Bei der Architekturveranstaltung "Open House" öffnen Sandra Liebig und ihre Familie dieses Wochenende die Tür zu ihrem Zuhause in der Wohnsiedlung Schmelz. Hier gibt es stets viel zu tun.

"Ich bin vor fast 20 Jahren hierhergezogen. Vor 17 Jahren ist mein heutiger Mann Michi dazugekommen, später bekamen wir unsere Tochter Leonie. Anfangs wohnten wir in einer 50 Quadratmeter großen gartenseitigen, sehr ruhigen Wohnung. Gerade dass kein Traktor vorbeigefahren ist! Kurz bevor unser Sohn Lennon geboren wurde, bekamen wir dann die Möglichkeit, unsere Wohnung mit der straßenseitigen Nachbarwohnung zusammenzulegen. Seither leben wir auf knapp hundert Quadratmetern.

Sandra Liebig mit ihrem Mann Michael im Wohnzimmer, das sich noch nicht ganz fertig anfühlt.
Foto: Lisi Specht

Mittlerweile ist meine ganze Familie in der Wohnsiedlung Schmelz daheim. Der Gemeindebau aus den 1920er-Jahren besteht aus vier Wohnblöcken mit Gärten in der Mitte. Alle Bewohner haben, wenn sie wollen, einen Anspruch auf einen dieser kleinen Schrebergärten. Wir haben sogar eine Doppelparzelle. Hier bauen wir Gemüse an, auch wenn uns die Schnecken heuer einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Und wir haben viele Obstbäume und Beerensträucher.

Einen Einrichtungsstil haben wir nicht. Was uns gefällt, kommt rein. Bei uns verändert sich sehr oft etwas. Michi muss dauernd etwas verspachteln, übermalen oder abhängen. Unser Sohn hat seit kurzem ein Jugendzimmer, wo früher unser Wohnzimmer war. Unser jetziges Wohnzimmer fühlt sich noch nicht ganz fertig an. Irgendwann möchten wir auch eine neue Küche. Und im Garten gibt es zahlreiche Projekte. Ich glaube, wir werden nie fertig. Freunde, die nur alle heiligen Zeiten mal vorbeikommen, sind immer überrascht, dass sich schon wieder etwas verändert hat bei uns. Ich glaube, sonst würde uns langweilig.

Ihr Holzofen ist Sandra Liebig und ihrer Familie besonders wichtig.
Fotos: Lisi Specht

Etwas aufzuhängen ist bei uns allerdings schwierig, weil die Wände aus Schlacken sind. Es ist schon einige Male passiert, dass uns Regale runtergefallen sind. Die Wände sind auch wahnsinnig dünn. Wir hören alles. Auch sehr private Sachen. Unter uns wohnte mal ein junges Pärchen, das immer am Nachmittag Sex hatte. Ich fand's lustig. Aber wenn wir Besuch hatten, war es schon ein wenig komisch.

Die meisten unserer Möbel sind von Ikea oder von Willhaben. Ein neues, eigentlich altes Kastl habe ich unlängst von einer Freundin geschenkt bekommen. Unseren Holzofen und eine alte Truhe meines Großvaters würde ich überall hin mitnehmen. Ich tu mir überhaupt leider irrsinnig schwer, mich von Dingen zu trennen. Wir haben eine ehemalige Waschküche als Abstellraum hier im Haus angemietet. Dorthin kommt alles, was keinen Platz hat. Da oben steht sogar eine alte Küchenanrichte, die wir um 18 Euro auf Ebay ersteigert haben. Man glaubt immer, man braucht die Dinge wieder mal. Aber es ist eigentlich total bescheuert und ein wenig messiemäßig.

Die meisten Möbel sind von Ikea oder Willhaben.
Fotos: Lisi Specht

Unsere Wohnung soll gemütlich sein, damit sich die Leute hier wohlfühlen. Und das tun sie auch. Unser Esszimmer ist unser Lebensmittelpunkt. Irgendwie schaffen wir es von dort nie ins Wohnzimmer. Wir haben wirklich oft Freunde zu Besuch, besonders donnerstags. Mein Mann hat nämlich einen Palatschinkentag eingeführt. Ich hab das nicht mitbekommen, weil ich berufsbegleitend studiert habe und abends nicht zu Hause war.

Eines Abends machte ich die Tür auf, und da stand eine Freundin. Ich sage: 'Schön, dass du da bist, aber ich muss jetzt weg.' Sie sagte: 'Ich komme eh zum Palatschinkenessen.' Das machen wir jetzt seit vier Jahren. Michi lädt oft Leute ein, die ich lange nicht gesehen habe, das sind manchmal richtige Überraschungsgäste. Das ist dann fast wie Weihnachten. Manchmal kommt nur ein Gast, manchmal sind wir zu zehnt. Jeder bringt etwas mit, und wir essen pikante und süße Palatschinken. Und selbst wenn niemand kommt, gibt es donnerstags Palatschinken. Sonst steigen die Kinder auf die Barrikaden.

Ich ziehe hier nicht mehr weg. Ich werde wohl irgendwann raussterben. Außer natürlich, wir machen einen Lottosechser. Aber dafür müssten wir erst einmal Lotto spielen. Ich sag immer: Wir haben so viel Glück in der Liebe. Dann hat man halt Pech im Spiel." (14.9.2019)