Jetzt hat es also auch die IAA_erwischt. Sogar der wichtigsten Branchenmesse der Welt laufen die Hersteller davon, viele haben heuer abgesagt, das Konzept Automobil-Salon läuft sich angesichts der elektronischen Revolution wohl langsam endgültig tot. Zudem kriselt die Branche, die den endgültigen Umbruch in die Elektromobilität zu stemmen hat, an mehreren Fronten.

Man merkt auf der IAA, dass es in der Branche kriselt.
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Nicht präsent sind heuer: Alpine, Aston Martin, Bentley, Bugatti, FCA (Alfa, Fiat, Jeep etc.), GM (Cadillac, Chevrolet), Kia, Mazda, Mitsubishi, PSA (Citroën, DS, Peugeot), Renault-Nissan (mit Dacia. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Renault "im Rahmen der IAA" den neuen Captur präsentierte), Rolls-Royce, Suzuki, Subaru, Toyota, Volvo. Frankreich und Italien bleiben der Messe damit fern, aus Japan hält eigentlich nur Honda die Flagge der aufgehenden Sonne hoch, aus Korea ist Hyundai gemeldet – Kia und Ssangyong pausieren. Dafür stellt beispielsweise der chinesische Elektro-Neuling Byton auf der IAA aus.

Allerdings backen, wie man in dortzulande zu sagen pflegt, diesmal selbst die Hausherren kleinere Brötchen, speziell BMW, abe auch der VW-Konzern – heißt: räumlich teils deutlich reduzierter Auftritt. Inhaltlich zeigt sich vor allem zweierlei: Der SUV-Boom ist ungebrochen, und die deutsche Elektro-Großoffensive läuft an. Es folgt ein Überblick über die wichtigsten Neuheiten und Studien im Telegrammstil, alphabetisch nach Konzernen sortiert. (Andreas Stockinger, 12.9.2019)

BMW

Neue Bescheidenheit bei der Größe des Standes bei gleichzeitiger Beibehaltung der hohen Neuheiten-Schlagzahl. Gemma’s an. Salonüberraschung Concept 4, Weltpremiere für den neuen X6, Messepremieren für 1er, 8er Gran Coupé, 3er Touring, M8 Coupé und Cabrio, Mini Cooper SE und die BMW-Studie Vision M Next sowie Facelift A1. Wir konzentrieren uns auf das, worüber wir noch nicht berichtet haben: Concept 4, X6, 8er Gran Coupé, M8. Concept 4: vielleicht der Showstopper der heurigen IAA. Atemberaubendes Coupé – trotz oder auch wegen des von der Motorhaube bis ganz nach unten reichenden Nierengrills. Nimmt das Design des 2021 kommenden Elektro-BMWs i4 vorweg, der dann aber statt zwei wohl vier Türen haben wird. Sozusagen ein batterieelektrisches 4er Gran Coupé.

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X6: Dritte Auflage des über alle Erwartungen erfolgreichen SUV-Coupés in der schlanken Gestalt eines Sumoringers. Bleibt sich stilistisch treu, wächst um 2,6 cm auf 4,94 m Länge, signalisiert von vorne Fressbereitschaft und startet im November mit je zwei Dieseln (265, 400 PS) und Benziner (340, 530 PS), Preispalette: 84.250 bis 120.850 Euro.

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8er Gran Coupé: bildschön. Gestreckte Eleganz. Vier Türen. Ein Diesel (320 PS), zwei Ottos (340, 530 PS). 102.750 bis 143.250 Euro. Ab November.

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M8: Hochleistungsversionen von 8er Coupé und Cabrio, heiß begehrt bei Reich und Schön, TwinPower-Turbo-V8 mit 600, beim Competition-Paket mit 625 PS – das Coupé startet bei 197.000 Euro, das Cabrio bei 208.450 Euro. Der Rest im Staccato.

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1er: erstmals Frontantrieb. Ab 28. September, 116 bis 306 PS, 29.450 bis 55.000 Euro.

3er Touring: ab Oktober, 150 bis 374 PS, 44.000 bis 56.500 Euro.

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Mini Cooper SE vulgo Elektriker-Mini: ab 7. März, 135 kW (184 PS), 235 km WLTP-Reichweite, ab 32.950 Euro.

