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Norbert Hofer beschreibt sich in seiner Autobiografie als leidenschaftlichen Freund von Telefonstreichen.

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Nach der bizarren Biografie über Sebastian Kurz erscheint am Freitag schon das nächste Buch über einen heimischen Politiker – eine Autobiografie von FPÖ-Chef Norbert Hofer. Wer beide Bücher liest, hat entweder eine Wette verloren oder den fatalen Fehler begangen, sich in einer Innenpolitikredaktion als Bücherfan zu outen.

Nun also die selbstverfasste Lebensgeschichte des blauen Spitzenkandidaten. Teile des Werks wurden bereits 2014 von der FPÖ im Selbstverlag publiziert. Für das neue Buch wurden die alten Teile überarbeitet und weitere Kapitel hinzugefügt – wobei man sich offenbar wenig Mühe gegeben hat, Altes und Neues sinnig zusammenzuführen. Die Erzählung beginnt zeitlich mit der Bundespräsidentschaftswahl 2016, um dann bereits auf Seite 66 in der unmittelbaren Gegenwart des Wahlkampfs anzulangen. "Danach" geht es mit der Kindheit Hofers weiter. Das postmoderne Spiel mit Zeitebenen scheint auch in der blauen Literatur angekommen zu sein.

Großer Freund kleiner Streiche

Von Norbert Hofer erfährt man allerhand Persönliches, zum Beispiel "dass ich ein großer Freund kleiner Streiche bin". Früher habe er nämlich bisweilen Bekannte angerufen und sich als Polizist ausgegeben, um ihnen den Entzug des Führerscheins mitzuteilen. Manche Eigentümlichkeiten sind Hofer so wichtig, dass er sie im Laufes des Buches gleich mehrfach erwähnt. So etwa seine Aversion gegen Mietverträge: "Ich hatte es immer gehasst, Miete zu zahlen, eine verlorene Investition." Einige Seiten später erinnert er sich abermals: "Ich war schon in jungen Jahren fest entschlossen, keine Miete zu zahlen." Zum Glück kaufte er bald ein Haus im Burgenland.

Der umfangreichste Teil des Buches dreht sich um Hofers Unfall mit einem Paragleiter im August 2003, bei dem er sich eine schwere Verletzung der Wirbelsäule zuzog. Detailreich schildert Hofer seine Aufenthalte in Spitälern und seine mehrmonatige Therapie im Rehabilitationszentrum Weißer Hof in Klosterneuburg. Aus dieser prägenden Zeit hat Hofer für die Leser elaborierte Lebenstipps parat, die man anderswo noch (fast) nie gelesen hat. Etwa: "Ein positiver Zugang und eine positive Lebenseinstellung sind mit Sicherheit wesentliche Eckpfeiler für das weitere Vorankommen." Geholfen habe ihm bei seiner Heilung nicht nur die Schulmedizin, sondern auch Homöopathen, Schamanen und Geistheiler.

Die Schach-Methode des H.-C. Strache

An platten Lobhudeleien besteht auch im Hofer-Buch kein Mangel. Er sei ein "absoluter Publikumsmagnet", "menschlich" sowie "geschickt". Und naturgemäß hatte er als Verkehrsminister "keine Schwierigkeiten, sich in das Amt einzuleben". Der EU-Verkehrsministerrat 2018 unter österreichischer Führung sei "der erfolgreichste in der Geschichte der EU" gewesen. Eigentlich hätte Hofer aber jedes Ministeramt erfolgreich ausüben können, denn laut dem Buch wurde ihm "große Kompetenz in vielen Bereichen attestiert". Zur Sicherheit fehlen bei solchen Behauptungen allerdings jegliche Quellenangaben.

Erhellend sind die Einblicke in die Findung von Personalentscheidungen während der Strache-Ära in der FPÖ. Im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl 2016 weigerte sich Hofer zunächst trotz Drängens der Parteispitze, als blauer Kandidat ins Rennen um das höchste Amt im Staat zu gehen. "Strache (...) entdeckte in Hofers Büro ein Schachbrett (...) und nahm in eine Hand eine Dame, in die andere den König und ließ Hofer auf die geschlossene Hand tippen. Sollte Hofer König wählen, wäre er Kandidat." Hofer tippte Dame, wurde aber schlussendlich trotzdem noch dazu überredet, FPÖ-Kandidat zu sein. (Anmerkung: In diesem Teil des Buches wird über Hofer in der dritten Person geschrieben. Der Stocker-Verlag konnte auf STANDARD-Anfrage nicht beantworten, ob auch diese Passagen tatsächlich von diesem selbst verfasst wurden.)

Leerstellen

Gerne hätte man in dieser Biografie etwas über Hofers Sicht auf jene Phase erfahren, in der sich Jörg Haider 2005 mit dem neugegründeten BZÖ von den Freiheitlichen abspaltete und in der Hofer selbst ein wenig orientierungslos gewesen sein soll. Oder über seinen Weg in die völkische Burschenschaft Marko-Germania, in der Hofer mittlerweile als Ehrenmitglied geführt wird. Diese Themen werden jedoch nobel ausgespart – das Wort "Burschenschaft" taucht auf 176 Seiten kein einziges Mal auf. (Theo Anders, 12.9.2019)