Fast 13 Millionen Euro hat die ÖVP für den Wahlkampf 2017 ausgegeben – Geld, das sich die Partei ausgeborgt hat.

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Man kennt diese Entwicklung bei Privatleuten genauso wie bei Unternehmen: Sie geben mehr aus, als sie einnehmen, tätigen vielleicht eine Investition, die sich nicht rechnet. Sie leben über ihre Verhältnisse und versuchen sich mit immer neuen Schulden aus der Abwärtsspirale zu retten – vergeblich. Irgendwann geht nichts mehr: Der Konkurs steht an. Insolvenzfähig ist jedes Rechtssubjekt, wie es die Juristerei ausdrückt: Natürliche Personen, Vereine, Unternehmen – und auch politische Parteien.

Nun kann davon bei der ÖVP keine Rede sein. Die Partei hat regelmäßige Einnahmen aus der Parteienförderung, die in der nächsten Legislaturperiode möglicherweise noch steigen, wenn die Volkspartei bei der Nationalratswahl am 29. September wie prognostiziert zulegen kann.

Negatives Eigenkapital

Gleichzeitig zeigen die jüngsten Enthüllungen der Wiener Wochenzeitung Falter sowie die Rechenschaftsberichte der Volkspartei selbst, dass die Partei auf einem ordentlichen Schuldenberg sitzen dürfte: Von einem negativen Eigenkapital von 21,5 Millionen Euro ist in den anonym zugespielten Dokumenten aus der Parteizentrale die Rede.

Allein im Jahr 2017 nahmen die Türkisen einen Kredit in Höhe von 15 Millionen Euro auf – um das Wahlkampfkostenlimit dann um sechs Millionen zu überschreiten.

70.000 Euro für Punsch und Maroni

Von 2013 bis 2017 lieh sich Sebastian Kurz' Partei 26,2 Millionen Euro, 6,8 Millionen gab sie für Zinsen und Rückzahlungen aus.

Die Ausgaben der Partei sind teils eklatant: Für Berater wurden hunderttausende Euro ausgegeben, aber auch Feste wie die traditionelle Einladung zu Punsch und Maroni – dafür ließ die Partei zuletzt 70.000 Euro springen – die sie streng genommen nicht hat.

FPÖ und Grüne wackelten

Wie schnell man als Partei an den Rand des finanziellen Ruins gelangen kann, hat die FPÖ Ende der 1990er erfahren: Damals geriet ihre niederösterreichische Landesgruppe nach einem Veruntreuungsskandal in arge finanzielle Nöte – damals wurde ein möglicher Konkurs intensiv diskutiert, sogar Neuwahlen im Bundesland standen aus parteitaktischen Motiven im Raum. Schlussendlich musste die blaue Bundespartei einspringen.

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Mit einem ähnlichen Problem unter umgekehrten Vorzeichen waren die Grünen 2017 konfrontiert: Damals flogen sie aus dem Nationalrat. Plötzlich hatte man keine Einkünfte aus der Parteienförderung mehr, aber noch jede Menge Schulden. Mit vier bis fünf Millionen Euro stand die Partei damals in der Kreide.

Parteichef mit Insolvenzverwalter

Mit dem Kreditgeber, der Erste Bank, wurde ein Sanierungsplan vereinbart: Hier schulterten die Landesparteien die entgangenen Einnahmen, Wien und Oberösterreich steuerten den größten Teil bei. Um den Landtagswahlkampf in Niederösterreich trotz der Sanierung der Bundespartei finanzieren zu können, verbuchte die dortige Landesparteichefin Helga Krismer sogar ihr eigenes Haus als Sicherheit bei der Bank. Heute sind die Grünen eigenen Angaben zufolge saniert: Eine knappe Million Euro an "Bankschulden" sei noch offen, heißt es vom Finanzreferenten.

Sollte in Zukunft doch einmal eine politische Partei insolvent werden, gilt es einige spannende Fragen zu klären: etwa, welche Rolle der Insolvenzverwalter in einer Parteizentrale spielt. Grundsätzlich ist er im Verfahren für alle vermögensrechtlichen Angelegenheiten zuständig – also Personal, Mieten, Besitztümer. Im Normalfall kümmert sich darum die Parteichefin oder der Parteichef. Auch die Frage, ob eine Partei in letzter Konsequenz aufgelöst werden könnte, ist offen.

Schweigen bei Rot und Blau

All das dürfte derzeit bei keiner Partei Thema sein. Auf Nachfrage der Austria Presse Agentur schweigen sich Rot und Blau allerdings aus: Den kolportierten Schuldenstand von zwölf Millionen Euro will SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda nicht bestätigen, nur so viel: Ohne die Neuwahlen 2019 wäre der Schuldenstand in den einstelligen Millionenbereich gesunken. Nun will man 2025 schuldenfrei sein.

Die FPÖ will gar nichts sagen. Laut Rechenschaftsberichten hat sie zwischen 2013 und 2017 aber neue Kredite in Höhe von 10,4 Millionen Euro aufgenommen.

Die Neos üben sich wie üblich in Transparenz: Zum Jahresende erwarten sie Gesamtschulden im Ausmaß von 2,2 Millionen Euro. Davon kommen aber nur 525.000 Euro von Banken, den Rest steuern Landespartei und Privatleihgeber bei.

Die Liste Jetzt ist laut eigenen Angaben schuldenfrei. (Sebastian Fellner, 12.9.2019)