Frage:

Mein Sohn ist zwei Jahre alt und hat schon alle Zähne. Er hat schon sehr früh Zähne bekommen. Nun ist es so, dass er Zähneputzen wirklich hasst, obwohl wir wirklich schon alles versucht haben: singen, gemeinsam putzen, währenddessen fernsehen, gegenseitig putzen, Sticker-Belohnung und vieles mehr. Wir haben dennoch tägliches Theater, Tränen und Schreiattacken.

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Zähneputzen muss sein, aber wie weit kann man gehen, wenn sich das Kind weigert?
Foto: Onfokus

Das stresst nicht nur ihn, sondern auch uns als Eltern, weil wir uns richtig mies fühlen, wenn wir ihn festhalten müssen, um dann mit einer Zahnbürste in seinem Mund rumzuschrubben. Auf der anderen Seite meinte unsere Zahnärztin, dass es nun mal sein muss und es vielen Eltern gleich geht. Zerstört es nicht das Vertrauen und die Beziehung zwischen Eltern und Kind, wenn wir so übergriffig sind und ihn zwingen? Wir sind wirklich verzweifelt, weil wir nicht wissen, was richtig ist.


Antwort von Nadja Kupsa

Ich kenne Ihre Situation sehr gut. Mein Sohn verweigerte schon im Alter von fünf Monaten jegliche Art von Mundhygiene. Ihn schreiend festzuhalten erschien mir zu übergriffig. Die Lösung? Ein klärendes Gespräch mit einer Kinderzahnärztin. Ich habe mir sämtliche Ratschläge geholt, wie ich die Zähne meines Kindes – abgesehen vom Putzen – vor Karies schützen kann. Einen großen Faktor spielt dabei die Ernährung. Bei uns gibt es keinen Zucker. Wenn mein Kind (knapp zwei Jahre alt) nach einem Eis oder nach Schokolade schreit, dann sage ich ihm, dass es so lange keine Süßigkeiten geben wird, bis wir endlich Zähne putzen. Außerdem biete ich ihm keine süßen Säfte, sondern Wasser und Tee an. Ein weiterer Tipp, den ich von der Zahnärztin bekommen habe: Am Abend zumindest darauf achten, dass nach dem Essen keine Reste mehr im Mund übrigbleiben. Mit Wasser nachspülen und dem Kind eine Zahnbürste mit fluoridhaltiger Zahnpasta darauf geben, auf der es kauen kann. Mit dieser Herangehensweise habe ich nicht mehr so ein schlechtes Gewissen, wenn wir das Zähneputzen ausfallen lassen. (Nadja Kupsa, 13.9.2019)

Nadja Kupsa ist Redakteurin im Ressort Familie des STANDARD und Mutter eines zweijährigen Sohnes.
Foto: Stefanie Sima

Antwort von Hans-Otto Thomashoff

Da haben Sie ja wirklich schon viel versucht, und ich verstehe, dass inzwischen die Nerven blank liegen, bei Ihnen und bei Ihrem Kind. Wahrscheinlich geht es um zwei Ebenen:

Erstens um das Zähneputzen selbst. Und da gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder es wird geputzt oder nicht. Die Zahnärztin ist für die erste Variante, Ihr Gefühl mittlerweile für die zweite, weil sie Ihrem Kind ersparen wollen, dass es sich quasi von Ihnen vergewaltigt fühlt. So schlimm ist die Sache allerdings nicht. Genauso wie es kein Drama ist, wenn die Zähne manchmal nicht geputzt werden. Das soll ja sogar bei Erwachsenen vorkommen, ohne dass denen sofort die Zähne ausfallen. Wie so oft sollte hier die Antwort bei Ihrem Gefühl ansetzen. Da erscheint es wichtig, das Drama herauszunehmen. Ihr Kind hat schon Stress, wenn es losgeht – und Sie auch. Außerdem ist es noch zu jung, um zu verstehen, warum das so ist. Mein Rat: Bleiben Sie am Ball und versuchen Sie es, machen Sie ihm auch deutlich, dass Sie das wollen, aber wenn er partout nicht will, dann putzen Sie eben auch mal nicht, bevor das Ganze eskaliert.