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DAIMLER

Als Highlight schiebt Mercedes die Elektro-Studie EQS ins Rampenlicht. Sie ist auch ein Hinweis darauf, wie es weitergeht mit der jungen Zukunftstechnologiemarke EQ – der EQS ist sozusagen eine erste Fingerübung auf einer eigenen, vollvariablen, multipel skalierbaren batterieelektrischen Antriebsplattform, Format: S-Klasse. Konfiguration: ca. 350 kW (476 PS), ca. 700 km Reichweite. Und damit das klar ist: Die Sache ist ernst gemeint, das Serienmodell kommt womöglich noch 2020.

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Daneben treiben die Deutschen die Elektrifizierung massiv voran, auf dem Salon debütieren etliche Plug-in-Hybride (A-, B-Klasse, GLC und der Diesel-Plug-in GLE 350 de) und die Batterieelektriker Mercedes EQV (ab Frühjahr 2020) sowie ...

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... Smart Fortwo und Forfour EQs (Facelift; ab Anfang 2020).

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Und weil BMW schon den neuen X6 mitgebracht hat, hält Mercedes mit der Weltpremiere des GLE Coupés (ab Februar) gegen. Die zweite Generation wirkt immer noch schwer machoid, aber glatter, eleganter – sofern der Begriff bei Autos dieses Zuschnitts kein Euphemismus ist – als bisher. Wächst in der Länge um vier Zentimeter auf 4,94 m, der Kofferraum fasst 655 bis 1790 Liter, technisch ist vor allem auf das 48-Volt-Netz zu verweisen und motorisch bedient sich das Coupé aus dem im normalen GLE verfügbaren Programm an Selbstzündern und Ottos.

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Deutlich weniger Aufmerksamkeit, aber mehr Breitenwirksamkeit entfalten wird der GLB, der sich demnächst, noch im Herbst, zwischen GLA und GLC positioniert. Interessanter, extrem flexibler und variabler SUV mit 4,63 m Länge, bis zu sieben Plätzen und viel Kofferraum (560 bis 1755 l). Drei Diesel (116, 150, 190 PS) und zwei Benziner (163, 224 PS) stehen zur Auswahl, ebenso Frontantrieb und Allrad. Preispalette: 41.650 bis 53.460 Euro.

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FORD

tut sich in Europa ganz eng mit VW zusammen, übernimmt unter anderem deren Elektro-Baukasten MEB und skizziert auf der IAA, wie alle anderen Hersteller auch, die "Mobilität von Morgen" – gezeigt wird dabei das ganze momentan verfügbare Portfolio an Mild-, Voll- und Plug-in-Hybriden im Pkw- und Nutzfahrzeugbereich. Dazu zählt mit seinem Mildhybrid-Antrieb (125 und 155 PS) auch der neue Puma, der Anfang nächsten Jahr starten wird. Und nein, auch wenn Sie womöglich "Hurra" rufen, "endlich wieder ein hübsches, erschwingliches Coupé von Ford!" – falsch geraten, da fährt ein SUV vor, bestenfalls mit leichter Coupé-Silhouette. Weil SUVs sich halt verkaufen wie die warmen Semmeln.

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HONDA

Der einzige auf der IAA_vertretene Japaner hat eine einzige Neuheit mitgebracht, eine einzigartige für den Hersteller sogar: Weltpremiere für den Honda e! Schlichter Name für deren erstes, mit enorm viel Vorschusslorbeeren bedachtes batterieelektrisches Großserienfahrzeug, das mit unter 3,90 m Länge und nur 8,6 m (!) Wendekreis perfekt auf den Stadteinsatz zugeschnitten ist. Das Serienmodell hat erfreulich viel vom Design der Studie ins echte Autoleben herübergerettet, und technisch sieht es so aus, dass der Hecktriebler über zwei E-Motor-Leistungsstufen verfügt: eine mit 100 kW (136 PS; ab 34.990 Euro), eine mit 113 kW (154 PS; ab 37.990 Euro). Die 35,5-kWh-Batterie erlaubt dabei Reichweiten von bis zu 220 km. Österreich-Start ist im kommenden Frühsommer.

