Risikofaktoren für Gicht sind Übergewicht und eine purinreiche Ernährung – beispielsweise mit viel Schweinefleisch, Kabeljau, Linsen, Erbsen, weißen Bohnen, Schnaps und Bier.

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Gicht ist die häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung. Ein bis zwei Prozent der erwachsenen Männer leiden daran. Das ist etwa drei- bis viermal so häufig wie bei Frauen vor der Menopause. Sie entsteht, wenn sich Harnsäurekristalle bilden, weil die Harnsäurewerte im Blut (mehr als 6,5 Milligramm pro Deziliter) zu hoch sind und folglich die Harnsäure ausfällt. Die Kristalle lagern sich an der Gelenkinnenhaut und am gelenknahen Knorpel, in der Achillessehne, in der Niere, am Ohr, in den Bandscheiben und in sonstigen Weichteilen ab.

Etwaige Gewebe- und Organschäden sind nicht mehr rückgängig zu machen. "Die Ablagerungen aktivieren das Immunsystem, das versucht, diese Kristalle zu beseitigen. Doch damit löst es Entzündungen aus, die zu schmerzhaften Gichtanfällen führen können", sagt Gicht-Experte Bernhard Manger vom Universitätsklinikum Erlangen-Nürnberg. Zumeist sind bei einem Gichtanfall ein oder zwei Gelenke, etwa das Großzehengrundgelenk, für mehrere Tage stark geschwollen, erwärmt und extrem schmerzhaft. Im chronischen Verlauf können auch vermehrt Schmerzen an mehreren Gelenken gleichzeitig auftreten.

Studie liefert überraschende Ergebnisse

Eine frühzeitige Diagnose und Therapie ist sehr wichtig, um Folgeschäden zu vermeiden. Die schwelende Entzündung im ganzen Körper und die erhöhten Harnsäuremengen erhöhen auch das Risiko für Herzgefäß- und für Nierenerkrankungen, vermuten Forscher seit geraumer Zeit. Allerdings wurde ein chronisches Nierenversagen als Folge nie eindeutig gezeigt. Die Effekte auf die Nierengesundheit sind laut einer aktuellen Studie aber größer als gedacht.

Forscher der irischen University of Limerick haben in einer sehr groß angelegten Studie das Risiko für eine fortgeschrittene chronische Nierenerkrankung von fast 69.000 Gichtpatienten (durchschnittliche Nachverfolgungszeit von 3,9 Jahren) mit dem Risiko von fast 555.000 Patienten ohne Gicht verglichen. Faktoren wie Bluthochdruck und Diabetes, die zur Entstehung der Nierenerkrankung beitragen können, wurden berücksichtigt. Eine fortgeschrittene chronische Nierenerkrankung führt der Studie zufolge zur Notwendigkeit einer Dialyse oder Nierentransplantation, einem chronischen Nierenversagen, bei dem die Nieren weniger als zehn Prozent der normalen Funktion haben und die Blutreinigung deshalb nicht mehr ausreichend möglich ist. Außerdem ist der Serumkreatininwert, ein Laborparameter zur groben Abschätzung der Nierenfunktion, verdoppelt.

Die Daten der Patienten stammen von einer Forschungsdatenbank, die die klinischen Informationen von Patienten erfasst, die in Großbritannien ein Grundversorgungszentrum aufgesucht haben. Die Forscher stellten bei ihrer Analyse fest, dass Gichtpatienten ein um 29 Prozent höheres Risiko für eine fortgeschrittene chronische Nierenerkrankung haben als Patienten ohne Gicht. Bei einer detaillierteren Betrachtung zeigte sich, dass ihr Risiko für einen signifikanten Schwund der Nierenfunktion merklich erhöht ist. Gichtpatienten haben tatsächlich ein doppelt so hohes Risiko für chronisches Nierenversagen als Personen ohne Gicht, schreibt Austin Stack von der University of Limerick und Erstautor der Studie, die kürzlich im Fachjournal "BMJ Open" erschienen ist.

