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Giorgi Bezhanishvili avancierte in seiner ersten Saison auf dem College zum Stammspieler der Fighting Illini.

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Seiner Mutter Lali (links) hat er zu verdanken, dass er darauf hoffen kann, in die NBA zu kommen.

Foto: Lali Bezhanishvili

Fragt man junge Basketballer, wen sie als ihre Vorbilder anhimmeln, dann fallen meistens die Namen der großen NBA-Stars: LeBron James, Stephen Curry, Kevin Durant. Fragt man Giorgi Bezhanishvili nach seinem Vorbild, kommt eine empfindsame Antwort: "Meine Mama ist meine große Heldin."

Bezhanishvili spielt für die Universität von Illinois in in der US-College-Liga NCAA. In seiner ersten Saison avancierte der 20-jährige gebürtige Georgier zum Stammspieler, verzeichnete in einem Spiel gar 35 Punkte, das gelang noch keinem Freshman vor ihm an der Uni. Ein Traum, der ohne den Lebenskampf seiner Mutter nie wahr geworden wäre. "Ich kannte sie jahrelang nur als Stimme am Telefon, aber ich wusste dass sie das für eine bessere Zukunft tat."

Giorgi Bezhanishvili war drei Jahre alt, als seine Mutter Lali ihn und seinen älteren Bruder Davit in der georgischen Kleinstadt Rustawi zurückließ, um in Westeuropa Geld für die Familie verdienen zu gehen. Die Kinder blieben bei den Großeltern, dort gab es oft keinen Strom, zum Duschen wurde Wasser aufgekocht. "Rustawi ist ein Ort ohne Hoffnung. Junge Menschen wollen weg von dort, Drogen und Kriminalität beherrschen den Alltag."

Lali Bezhanishvili, Giorgis Mutter, 1,85 Meter groß und einst selbst Basketballerin, kann mittlerweile über die Vergangenheit entspannt plaudern, "aber damals war es das Schlimmste, meine Kinder zu verlassen. Ich war depressiv, in Georgien gab es keine Zukunft, ich musste etwas unternehmen", sagt die 51-Jährige im Gespräch mit dem STANDARD im Hotel Kaiserhof in der Wiener Innenstadt, wo sie mittlerweile als Rezeptionistin arbeitet.

Die Flucht nach Wien

Mit dem Ende der Sowjetunion stürzte Georgien in eine schwere Wirtschaftskrise. Bürgerkriege ließen das Land arm werden. Lali Bezhanishvilis Wirtschaftsuni-Abschluss in Tiflis war nichts mehr wert, Massenarbeitslosigkeit folgte. Also flüchtete sie 2002 mit nur 100 Euro in der Tasche über Tschechien nach Wien, arbeitete jahrelang als Putzfrau und schickte regelmäßig Geld, Gewand und Schokolade nach Rustawi. "Es gab dort kein Internet, ich konnte mit meinen Kindern oft nur kurz telefonieren. Das war furchtbar, ich war mehrmals kurz davor aufzugeben und heimzukehren, aber meine Eltern haben mir immer gesagt, dass in Georgien nichts auf mich wartet", sagt Lali Bezhanishvili.

Giorgi fing mit sechs Jahren in Rustawi zum Basketball spielen an, im Winter zog er Pullover und Jacke an weil es keine Heizung in der Halle gab. Die Großmutter schickte Lali Videos von den Kindern auf VHS-Kasetten nach Wien. Erst 2012, nach zehn Jahren, konnte Lali ihre Kinder nach Österreich holen. Es war ein Schock für alle. "Wir waren einander völlig fremd. Sie waren frech, haben mich angeschrien und nicht als Mutter akzeptiert. Es war sehr stressig, in der Schule verstanden sie anfangs kein Wort Deutsch. Aber ich habe ihnen immer die Wahrheit gesagt, warum alles so ist es ist. Ich hab mir dieses Schicksal nicht ausgesucht. Du musst auch mit schlechten Karten gut spielen."

Der Anruf aus Amerika

In Wien angekommen, integrierten sich Giorgi und sein um drei Jähre älterer Bruder Davit dank Basketball schnell. Der talentiertere Giorgi begann bei den Basket Flames in Meidling, nach einem Jahr in der Bundesliga bei Klosterneuburg kam ein Anruf von einem Assistenztrainer aus Pittsburgh, den die Bezhanishvilis anfänglich für für einen Scherz hielten. Fürs College war es für den 17-jährigen Schüler noch um ein Jahr zu früh, also wurde ihm zu einem Schuljahr an der St. Patrick's High School in New Jersey verholfen.

Die nächste schwere Prüfung. Angekommen in Amerika, wurde viel versprochen aber wenig eingehalten. Giorgi Bezhanishvili lebte in einer gefährlichen Gegend in einer Wohnung ohne Fenster, der Wohnungsbesitzer konsumierte Drogen. Als er sich während der Saison am Knöchel verletzte, bekam er wochenlang keine ärztliche Unterstützung. Obwohl er gute Leistungen zeigte, blieben die Angebote größerer Colleges zunächst aus. Bis das Trainerteam der Illinois "Fighting Illini" in einem Match eigentlich einen anderen Spieler scouten wollte, und auf Bezhanishvili aufmerksam wurde der just an diesem Tag mit 18 Punkten brillierte.

Mittlerweile ist der 2,08 Meter große Bezhanishvili eine Bekanntheit auf dem Campus von Illinois in Urbana-Champaign, zwei Autostunden entfernt von Chicago. Mit 12,5 Punkten und 5,2 Rebounds im Schnitt legte er eine starke erste Saison hin. Das Finalturnier, das NCAA Tournament, das die besten 68 Collegemannschaften Amerikas schmücken, wurde zwar verpasst. Aber Bezhanishvili will sich einen noch größeren Traum als Basketballer erfüllen. "Die NBA ist mein Ziel. Und ich glaube daran, dass ich dort hinkomme." Für die neue Saison, die im November in der Big Ten Conference startet, hat Bezhanishvili keine besonderen Erwartungen, "das dachte ich mir letztes Jahr auch und dann lief es gut."

Lali Bezhanishvili: "Dafür steht er jeden Tag zwei Stunden vor seinen Mitspielern in der Halle, meistens um fünf Uhr in der Früh. Ohne Jammern. Er arbeitet hart für seinen Erfolg." Giorgi: "Das ist die Einstellung, die ich von meiner Mama gelernt habe". (Florian Vetter, 14.9.2019)