In Österreich ist ein kleines Wunder geschehen. Über Nacht gilt Johannes Hahn als "unser" Politstar in Brüssel. "Wir sind EU-Haushaltskommissar", könnte man diese überraschende Zuwendung mit Verweis auf eine "Bild"-Schlagzeile persiflieren. "Wir sind Papst!", schrieb diese, als Joseph Ratzinger 2005 in den Vatikan einzog.

Das ist doppelt bemerkenswert und könnte – was künftige Einzahlungen in den EU-Haushalt betrifft – der größte Irrtum seit Jörg Haiders Warnung vor Schildlausjoghurt beim EU-Beitritt sein. Zum einen ist das Interesse an Europa eher mau, wie man im Wahlkampf merkt: Es geht selten um unsere Rolle im gemeinsamen Europa. Leider. Zum anderen werkt Hahn seit 2010 an wichtigen Stellen in der Kommission – was in seiner Heimat wenige interessierte.

EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Erst war er für Regionalpolitik zuständig, verteilte hunderte Milliarden Euro, vor allem in Osteuropa. Seit 2015 reiste er ohne Unterlass durch die Krisengebiete der Nachbarstaaten der Union: die Türkei, den Balkan, die Ukraine, Nahost, Nordafrika. Hahn hat sich als besonnener, zäher Verhandler erwiesen, unspektakulär, aber verlässlich, und erarbeitete sich das Vertrauen vieler schwieriger Gesprächspartner. Deshalb machte ihn Präsidentin Ursula von der Leyen zum EU-Kommissar für Haushalt und Personal.

Budgetlücke

Er wird und muss gemäß seinem Eid der Union dienen, nicht einzelnen Mitgliedsstaaten. Da sich mit dem EU-Austritt Großbritanniens eine erste riesige Budgetlücke auftut, müssen die EU-27 einspringen, sprich mehr einzahlen. Das wollen die reichen Nettozahlerländer ungern, drängen auf ein knappes Budget. Österreich will sogar Kürzungen.

Anders als die nationalen Regierungen darf die EU aber keine Schulden machen, sie lebt von Beiträgen. Hahn wird also schon im November beim Brexit die erste Rechnung stellen, bei Förderungen einsparen und gleichzeitig höhere Beiträge verlangen. 2020 fehlen qua Brexit elf Milliarden Euro. Das allein dürfte Österreich ein paar hundert Millionen mehr kosten. Richtig teuer wird es dann aber mit dem neuen EU-Budgetrahmen 2021 bis 2027. Kürzungen etwa im Agrarbereich treffen vor allem Österreichs Bergbauern, die bisher gut ausstiegen. Und die EU kriegt neue Aufgaben.

Weil gerade viele Bälle in der Luft sind, wird mit Zahlen offiziell gegeizt. Experten schätzen, dass Österreichs Nettobeitrag um mindestens 500 Millionen Euro steigen wird, manche meinen, es könnte bis zur Milliarde gehen. Der Europäer Hahn wird nicht lange der neue Darling sein. (Thomas Mayer, 11.9.2019)