Der Pensionist Karl Nussbaum bewohnt seit 30 Jahren eine Kabane in Kritzendorf und sagt, der Klimawandel bringe alles durcheinander.

Hitzebeständige Gelsen und Strandschwund: Karl erzählt, was sich seit 30 Jahren vor seiner Kabane tut.
DER STANDARD

Extremwetterlagen und kürzere Übergänge zwischen den Jahreszeiten beobachtet nicht nur Karl, sondern auch auch die Wissenschaft seit Jahren. Doch was sind die Ursachen für die aggressiven Gelsen, das Hochwasser und die exotischen Pflanzen, die vor Karls Kabane wuchern?

Land unter in Kritzendorf

Der Klimawandel verursacht nicht nur in unseren Breiten nachweislich die Zunahme von Hochwasser. Das zeigt eine Studie von 2015, an der der Hydrologe Günter Blöschl von der TU Wien federführend beteiligt war.

Für eine genauere Prognose der kommenden Jahre haben Blöschl und Kollegen einen Datensatz von 3.738 Hochwassermessstationen an europäischen Flüssen zwischen 1960 und 2010 ausgewertet. So nimmt in Mittel- und Nordwesteuropa, also zwischen Island und Österreich, das Ausmaß von Hochwasserereignissen zu, weil in dieser Großregion die Niederschläge speziell im Herbst und Winter zunehmen, die Böden dadurch feuchter werden und dadurch weniger Wasser aufnehmen können.

Hochwasser 2013 in Kritzendorf.
Foto: APA/Roland Schlager

Grundsätzlich ist Kritzendorf schon immer ein Hochwassergebiet gewesen. Dennoch litt der Ort an der Donau nördlich von Wien am meisten unter den Jahrhunderthochwässern von 2002 und 2013. Tatsächlich konnte man einen ähnlichen Pegelstand nur für 1899 und 1501 messen oder rekonstruieren.

Wien unter Palmen

Karl spricht von Pflanzen, die er in Kritzendorf vor einigen Jahren noch nicht gesehen hat und die inzwischen alles überwuchern. Tatsächlich hat der Klimawandel bereits Einfluss auf die hiesige Vegetation. Immer wieder hört man von Kiwis oder Feigen, die in Österreich heranreifen können, weil der Frost ausbleibt.

Der Botaniker Franz Essl hat beobachtet, dass die Chinesische Hanfpalme in Österreich bereits an sechs Standorten einen oder mehrere milde Winter zwischen 2015 und 2019 überlebt hat. besonders in urbanen Gegenden gibt es inzwischen Winter, in denen minus 15 Grad Celsius nicht unterschritten werden. Die sogenannte Laurophyllisierung, also die Ausbreitung immergrüner Laubgehölze, dient Biologen als Messinstrument für die Erderwärmung.

Eine Chinesische Hanfpalme im Schnee. Vier der sechs Standorte, an denen die Palmen den österreichischen Winter überlebten, fand der Botaniker Franz Essl in Wien.
Foto: Wikimedia

"Killergelsen"

"Die Gelsen, die es früher gegeben hat, die waren bei Hitze nicht da", sagt Karl. Tatsächlich sind es allerdings noch immer dieselben Gelsen, die in Kritzendorf schwirren, stellt Biologe Hans-Peter Fuehrer von der Vet-Med-Uni Wien richtig. "Killergelsen" gibt es in Österreich keine. Die Tigermücke beispielsweise, die auch Denguefieber überträgt, ist zwar hierzulande schon eingeschleppt, allerdings wurden bisher noch keine Fälle von Überwinterung berichtet.

Die Tigermücke, Trägerin von Denguefieber und Malaria.
Foto: Wikimedia

Was die Anzahl der Hausmücken betrifft, hat der Klimawandel schon einen Einfluss: Je länger die Hitzeperioden anhalten, desto mehr Generationen können in einem Jahr schlüpfen. Und dann gibt es noch die "Überschwemmungsgelsen". Sie finden optimale Bedingungen für ihre Eier im Schlamm vom Hochwasser und stechen auch tagsüber. Diese Gelsen könnte Karl gemeint haben, schließlich gab es in den vergangenen Jahren häufiger Überschwemmungen in seiner Umgebung. Die Gattung ist aber nicht gefährlicher als die gewöhnliche Hausmücke. Wie stark man unter einem Gelsendippel leidet, hänge von der eigenen Sensibilität ab, so Fuehrer. (Video: Maria von Usslar, Isabella Scholda, 18.9.2019)

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