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HYUNDAI

Mit 3,67 m Länge gleich lang wie bisher, folglich noch kompakter als der Honda e, aber wie gehabt konventionell angetrieben und in schmucker Aufmachung präsentiert sich Hyundais Weltpremiere, der i10. Flacher, breiter und innen dank größeren Radstands mit mehr Platz, bezieht der Kleine selbstbewusst Position in einem in Europa von strengen Abgasreglements arg bedrohten Fahrzeugsegment. Zum Marktstart im Januar stehen zwei Benziner zur Auswahl, ein 3-Zylinder mit 1,0-Liter-MPi-Dreizylinder mit 67 PS und ein 4-Zylinder mit 84 PS.

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Zu vermelden wäre weiters das Concept 45, formal eine wie mit dem Lineal gezogene SUV-Coupé-Studie, eine Vorschau auf das neue Markendesign. Wichtiger ist aber die Botschaft: Ähnlich wie VW legt sich auch der Fernost-Konzern einen Elektrobaukasten zu, die Konzernschwester hatte bereits im Frühjahr in Genf mit der Studie "Imagine by Kia" erstmals darauf hingewiesen.

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Außerdem wird das Kona-Angebot um eine Hybrid-Version mit 141 PS Systemleistung erweitert (ab Oktober ab 27.990 Euro), und der Ioniq durfte zum Facelift, in dessen Zuge die E-Version eine größere Batterie, sprich: mehr Reichweite spendiert bekommt.

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JLR

Nichts Neues bei Jaguar, dafür – ähnlich wie bei Honda – eine Singularität (wenn auch keine kosmische) bei Land Rover: Der neue Defender ist fertig! Die auf der IAA extrem umlagerte Neuauflage des unverwüstlichen britischen Geländehaudegens kommt stilistisch plausibel in die Gegenwart gedacht daher, extrem lässige Kiste, keine Frage, und soll im Gelände noch mehr können als bisher schon. Und das, obwohl der Defender auf keiner Leiterrahmenkonstruktion mehr basiert, sondern auf eine selbsttragende (Alu-)Karosserie setzt. Es gibt, getreu dem Vorgänger, eine 5-türige Version mit langem Radstand und der historisch tradierten Bezeichnung Defender 110 sowie eine 3-türige mit kurzem namens 90. Motorisch zur Auswahl stehen zwei Diesel (200, 240 PS), ein Benziner (300 PS) und ein Mild-Hybrid (400 PS), und die 8-Gang-Wandlerautomatik hat auch eine Geländeuntersetzung. Österreich-Start ist im Frühling. Preise? Der 110er startet bei 65.700 Euro, der etwas später folgende 90er bei ca. 59.000.

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PSA Den Auftritt des französischen Konzerns stemmt die deutsche Tochter Opel im Alleingang. Weltpremiere feiern Corsa und Corsa-e, um sie dreht sich alles auf dem Stand, und beide basieren, wie der Peugeot 208, auf der kleinen, der CMP-Plattform des PSA-Konzerns. Der fesche, 4,06 m lange Elektro-Opel fährt im Frühjahr mit 100 kW (136 PS) Leistung vor, die 50-kWh-Batterie sorgt für bis zu 330 km Reichweite (WLTP), der Preis liegt bei 29.999 Euro. Der konventionelle Opel startet schon jetzt im Herbst, zur Auswahl stehen drei Benziner (75. 100, 130 PS) und ein Diesel (102 PS), Preispalette: 14.639 bis 22.349 Euro.

Außerdem: Astra-Facelift (ab sofort) und Grandland X Hybrid4, die Plug-in-Version (ab Frühjahr).

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VW

Zum klaren IAA-Schwerpunkt des Konzerns steuert Audi mit dem AI:Trail einen "elektrisch angetriebenen Offroader" bei. Die markant gezeichnete Studie im Stil einer Kampfhornisse bestätigt, dass aus der Feder von Marc Lichte künftig noch spannende Designs zu erwarten sind. Studienkonfiguration: Vier E-Motoren mit 320 kW (435 PS), WLTP-Reichweite 400 bis 500 km. Nächtens sorgen vier sonst auf dem Dach geparkte, dann vorausfliegende Drohnen für das nötige Licht, und wer meint, autonomes Fahren beschränke sich zwangsläufig auf Straßen, den belehrt Audi eines besseren.

