Etliche Leser fragen, was denn so schwierig dran sei, Rechtsextreme wie die Identitären zu verbieten, beziehungsweise, wie das die ÖVP (plötzlich) will, durch eine Änderung des Vereinsgesetzes Vereine aufzulösen, die "extremistisches und staatsfeindliches Gedankengut" verbreiten.

Zunächst: Die Gründung von Vereinigungen, auch politischen, ist eine der größten Errungenschaften des Kampfes um die Demokratie. Damit muss man vorsichtig umgehen. Und vor allem: Wer definiert genau, was "extremistisch" oder, noch mehr, was "staatsfeindlich" ist? Ist eine Umweltschutzorganisation, die unser Wirtschaftssystem komplett ablehnt, "staatsfeindlich"? Bei böswilliger Interpretation: ja. Ungarn z. B. belegt NGOs mit Verboten und Strafen, die sich für Flüchtlinge einsetzen.

Die "Identitären" waren bisher so schlau, in ihrer Sprache auf allzu krasse NS-Bezüge zu verzichten.
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Diese schwammige Definition und die Missbrauchsmöglichkeit sind die Gründe, warum vom Bundespräsidenten und Justizminister abwärts die meisten Kenner gegen den Vorschlag der ÖVP sind. Will man alle Spielarten des Extremismus oder der Staatsfeindlichkeit mit einem neuen Vereinsgesetz erfassen, muss man entweder so allgemein und breitflächig oder im Gegenteil so detailliert werden, dass es (verfassungs)rechtlich angreifbar wird. Die ÖVP will ja übrigens auch mittels Vereinsgesetzes gegen den "politischen Islam" vorgehen können. Auch gegen die großen türkischen Vereine Atib und Millî Görüs?

Einschlägige Gesetze

Nun sind die "Identitären" in der Tat rechtsextrem. "Das rechtsextreme Weltbild ist gekennzeichnet durch Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, völkische Ideologie, Antisemitismus, Geschichtsklitterung, einhergehend mit der Verherrlichung des NS-Regimes und Relativierung bis zur Leugnung des Holocaust, Diffamierung und Ablehnung des demokratischen Rechtsstaats" (Definition der deutschen "Bundeszentrale für politische Bildung"). Nur ist Rechtsextremismus in Österreich nicht verboten (während in Deutschland der Tatbestand der "Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung" als strafrechtlicher Hebel dienen kann).

Aber es gibt natürlich auch in Österreich einschlägige Gesetze. Zum Beispiel das Verbotsgesetz, das "Wiederbetätigung" im NS-Sinn und/oder grobe Verharmlosung und Leugnung von NS-Verbrechen unter Strafe stellt. Unter diesem Tatbestand werden laufend Leute verurteilt. Die "Identitären" waren bisher aber so schlau, in ihrer Sprache auf allzu krasse NS-Bezüge zu verzichten. Dann gibt es die Möglichkeit, Extremisten wegen "Verhetzung" und wegen "Bildung einer kriminellen/terroristischen Vereinigung" anzuklagen und zu verurteilen. Das geschah auch in den letzten Jahren mehrfach mit sogenannten "Austro-Islamisten". Auch 17 "Identitäre" wurden schon letztes Jahr in Graz wegen krimineller Vereinigung und Verhetzung vor Gericht gestellt. Das Gericht (und die zweite Instanz) sah jedoch in den Aktionen (Stürmung von Hörsälen) und Parolen ("Islamisierung tötet") nur "Grenzfälle" und keine "klare Aufstachelung zum Hass". Die Beschuldigten wurden rechtskräftig freigesprochen.

An diesen Freisprüchen und ihrer Begründung kann man Kritik üben. Aber man wird künftig mehr auf Zack sein müssen, wenn man (Rechts-)Extreme juristisch fassen will. (Hans Rauscher, 10.9.2019)