Keine pompöse Heldeninszenierung wie zu Zeiten Heinz-Christians Straches, vielmehr eine gruppentherapeutische Sitzung, der sich die rund 870 Delegierten am FPÖ-Bundesparteitag in der Grazer Messe zu unterziehen hatten. Der in Ibiza abgestürzte Ex-Parteichef Strache war dem neuen starken Mann in der FPÖ, Norbert Hofer, nur noch wenige Sätze wert. "Lieber Heinz Christian, du hast Unglaubliches geleistet, ich weiß um deinen persönlichen Einsatz. Ich bitte um einen Applaus". Das Auditorium klatschte höflich. Und weg war er, der alte Parteichef. Hofer wurde letzten Endes mit 98,25 Prozent der Stimmen gewählt. "Wir sind wieder da", sagte Hofer in seiner ersten Rede als FPÖ-Obmann.

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Manfred Haimbuchner überreichte Hofer symbolisch einen blauen Modellflieger. Er sitze jetzt am Steuerknüppel des Überfliegers FPÖ, habe einen tollen Co-Piloten und verfüge über eine starke Bodencrew. Es gehe nun wieder darum, die Partei zu einem neuen Höhenflug zu bewegen. Haimbuchner wurde wie auch Marlene Svazek, Harald Stefan, Gernot Darmann, Herbert Kickl und Mario Kunasek einstimmig zu Hofers Stellvertreter gewählt.

Norbert Hofer wurde nun auch offiziell als FPÖ Chef bestätigt.
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Auch wenn an den Gängen beim Buffet noch die eine oder andere Träne gedrückt und da und dort auf ein Comeback in Wien gehofft wurde, die Stimmung fasste am Rande des Parteitages ein Delegierter aus Tirol zusammen: Dass Strache nicht mehr dabei ist, sei nicht weiter wichtig. "Das einzig Stabile ist der Wandel", philosophierte der blaue Basisfunktionär. Die Partei müsse sich eben ändern.

Kein Grund für Fernbleiben Straches

Vermutlich half es letztendlich doch, dass die Familie Strache dem Parteitag fernblieb. Einen Grund nannte der Ex-Obmann übrigens nie, er könne nur leider nicht teilnehmen, kündigte er vor dem Parteitag auf Facebook an. So konnte die oberste Tierschutzbeauftragte der FPÖ, Philippa Strache, allerdings auch die einzige Demonstration von rund 15 Tierschützern vor der Messehalle in Graz nicht wahrnehmen.

Eine große Demo gab es nicht.
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Das Fehlen von Philippa Strache drückte die ohnehin äußerst niedrige Frauenquote abermals nach unten. Bei der FPÖ dominieren immer noch die Männer. Acht männliche FPÖ-Chefs aus den Bundesländern sprachen von der Bühne, nur Männer saßen auf der Bühne und es dauerte mehr als zwei Stunden bis mit der Salzburgerin Marlene Svazek zum ersten Mal eine Frau das Rednerpult betrat. Diese holte dann aber sogleich zu einem Rundumschlag gegen die anwesenden Medien aus.

Keine Abgrenzung zum rechten Rand

Die mit Spannung erwartete Abgrenzung Hofers zum rechten Rand in der Partei erfolgte nicht. Viel eher war man bemüht, die Ausritte und "Einzelfälle" der politischen Mitbewerber – vor allem von ÖVP und SPÖ – hervorzustreichen.

Die eintreffenden Delegierten wurden mit Blasmusik begrüßt.
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Therapeut Hofer wandte sich schließlich direkt an seine Parteifreunde und versuchte sie nach der, wie er sagte, "schweren Zeit" aufzurichten: "Wir dürfen uns nicht unterkriegen lassen. Ich glaube, die Partei hat das Potenzial, bei Wahlen den ersten Platz einnehmen zu können. Es kann uns niemand aufhalten. Außer wir uns selbst. Wir waren schon zwei Mal auf dem Weg, stärkste Partei zu werden, aber wir sind an uns gescheitert, über die eigenen Füße gestolpert. Niemals werden wir mehr an uns selbst scheitern, niemals." Dankbarer, lauter und anhaltender Applaus.

Partei auf Hofer eingeschworen

Die Partei ist längst auf Hofer umgeschwenkt und dieser bedient die Parteifreunde – sanft im Ton aber gewichtig in der Aussage – mit den alten thematischen Erfolgsformeln: Ausländer, Migranten und Islam. Hier zeigt Hofer, dass er auch anders kann als in salbungsvollem Ton zu lächeln. Von den "Mohammeds" ist die Rede, dem angeblich drittbeliebtesten Kindernamen in Wien.