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Daneben gehen fast unter: Q3 Sportback – der SUV-Coupé-Ableger startet im Oktober mit einem Diesel (150 PS; ab 41.720 Euro) und einem Benziner (230 PS; ab 49.960 Euro) ...

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... und der RS 7 Sportback (V8 Biturbo, 600 PS, ab Dezember).

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Nicht elektrisch, aber immerhin elektrifiziert geht es bei Lamborghini zu – beim Sián (= Blitz) handelt es sich um einen auf 63 Stück limitierten Hybrid-Supersportwagen mit V12-Aggregat, Superkondensator und 819 PS Systemleistung.

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Die richtige Revolution im Sportwagenbau findet hingegen bei Porsche statt. Der Taycan ist im Jänner 2020 startbereit, zur Auswahl stehen zum Marktstart der Turbo mit 500 kW (680 PS; ab 156.153 Euro) und der Turbo S mit 560 kW (761 PS; ab 189.702 Euro), hie 450 km WLPT-Reichweite, da 412. Design? Eindeutig Porsche, eindeutig Zukunft, und auch darauf sind die Zuffenhausener stolz: erstes Serienfahrzeug mit 800 Volt Systemspannung statt der sonst bei E-Autos üblichen 400.

Sonst noch was, für konventionelle, für Benzinbrüder und -schwestern vielleicht? Macan Turbo. Das neue Topmodell des kleinen Porsche-SUVs prescht im Oktober mit einem neuen 2,9-Liter-Sechszylinder-Biturbo vor, Leistung: 440 PS (324 kW), Kostenpunkt: 114.893 Euro.

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Ähnlich wie bei Audi steht auch bei Seat eine Elektro-Studie im Rampenlicht, nämlich von der Submarke Cupra: Tavascan Electric Concept. 225 kW (306 PS) stemmen dessen zwei E-Motoren, vom Konzept her handelt es sich wiederum um ein SUV-Coupé, da kann nix schief gehen, sollte an einen Serienauftritt gedacht sein, und der scheint jedenfalls nicht ganz unrealistisch, Seat-Chef Luca de Meo würde ihn sich stilistisch sogar genau so wünschen.

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Außerdem debütiert der erste Plug-in-Hybrid der Marke, der Tarraco FR PHEV. Systemleistung: 245 PS (180 kW), Marktstart: Frühjahr 2020.

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Aufgrund der Schwerpunktsetzung wird man auf der IAA den neuen Skoda Octavia vergeblich suchen, aber immerhin zelebriert man 60 Jahre Octavia-Historie, unter anderem mit einem Oldtimer der ersten Generation, eine echte Augenweide. Der Rest am Stand ist aktuelles Modellprogramm, Grundtenor: Skoda hat alle Antriebsvarianten im Angebot, Verbrenner inklusive Erdgas, Plug-in bis Elektro.

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Bei der Kernmarke VW selbst konzentriert sich alles, wirklich alles auf den ID.3, selbst der neue Golf musste zurücktreten, er wird zu einem späteren Zeitpunkt separat präsentiert. Erstes Auto auf MEB-Basis (Modularer E-Antriebs-Baukasten) und ein ganz, ganz wichtiges für die Mobilitätswende im größten Autokonzern der Welt. Stilistisch beinahe so glatt, wie zu erwarten war, aber doch überraschend gefällig – das ist ein richtig fesches, schnörkelloses Auto geworden. Der in die Hinterachse integrierte E-Motor leistet 150 kW (204 PS), das Batterienangebot ist skalierbar, es gibt nämlich dreie zur Auswahl: eine mit 45 kWh, eine mit 58, eine mit 77 – entsprechend staffeln sich die WLTP-Reichweiten in 330, 420 und 550 km. Mit 4,26 m Länge bleit der ID.3 wie erwartet auf Golf-Niveau, wirkt aber innen geräumiger als dieser. Marktstart ist kommenden Sommer, der Startpreis liegt vermutlich bei etwa 30.000 Euro – und es liegen schon über 30.000 Reservierungen vor. Und weil der gesamte Markenauftritt der E-Mobilität gilt, ist erstens auch noch die ganze Riege an ID.-Showcars aus den vergangenen Jahren zu sehen und wird zweitens das T-Roc Cabrio zu den Pressetagen nicht gezeigt – sondern erst zu den Publikumstagen. (Andreas Stockinger, 12.9.2019)

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