Bäume in der Stadt können einem fast leidtun: von Asphalt umzingelt, von Autos umtost – und gerne hebt ein Hund das Bein an ihrem Stamm. Auch unter der Erde haben sie es nicht leicht: Den Platz für die Wurzeln müssen sie sich im verdichteten Untergrund hart erkämpfen und dabei mit Leitungen und Kanälen konkurrieren. Der Klimawandel führt dazu, dass es in der Stadt häufiger heiß und trocken ist; das Regenwasser kann im dichten Boden aber nicht lange genug gespeichert werden, damit die Bäume die Hitzeperioden gut überstehen.

Hier setzt das Schwammstadt-Prinzip an: Es hilft Bäumen, mit diesen Herausforderungen umzugehen – und nützt so auch dem Menschen. Denn Bäume sind echte Hitzeblocker in der Stadt: Sie spenden Schatten und kühlen durch Verdunstung des Wassers in den Blättern die Umgebung.

Mehr Platz im Untergrund

Will man eine Schwammstadt errichten, pflanzt man Bäume in einen speziellen Untergrund aus durchlässigem Substrat – einer Mischung aus losen Steinen und Kompost. Das ergibt eine Art Schwamm, der Regenwasser aufnimmt und gut speichert. In den Hohlräumen können sich die Wurzeln besser ausbreiten, wodurch die Baumkronen üppig wachsen.

Von der Wurzel kommt die Kraft – das Schwammstadt-Prinzip.
Foto: ) 3:0 Landschaftsarchitektur/HBLFA Gartenbau Wien-Schönbrunn/BAW Petzenkirchen

Das ist wichtig, damit sie den gewünschten Effekt entfalten können, erklärt Landschaftsarchitekt Daniel Zimmermann vom Arbeitskreis Schwammstadt: "In einem dichten Untergrund bekommen die Wurzeln oft nicht genug Nährstoffe, Wasser und Luft. Nach 15 bis 20 Jahren bleiben die Bäume quasi sitzen oder verkümmern, weil sie nicht weiter wurzeln können." Bleiben die Bäume zu klein, können sie nicht gut beschatten. "Erst mit einer großen Krone sind sie wirklich klimaaktiv."

Schwamm gegen Überschwemmung

Die Schwammstadt hilft aber auch, lokale Überschwemmungen zu vermeiden: Denn bestehende Kanalsysteme können die immer häufigeren Starkregen oft nicht mehr aufnehmen. Der durchlässige Untergrund wirkt hier entlastend. "Die Schwammstadt ist definitiv eine nachhaltigere Lösung, als Kanäle neu zu bauen", sagt Zimmermann. In Graz, wo das Prinzip österreichweit erstmals umgesetzt wurde, konnte man so bereits nennenswerte Schäden vermeiden. "Bei einem Starkregenereignis, wie es übrigens alle halben Jahre zu erwarten ist, konnte die Wassermenge flächig in den Untergrund abfließen und hat das Kanalsystem nicht überlastet." Damit das funktioniert, muss auch die Oberfläche entsprechend gestaltet sein: Es braucht offene Versickerungsflächen mit Pflanzen oder Fugen, durch die das Wasser eingeleitet werden kann.

Im Untergrund ist zwischen den Steinen genügend Platz für gesundes Wurzelwachstum.
Foto: 3:0 3:0 Landschaftsarchitektur

Auch in Mödling und in der Wiener Seestadt Aspern setzt man mittlerweile auf das Konzept. In der Seestadt wurden beim Straßenbau 57 Sickerbecken zum Regenwassermanagement angelegt – und auch gleich Bäume zur Begrünung des öffentlichen Raums eingeplant. Das "Stockholmer System", wie sich diese Bauweise nennt, wird seit Jahrzehnten in der schwedischen Hauptstadt umgesetzt. Auch in China baut man heute Schwammstädte – im großen Stil.

In China wurde mit dem Qunli Stormwater Park ein 300.000 Quadratmeter großes Areal komplett als Schwammstadt konzipiert.

Doppelter Effekt

Während die Technologie das Kanalsystem sofort nach Fertigstellung entlastet, müssen neu gepflanzte Bäume erst langsam wachsen, um ihre Umgebung zu kühlen. "Wenn wir in Zukunft klimafitte Straßenräume wollen, müssen wir bald damit beginnen, die vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen", sagt Zimmermann. "Wenn eine Straße aufgerissen wird, wie jetzt für den Bau der U5, würde es sich anbieten, den Unterbau gleich für die Bäume mit dem Schwammprinzip vorzubereiten."

Seit 30 Jahren werden Böden in der Stadt immer mehr verdichtet. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Bäume etwa mitten in Wien oder auf einen Dorfplatz stehen: Im Straßenraum müssen die Wurzeln neben Kanal, Wasser-, Internet- und Gasleitungen Platz finden – aber die Hitze ist vor allem in der Stadt ein Problem.

"Letztlich passiert in der Schwammstadt das Gegenteil davon, was in Österreich in den letzten Jahrzehnten im Straßenbau praktiziert wurde", sagt Zimmermann: Anstatt den Boden zu verdichten und zu versiegeln, wird er belebt. (Pia Gärtner, 14.9.2019)