Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wollf warnt davor, das Gesetzespaket ohne Berücksichtigung von 60 fundierten Stellungnahme zu beschließen.

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Wien – ÖVP und FPÖ wollen ihr in Koalitionszeiten vereinbartes "Gewaltschutzpaket" noch vor der Nationalratswahl im Parlament beschließen. Bei RichterInnen, RechtsanwältInnen, OpferschützerInnen und dem Verein Neustart stößt dies auf Widerstand. Der vorliegende Entwurf beinhalte Verschlechterungen für Opfer und die öffentliche Sicherheit, heißt es in einem gemeinsamen Papier.

Mit der nun per Initiativantrag eingebrachten Gesetzesnovelle soll es zu Strafverschärfungen bei einer Reihe von Gewalt- und Sexualdelikten kommen. Doch dafür bestehe objektiv kein präventiver Bedarf, heißt es in dem an die Fraktionen versandten Papier von Richtervereinigung, Rechtsanwaltskammer, Neustart, Weißer Ring und dem Bundesverband der Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen.

Im Gegenteil: Die Praxis zeige, dass der schonendere Umgang der Gerichte mit jüngeren Erwachsenen zum Rückgang von Widerverurteilungen geführt habe. Nun sollen aber härtere Strafen vorgegeben werden, wodurch mit einer höheren Rückfallquote zu rechnen sei. "Mehr Rückfälle bedeuten mehr Opfer, weniger Sicherheit und weiter steigende Kosten", so die Warnung.

"Gefährlicher Rückschritt"

Bei Sexualdelikten seien alleine in den vergangenen zehn Jahren fünf Novellen beschlossen worden, in denen Straftatbestände ausgeweitet und Strafdrohungen erhöht worden seien. Auch hier bestehe kein Bedarf einer Verschärfung. In Partnerschaften erhöhe sich der Druck auf Opfer, keine Anzeige zu erstatten, heißt es.

"Wir warnen davor, dieses Gesetzespaket ohne Berücksichtigung der 60 fundierten Stellungnahme aus dem Begutachtungsverfahren und ohne vorherige Beratungen im Justizausschuss zu beschließen", sprach sich Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wollf gegen einen "massiven, gefährlichen Rückschritt in vergangene Zeiten" aus. Auch die ExpertInnen der entsprechenden Task Force hätten sich klar dagegen ausgesprochen, und selbst Justizminister Clemens Jabloner habe es abgelehnt, diesen Gesetzesentwurf dem Parlament vorzulegen.

Einheitliche Anzeigepflichten

Sabine Matejka, Chefin der Richtervereinigung, sieht das ähnlich. Das parlamentarische Begutachtungsverfahren werde zur vollkommenen Farce, wenn der ursprüngliche Begutachtungsentwurf jetzt ohne Änderung beschlossen werde. Für die Verschärfungen gebe es keine sachliche Begründung, sie dürften nur "Ausdruck einer gewissen Law-and-Order-Politik" sein.

Neben den Strafverschärfungen bringt das Gesetz auch einheitliche Anzeigepflichten für alle Gesundheitsberufe und eine verpflichtende Täterberatung bei häuslicher Gewalt. Der Verband der Gewaltschutzzentren übt auch hier Kritik: Die dafür zuständigen Stellen sollen den irreführenden Namen "Gewaltpräventionszentren" bekommen, was für Verwechslungen von Opfer- und Tätereinrichtungen führen könnte. Der Verband wäre für "GefährderInnenberatungsstelle" oder "Beratungsstelle für Menschen mit Betretungsverbot". (APA, 16.9.2019)