Max Zirngast wurde genau vor einem Jahr verhaftet. Kurz nach Weihnachten wurde er aus dem Gefängnis entlassen, durfte aber das Land nicht verlassen.

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Ankara – Genau ein Jahr nach seiner Festnahme in der Türkei wegen Terrorvorwürfen ist der österreichische Aktivist und Journalist Max Zirngast überraschend von einem Gericht in Ankara freigesprochen worden. "Freispruch für alle!!!!!!!" hieß es auf dem Twitter-Account "FreeMaxZirngast", einer Solidaritätskampagne für den österreichischen Politikwissenschaftsstudenten und Autor am Mittwoch.

Der Freispruch sei auf Antrag des Staatsanwalts aus Mangel an Beweisen erfolgt, berichtete der Wiener Rechtsanwalt Clemens Lahner, der als Prozessbeobachter nach Ankara gereist war.

Urteil nicht rechtskräftig

Der Freispruch sei allerdings noch nicht rechtskräftig, teilte Lahner der APA in einem Telefongespräch aus Ankara mit. Theoretisch könne die türkische Oberstaatsanwaltschaft innerhalb einer Frist von sieben Tagen noch gegen die Entscheidung berufen. "Wir gehen aber davon aus, dass sich der Staatsanwalt vorher das Okay geholt hat."

Zirngast könne somit auch erst nach Verstreichen dieser siebentägigen Frist die Türkei verlassen, so Lahner. Für die Angeklagten und ihre Familien sei die Entscheidung "eine große Erleichterung", sagte der Rechtsanwalt. Aus juristischer Sicht sei die Verhandlung am Mittwoch aber "ein Moment, wo sichtbar wird, was für eine Farce die türkische Justiz ist". Schließlich sei das Verfahren im April um sechs Monate vertagt worden. "Jetzt, bei identischem Informationsstand, gibt es einen Freispruch. Es ist ein Witz."

Unerwarteter Freispruch

Mit einem Freispruch rechnete Zirngast nicht. Am Dienstag sagte er zum STANDARD, dass es ihm den Umständen entsprechend gut gehe, er sich allerdings keine allzu großen Hoffnungen mache, freigesprochen zu werden. Primär möchte Zirngast nun einmal nach Österreich zurückreisen. "Ich freu mich schon darauf, alle zu sehen", sagte Zirngast mit Blick auf seine Heimreise. Zugleich bedankte er sich "bei allen Journalisten, die sich für den Fall interessiert haben (...) und vor allem bei der Solidaritätskampagne, die von Anfang an mich unterstützt haben und alles für mich getan haben. Liebe Grüße an alle und Freiheit für alle politischen Gefangenen."

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Außenminister Alexander Schallenberg begrüßten die Entscheidung des türkischen Gerichts. Auch der SPÖ-Europaabgeordnete Andreas Schieder und die außenpolitische Sprecherin der Neos, Stephanie Krisper, zeigten sich erfreut. Der Präsident des Österreichischen Journalisten-Clubs (ÖJC), Fred Turnheim, betonte die Wichtigkeit der weltweiten Solidarität in diesem Fall: "Nur der internationale Druck auf das türkische Regime hat diesen Freispruch möglich gemacht."

Verhaftung und Ausreiseverbot

Zirngast ist im Morgengrauen des 11. September vergangenen Jahres in Ankara verhaftet worden. Eine Antiterroreinheit stürmte seine Wohnung und beschlagnahmte Bücher, viele davon über linke Bewegungen in der Türkei. Der damals 29-Jährige wurde daraufhin der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" beschuldigt und verbrachte die folgenden drei Monate in einem Gefängnis in Ankara.

Kurz nach Weihnachten wurde Zirngast dann auf freien Fuß gesetzt. Gegen ihn wurde aber eben eine Ausreisesperre verhängt. Einmal wöchentlich muss er sich seitdem auf einer Polizeiwache in Ankara melden und unterschreiben. Der letzte Verhandlungstag fand im April dieses Jahres statt.

Kurz nach Weihnachten durfte Max Zirngast das Gefängnis verlassen.
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Student in Ankara

Zirngast war 2015 in die Türkei gekommen, um Politikwissenschaft an der Universität des Mittleren Ostens in Ankara zu studieren. Er schrieb für türkische und ausländische linke Magazine, darunter das deutschsprachige linksradikale Magazin Re:volt, und beteiligte sich immer wieder an Demonstrationen der prokurdischen Oppositionspartei HDP.

Zirngast ist nicht der erste ausländische Journalist, der in der Türkei wegen Terrorvorwürfen inhaftiert wurde. 2017 traf dies auch die beiden deutschen Journalisten Deniz Yücel und Meşale Tolu. Beide sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß und zurück in Deutschland. Noch dramatischer aber ist die Lage der zahlreichen inhaftierten türkischen Journalisten. Laut der unabhängigen Journalistenorganisation P24 sind derzeit 138 türkische Journalisten in Haft oder warten auf ihren Prozess.

Meinungsfreiheit unter Beschuss

Auch sonst ist die Lage der Meinungsfreiheit in der Türkei weiter besorgniserregend. Am vergangenen Freitag wurde die CHP-Politikerin Canan Kaftancıoğlu zu neun Jahren Haft verurteilt. Die Wahlkampfleiterin des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu hatte sich auf Twitter kritisch geäußert. Sorge bereitete auch eine Studie des regierungsnahen Thinktanks Seta vom vergangenen Juli. In einem 200-seitigen Bericht warf er Vertretern ausländischer Medien vor, kritisch und einseitig über die Regierung von Tayyip Erdoğan zu berichten, und nannte dabei mehrere Journalisten namentlich. (APA, pmat, 11.9.2019)