeit. So lange sollten Frauen öfter mit Kolleginnen und Kollegen übers Geld reden – es könnte einiges Interessantes zu erfahren geben. (Beate Hausbichler, 11.9.2019)