Wie Gicht entsteht

So wird die Nierenfunktion nicht nur kurzzeitig beeinträchtigt, sondern Gicht kann auch zu chronischem Nierenversagen führen. Während sich ein akutes Nierenversagen zumeist weitestgehend zurückbildet, ist bei einem endgültigen Nierenversagen eine lebenslange Dialyse bzw. eine Transplantation nötig. "Zusammengenommen zeigen die Studienergebnisse, dass Gicht ein unabhängiger Risikofaktor für das Fortschreiten einer chronischen Nierenerkrankung und für ein Nierenversagen ist", sagt Stack. Die Ergebnisse machen deutlich, wie wichtig es ist, dieser Erkrankung vorzubeugen.

Purine sind Bausteine der genetischen Information in den Zellkernen. Sie werden hauptsächlich über die Nahrung aufgenommen und in Harnsäure umgewandelt. Bei Gicht ist entweder die Harnsäureproduktion erhöht oder es wird zu wenig Harnsäure ausgeschieden – Zweiteres aufgrund einer genetisch bedingten Fehlfunktion der Niere oder wegen der Einnahme harntreibender Mittel (Diuretika). "Deshalb kann es auch vorkommen, dass ein junger schlanker Mensch an Gicht erkrankt. Es ist aber selten", sagt Manger.

Weitere Risikofaktoren für Gicht sind Übergewicht sowie eine Ernährung reich an purinreichen Fleisch- und Fischsorten (Schwein, Hähnchenschlegel und Kabeljau) sowie Alkoholgenuss vor allem von Schnaps und Bier. Einige purinreiche Vertreter gibt es auch bei pflanzlichen Nahrungsmitteln. Dazu gehören Linsen, Erbsen, weiße Bohnen, Kohl und Rosenkohl. In der Regel nimmt man mit einer vegetarischen Ernährung aber weniger Purine auf als mit der typischen westlichen Ernährung.

Eine weitere, bei Gicht sehr nachteilige Ernährungsgröße ist die Fruktose in Softdrinks. "Fruktose konkurriert in der Niere mit Harnsäure um den Ausscheidungstransporter. Und die Harnsäure zieht den Kürzeren", so Manger. "Im Prinzip gilt für die Fruktose aus Obst dasselbe, nur ist im Obst in der Regel weniger Fruktose enthalten als in Softdrinks – außer jemand trinkt literweise Smoothies."

Erhöhte Harnsäurewerte unbedingt absenken

Auch Nulldiäten, fettreiche Ernährung, Nierenerkrankungen und Diabetes führen dazu, dass weniger Harnsäure ausgeschieden wird und die Harnsäurewerte ansteigen. Gicht kann aber auch die Folge einer Grunderkrankung sein, etwa von Tumorerkrankungen und Leukämie.

Ziel sollte sein, die Harnsäure im Blut auf einen Wert unter sechs Milligramm pro Deziliter (auf höchstens fünf Milligramm pro Deziliter) zu drücken. Hierfür sind eine konsequente Umstellung auf eine purinarme Ernährung und der Verzicht auf Softdrinks und Alkohol nötig. "Wenn sich damit nicht der nötige Erfolg einstellt, sind Medikamente wie Allopurinol und Febuxostat an der Reihe", berichtet Manger.

Allerdings hat die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA Febuxostat aus Risikogründen kürzlich zum Mittel zweiter Wahl herabgestuft. Die aktuellen Leitlinien sagen nun, dass bereits ab dem ersten Gichtanfall medikamentös behandelt werden soll: Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) einnehmen, bis der Anfall vorbei ist, sowie Colchicin oder Kortison für drei bis sieben Tage. Das lindert Schmerzen und Entzündung. Eine weitere Option zur Therapie stellen entzündungshemmende Biologica wie Canakinumab dar. Um einem neuen Anfall vorzubeugen, kann man eine prophylaktische Therapie über drei bis sechs Monate mit Colchizin, NSAR oder Kortison (niedrig dosiert) durchführen.

Rasch gegensteuern

Am besten ist es, bereits dann, wenn eine Blutuntersuchung grenzwertige oder zu hohe Harnsäurewerte ergibt, die Harnsäure durch eine Ernährungsumstellung und einen Verzicht auf Softdrinks und Alkohol abzusenken, um einen ersten Gichtanfall zu vermeiden. Leider werden die Folgeprobleme, die diese Erkrankung mit sich bringen kann, immer noch unterschätzt. (Gerlinde Felix, 16.9.2019)