Auf der zweiten Ebene kann es sein, dass Ihr Kind so langsam im Trotzalter ankommt. Das ist die wunderbare Zeit, in der ein Kind realisiert, dass nicht immer alles so läuft, wie es das gerne hätte, mit heftigen Wutanfällen als Folge. Die lassen sich nicht vermeiden und sind auch wichtig als Erfahrung, weil das Kind erlebt, dass es wütend sein darf und dass davon nicht die Welt untergeht. Allerdings sollten Sie dann durchaus bei Ihrem Wunsch nach Zähneputzen bleiben. Vielleicht mit einem Trick: Bieten Sie ihm Alternativen an, bei denen er selbst entscheiden kann: Die grüne oder die blaue Zahnbürste, Mama oder die bislang unbeteiligte Omi und so weiter. Seien Sie kreativ, damit aus dem Machtkampf ein Spiel wird. (Hans-Otto Thomashoff, 13.9.2019)

Hans-Otto Thomashoff ist Psychiater, Psychoanalytiker, zweifacher Vater und Autor. Zuletzt veröffentlichte Bücher: "Das gelungene Ich" (2017) und "Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden" (2018).
Foto: Alexandra Diemand

Antwort von Linda Syllaba

Mein Lehrer, der dänische Familientherapeut Jesper Juul, hatte zu diesem Thema eine ganz klare Haltung: In so einer Situation müssen sich Eltern zwischen den Zähnen und der Beziehung zum Kind entscheiden. Ja, ein körperlicher Übergriff in Form eines Zahnputz-Gewaltaktes schadet definitiv der Beziehung zwischen Eltern und Kind.

Es ist erst einmal nicht ungewöhnlich, dass Ihr Sohn nicht Zähne putzen will. Es ist ja auch eher lästiges Pflichtprogramm, selbst wenn wir Eltern es recht kreativ zum großen Spaß werden lassen. Wenn, wie Sie es beschreiben, die Situation jedoch schon so verfahren ist, müssen wir davon ausgehen, dass sich ein "negatives Ritual" eingeschlichen hat, das erst einmal durchbrochen werden muss, um dann ein anderes, positiv besetztes Ritual neu zu etablieren.

Daher empfehle ich, mit dem Kind in diesem Sinne zu sprechen: "Ich weiß, dass du Zähneputzen nicht magst, für mich ist das ständige Streiten darum auch anstrengend. Deshalb will ich mit dir gemeinsam einen Weg finden, wie wir es so gestalten können, dass es so angenehm wie möglich für uns alle ist. Mein Vorschlag ist, dass wir es ab jetzt so machen (zum Beispiel): Gleich nach dem Essen gehen wir Zähne putzen, dann machen wir xy und danach noch xz. Was denkst du?" An dieser Stelle ist es auch erwünscht, das Kind direkt zu fragen, was es denn braucht, damit das Zähneputzen leichter wird und welche eigenen Vorschläge es hat.

Den meisten Kindern ist ihre Zahnpflege schlichtweg nicht wichtig, und sie können natürlich die langfristige Bedeutung von Mundhygiene nicht absehen. Dafür haben sie ja uns, und daran dürfen wir auch mal erinnern, indem wir sagen: "Ich bin deine Mama / dein Papa und habe die Aufgabe, auf dich und auch auf deine Zähne aufzupassen. Auch wenn es dir nicht gefällt, es ist mir wichtig, und ich werde nicht aufhören, bis wir einen Weg gefunden haben." Hier ist die eigene Klarheit entscheidend. Der gemeinsam erarbeitete neue Ablauf soll nun eingehalten werden! Da werden Sie öfter mal daran erinnern müssen, mit sanftem Nachdruck dranbleiben, bis das neue Ritual in Fleisch und Blut ist.

Ganz allgemein kann es helfen, wenn die Erwachsenen selbst auch, gemeinsam mit den Kindern, Zähne putzen, weil Vorbildwirkung auch hier wichtig ist. Daraus könnte man wieder ein Spiel machen, um die "Freude" am Zähneputzen zu erhöhen: Wir putzen uns gleichzeitig gegenseitig die Zähne. Ich dir und du mir. Mal sehen, wie schnell sie sauber werden ...? (Linda Syllaba, 13.9.2019)

Linda Syllaba ist diplomierte psychologische Beraterin, Familiencoach nach Jesper Juul und Mutter. Aktuelles Buch: "Die Schimpf-Diät" (2019).
Foto: Bianca Kübler Photography