Norbert Hofer will der "völligen Veränderung des christlichen Abendlandes" entgegentreten.
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Dieser "völligen Veränderung des christlichen Abendlandes" müsse entgegengetreten werde, sagte Hofer, denn "der Islam wird niemals Teil unserer Geschichte und Kultur sein. Es ist unser Land und wir wollen unsere Werte nicht aufgeben. Wenn auch viel Muslime eine Heimat gefunden haben, müssen wir den Kampf gegen den politischen Islam entschlossen führen." Außer den Freiheitlichen gebe es zudem keine andere Partei, die dazu willens sei. Das war nach dem Geschmack des laut akklamierenden Auditoriums. Er wolle es wie Viktor Orban, der ungarische Regierungschef, machen – das große Vorbild Hofers. Denn bei Orban, das habe dieser Hofer kürzlich versichert, gebe es kaum Muslime im Land. Orban sei ein wahrer Freund Österreichs.

Kickl nicht verhandelbar

Und genau deswegen, zum "Schutz des Landes", sei ein Innenminister Herbert Kickl unverhandelbar. Hofer bekräftigte einmal mehr, dass es sich beim ehemaligen Innenminister Kickl um eine Schlüsselperson der FPÖ handle. Es sei nicht denkbar, "dass wir den Innenminister aufgeben, wir werden mit gutem Wahlergebnis dafür kämpfen. Am Ende entscheidet immer der Wähler", sagte Hofer. Der Innenminister sei "keine Bitte an die ÖVP, wir können auch Opposition, es ist ein Angebot an die ÖVP, das angenommen oder ausgeschlagen werden kann".

Kickl, der Scharfmacher für die versammelten Delegierten, holte dann sogleich zu einer Brandrede aus und bekam als Einziger für seine Rede nicht nur tosenden Applaus und lautes Gejohle, sondern auch stehende Ovationen. Er sprach davon, dass "die biologischen Angriffe" der politischen Gegner nichts genützt hätten, denn die "Angriffe mit dem Spaltpilz", bemühte er einen nicht ganz wissenschaftlichen Vergleich aus der Biologie, seien ins Leere gelaufen. Er stehe zu hundert Prozent hinter Hofer und werde jenen, die der Parteiobmann "nicht niederclinchen könne", "mit einem rechten Haken und einer Geraden" den Kopf wieder gerade richten. Das Backhendl wolle er beiseite lassen und lieber die Roten und Schwarzen "panieren".

Für Norbert Hofer ist Herbert Kickl nicht verhandelbar.
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Nur mit ihm würde das Triple-A-Rating, das derzeit für Flüchtlinge vorherrsche abgeschafft. Triple-A stehe für "aggressive afghanische Asylwerber". Diese wolle er "auf null downgraden". Von diesen Sexualstraftätern brauche er keine weiteren im Land, schließlich fänden sich "mit dem Schwammerl im Nationalrat schon genügend Grapscher in dieser Republik". Auch Grüne, Neos und SPÖ bekamen Grauslichkeiten und persönliche Untergriffe ab. Nicht einmal die Kirche verschonte der "beste Innenminister aller Zeiten", wie er hier genannt wird. Ihr warf er vor mit dem Kirchenasyl – einem Modell, das "längst ausgedient" habe – nur jene zu schützen, die es mit dem Christentum ohnehin nicht gut meinen würden.

Linkes Schreckgespenst

Kickl, Hofer und Co. Sie alle bemüßigten an diesem Samstag das linke Schreckgespenst. Sollte die ÖVP eine Koalition mit den Grünen, Neos oder der SPÖ versuchen, werde sie aber rasch wieder bei 20 Prozent und auf dem Niveau von Ex-Vizekanzler Mitterlehner landen.

In Tracht zum Parteitag: Die Österreicher wollen eine Fortsetzung von Türkis-Blau, ist sich Norbert Hofer sicher.
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Denn die Österreicher würden die Fortsetzung von Türkis-Blau wollen. "Deswegen steht unser Angebot. Es wird nicht leicht werden, mit uns zu verhandeln. Wenn wir zu einer Einigung kommen, dann wird diese neue Regierung mindestens genauso beliebt sein wie die vorige", sagte Hofer und ergänzte noch mal in Richtung ÖVP: "Nehmt das Angebot an oder schlagt es aus. Ich hoffe, dass man sich für die Vernunft entscheidet." Es werde jedenfalls ein dickes Regierungsprogramm werden. Nur wenn man es reinschreibe, habe es auch Geltung bei der ÖVP, erklärte Hofer. Bargeld, ORF-Gebühren und kein Ausländerwahlrecht, das dürfe man sich von einem freiheitlichen Regierungsprogramm erwarten, resümierte Hofer. (Walter Müller, Fabian Sommavilla, 14.9.2019)