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László Trócsányi soll EU-Kommissar für Erweiterung werden.

Foto: REUTERS/Staff

Der designierte EU-Kommissar für Erweiterung und Nachbarschaftspolitik ist der Wunschkandidat des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Auch die konkrete Position in der Kommission hatte sich der rechtspopulistische Regierungschef aus Budapest erhofft. Der 63-jährige László Trócsányi ist sein Vertrauensmann. Von 2014 bis zu diesem Sommer hatte er ihm als Justizminister gedient – in einer Zeit, als Orbán den Rechtsstaat in Ungarn in entscheidenden Etappen demontierte.

Auf den ersten Blick scheint es dem verheirateten Vater dreier Kinder an fachlicher Eignung für das EU-Amt nicht zu mangeln. Der Verfassungs- und Verwaltungsjurist und Rechtsanwalt habilitierte sich 2000 zum Universitätsprofessor. Er publizierte fleißig und absolvierte auch eine Gastprofessur an der Jean-Moulin-Universität im französischen Lyon. Von 2007 bis 2010 war er Verfassungsrichter in Ungarn, von 2005 bis 2013 zudem stellvertretendes Mitglied der Venedig-Kommission, eines Expertengremiums des Europarats für Rechtsstaatsfragen. Einige Jahre diente Trócsányi außerdem als Botschafter seines Landes in Frankreich, Belgien und Luxemburg. Selbstredend spricht er perfekt Englisch und Französisch.

Kapital verspielt

Doch nach Ansicht seiner Kritiker hat Orbáns EU-Kommissar in seiner Tätigkeit als Justizminister sein hohes fachliches Ansehen gänzlich verspielt. Verschiedene Gesetzesvorhaben, die Orbán betrieb, um demokratische Rechte auszuhöhlen und unliebsame Stimmen zu unterdrücken, tragen auch Trócsányis Namen. Als zuständiger Minister verantwortete er ihre textliche Ausgestaltung, ihre kohärente Einfügung in die Gesetzgebung.

Da sind Rechtsakte darunter, die unmenschliche Situationen für Asylsuchende herauf beschwören, regierungsunabhängige Zivilorganisationen teilweise stigmatisieren und potenziell kriminalisieren, die Central European University (CEU) von Budapest nach Wien vertrieben haben oder die Forschungsinstitute der Akademie der Wissenschaften (MTA) der Regierungskontrolle unterwerfen. Etliche dieser Gesetze sind Gegenstand von EU-Vertragsverletzungsverfahren, und sie bilden auch die Substanz des Artikel-7-Verfahrens wegen Grundwerteverletzung, das das Europaparlament gegen Ungarn auf den Weg gebracht hat. Es ist anzunehmen, dass all dies bei der Anhörung im Straßburger Parlament, der sich Trócsányi noch zu stellen hat, zur Sprache kommen wird. (Gregor Mayer, 12.9.2019)