"Vielleicht sollten das auch die Politiker lernen, dass man mit Forschungs- und Wissenschaftspolitik durchaus punkten kann", sagte Politologe Peter Filmaier am FFG-Forum.

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"Forschung und Wissenschaft sind viel mehr ein öffentliches Thema, als man glaubt", sagte der Politikwissenschafter Peter Filzmaier am Donnerstagabend beim jährlichen "Forum" der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) in Wien. Sie sollten daher viel stärker auf der politischen Agenda stehen, nicht nur, aber auch in Zeiten des Wahlkampfs, riet der Experte politischen Entscheidungsträgern.

Der Querschnitt der Bevölkerung interessiere sich "genauso für Forschung und Wissenschaft wie für Sport, ähnlich wie für Wirtschaft, etwas mehr als für Politik und viel mehr als für Kunst und Kultur", so Filzmaier mit Verweis auf den 2015 für das Wissenschaftsministerium erstellten "Wissenschaftsmonitor": "Vielleicht sollten das auch die Politiker lernen, dass man demzufolge mit Forschungs- und Wissenschaftspolitik durchaus punkten kann." Dahinter lägen aber auch handfeste wirtschaftliche Gründe, denn Forschung und Entwicklung seien für ein exportorientiertes Land wie Österreich das "Eintrittsticket in die Exportmärkte".

Bedürfnisse der Bürger

Bei der Veranstaltung im Wiener Museumsquartier, die unter dem Titel "Best of Future" im Zeichen des 15. "Geburtstags" der FFG stand, wurden am Donnerstag österreichische Forschungsprojekte präsentiert. Zudem wurden die Themen Künstliche Intelligenz und Ethik sowie digitale Zukunft diskutiert. Ein weiterer Schwerpunkt war die missionsorientierte Forschung, auf die das nächste EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe erstmals setzt – um "Ziele mit hoher gesellschaftlicher Relevanz" zu fördern, eine zentrale Änderung des 100 Milliarden Euro schweren Forschungsrahmenprogramms.

"Wir müssen sicherstellen, dass Forschung und Innovation den Bedürfnissen der Bürger noch mehr gerecht wird", sagte Wolfgang Burtscher, stellvertretender Direktor der Generaldirektion Forschung und Innovation der EU-Kommission, am FFG-Forum. Um festzustellen, welche Bedürfnisse das sind, wurde eine Befragung unter EU-Bürgern durchgeführt. Die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament einigten sich auf Basis dessen schlussendlich auf fünf große Missionen: Krebs, Anpassungen an den Klimawandel, gesunde Ozeane, klimaneutrale und intelligente Städte sowie Bodengesundheit und Ernährung. Jeder Missionsausschuss besteht aus Vertretern aus der Forschung, aber auch Unternehmer und andere Akteure aus dem jeweiligen Feld sind beteiligt.

Fünf Missionen, vier Österreicher

Insgesamt 2100 Personen hatten sich für die Ausschüsse beworben. In die jeweils 15 Kopf starken Teams haben es auch vier Österreicher und Österreicherinnen geschafft. Die prominenteste Vertreterin ist die ehemalige Vize-Bürgermeisterin Wiens, Maria Vassilakou, die dem Team zu klimaneutralen und intelligenten Städten angehört. Dort ist auch Martin Russ, Geschäftsführer von Austria Tech, vertreten. Zwei der vier Vertreter gaben am FFG Forum Einblicke in die Ausarbeitung ihrer konkreten Mission und die ersten Treffen.

So sprach Ruth Ladenstein, die als langjährige Medizinerin am St. Anna Kinderspital in der Gruppe zu Krebs mitwirkt, von ihrer Motivation: "Gerade im Bereich der Präzisionsmedizin arbeiten wie schon seit Jahrzehnten über Grenzen hinweg – und diese Fähigkeit will ich nun einbringen." Alle Mitglieder seien sich bewusst, so Ladensteiner: "Wir haben in der Vergangenheit tolle Forschung gemacht, aber das dringt kaum zur Bevölkerung durch. Die meisten wissen nicht, wofür die EU hier Geld ausgibt."

Auch Alfred Grand, Biobauer und Regenwurmexperte, hat es in eine der Missionen geschafft. Er wird seine Expertise in der Mission Bodengesundheit und Ernährung einbringen. Forschungsaffin war Grand schon immer. Das Konzept für seinen Biodünger, den er mithilfe von Regenwürmern erzeugt, entstand in Kooperation mit der Universität Berkeley in Kalifornien. Heute kooperiert er mit Forschern der Universität für Bodenkultur (BOKU). Seine Leidenschaft, der Boden, sei auch die Basis für alle anderen Missionen: "Wenn ich Humus aufbaue, dann speichere ich Kohlenstoff. Das spielt auch eine große Rolle für den Klimawandel. Im Bereich der Medizin kann der Boden ein Genpool für Wirkstoffe sein. Und auch die Städte der Zukunft sind angewiesen auf Lebensmittel aus einem gesunden Boden."

Stärkung des Budgets gefordert

Seitens der FFG sprach sich Aufsichtsratspräsidentin Gertrude Tumpel-Gugerell für eine Stärkung der Forschungsförderung aus, speziell für einen mehrjährigen budgetären Horizont. In dieselbe Kerbe schlug auch FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth: "Wir brauchen mehr Geld, mehr Autonomie und langfristige Planungssicherheit." Laut FFG-Geschäftsführer Klaus Pseiner habe man im vergangenen Jahr "gute Projekte" im Wert von 180 Mio. Euro nicht fördern können.

2018 förderte die FFG Forschungsprojekte mit insgesamt 618 Millionen Euro. 61 Prozent davon gingen an Unternehmen, 14 Prozent, also 88 Millionen Euro, an Hochschulen, zwölf Prozent an Forschungseinrichtungen und zehn Prozent an Kompetenzzentren. Die FFG dient auch als Kontaktstelle für europäische Forschungsprogramme. (red, krop, 14. 9. 2019)