Das tükis-blaue Prestigeprojekt wird in den kommenden Wochen vom Verfassungsgerichtshof behandelt. Das Gutachten, auf das sich die frühere Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) stützt, sei methodisch und inhaltlich falsch, heißt es in einem Gegengutachten der Arbeiterkammer.

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In der kommenden Herbstsession des Verfassungsgerichtshofs wird die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger eine wichtige Rolle spielen. 13 Gesetzesprüfungsanträge liegen vor, auch eine mündliche Verhandlung ist geplant. Kern der Zusammenlegung ist die Reduktion der neun Gebietskrankenkassen auf eine Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK).

Auch die Arbeiterkammer (AK) hat gegen das türkis-blaue Prestigeprojekt Beschwerde eingelegt. Außerdem hat sie ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Berechnungen der ehemalige Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) widerlegt. Die frühere Ressortchefin wollte ihrerseits die angestrebten Einsparungen in Millionenhöhe mit einer Studie von Werner Hoffmann untermauern.

Falsche Annahmen

Doch wie jetzt Otto Krickl, Gutachter der Arbeiterkammer und in Graz am Institut für Organisation und Institutionenökonomik tätig, feststellt, beruht die Vorgängerstudie auf falschen Annahmen. Sie sei methodisch und inhaltlich unsauber gearbeitet.

Die Arbeiterkammer wollte die Angaben des Sozialministeriums überprüfen, sagt Wolfgang Panhölzl von der AK im STANDARD-Gespräch. Immerhin habe die Ministerin immer angegeben, bei den Verwaltungskosten massiv einsparen zu wollen. Doch abgesehen davon, dass die Verwaltungskosten in den Gebietskrankenkassen mit etwa zwei Prozent ohnehin gering seien, sei eine falsche Berechnungsgrundlage verwendet worden. In Hartinger-Kleins Gutachten werden Gesamtverwaltungskosten von 1,5 Milliarden Euro angenommen, das beinhalte aber alle Sozialversicherungen, nicht nur die von der Fusion betroffenen Gebietskrankenkassen. Daraus ergibt sich laut AK-Gutachter Krickl eine Differenz in der Höhe von 750 Millionen Euro. Einsparen wollte Türkis-Blau auch bei den Beschaffungskosten. Diese wurden aber in den Berechnungen doppelt berücksichtigt. Außerdem seien bestehende Einkaufskooperationen nicht herangezogen worden.

Fusion unzureichend vorbereitet

Die Fusion drohe zum "Hüftschuss" zu werden, ist AK-Experte Panhölzl überzeugt. Denn sie sei unzureichend vorbereitet worden. Ähnliches sei bereits 2003 bei der Fusion der Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und der Angestellten passiert. Das habe auch der Rechnungshof in einer vernichtenden Kritik festgestellt. Die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen sei deutlich komplexer, weil es nicht nur um Auszahlungen, sondern auch um Sachleistungen gehe. Das Sozialministerium setzt die Kosten zwischen 200 bis 300 Millionen Euro an. Das sei nicht realisierbar, meint Panhölzl. Den AK-Berechnungen zufolge liegen diese bei mindestens 500 Millionen Euro. (Marie-Theres Egyed, 16.9.2019)