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Richard Stallman, Gründer der Free Software Foundation.

Foto: Javier Galeano / AP

Auch mehrere Wochen nach dem Tod von Jeffrey Epstein sorgt die Affäre rund um den US-Milliardär weiter für Aufregung. Im Raum steht dabei der Vorwurf des jahrelangen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen. Zudem soll der Investmentbanker einen Prostitutionsring betrieben und die jungen Frauen in diesem Rahmen zum Sex mit anderen Männern gezwungen haben – darunter zahlreiche bekannte Personen aus dem einflussreichen Umfeld Epsteins.

MIT in der Kritik

Vor kurzem geriet dabei auch das Media Lab des angesehenen Massachusetts Institute of Technology (MIT) ins Schussfeld der Kritik. Wie sich herausstellte, hatte dessen Leiter Joi Ito auch dann noch Spenden von Epstein angenommen, als dieser – im Jahr 2008 – bereits wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilt worden war. Dabei war man sich der Problematik dieses Vorgangs durchaus bewusst, immerhin sorgte Ito dafür, dass die Herkunft der Spenden verschleiert wurde. Ito musste nach Bekanntwerden dieser Vorgänge mittlerweile zurücktreten.

Doch das MIT ist noch auf andere Weise mit dem Epstein-Skandal verwoben: In der Zeugenaussage eines der Epstein-Opfer taucht nämlich der Name eines langjährigen Professors am MIT auf: Marvin Minsky. Der im Jahr 2016 im Alter von 88 Jahren verstorbene Pionier der künstlichen Intelligenz soll 2001 Sex mit einer 17-jährigen gehabt haben, die von Epstein dazu gedrängt wurde. Diese Zustände veranlassten nun Studierende am MIT dazu, zu einer Protestveranstaltung aufzurufen. Die dabei geäußerte Kritik an Minsky ruft nun aber einen anderen prominenten Akteur der Softwarewelt auf den Plan – und zwar zu dessen Verteidigung.

Stallmans Aussagen

Auf einer internen Mailing-Liste springt Freie-Software-Aktivist Richard Stallman seinem Kollegen zur Seite. So schreibt er etwa, dass es "moralisch absurd ist, 'Vergewaltigung' so zu definieren, dass es darauf ankommt, ob das Opfer 18 oder 17 Jahre alt gewesen ist". Überhaupt stößt sich Stallman an der Formulierung des "sexueller Übergriffs", da dieser Gewalt impliziere. In Wirklichkeiten hätten die beiden aber einfach nur Sex miteinander gehabt. Oder, wie es Stallman formuliert: "Wir können uns viele Szenarien vorstellen, das plausibelste davon ist aber, dass sie sich ihm willfährig gezeigt hat." In weiterer Folge bezeichnet er das Opfer als Mitglied von Epsteins "Harem", wie in den von "Vice" publizierten Original-Mails nachzulesen ist.

Dabei blendet Stallman zwei zentrale Punkte aus: Einerseits ist es solchen Prostitutionsringen immanent, dass keine wirkliche Freiheit gegeben ist. Zudem werden sexuelle Akte mit Minderjährigen nach US-Recht generell als "statutory rape" – also eine Form der Vergewaltigung – gewertet, da hier aufgrund der Altersspanne kein echter Konsens möglich ist.

Einschlägige Vorgeschichte

So erschreckend die Aussagen von Stallman zu der Causa auf viele wirken mögen, überraschend kommen sie nicht, hatte er doch über die Jahre immer wieder mit ähnlichen Aussagen für Kontroversen gesorgt. So zeigte er sich im Jahr 2006 "skeptisch, dass freiwillige Pädophilie Kindern schadet". Das führte damals schon zu einiger Empörung, Stallman wiederholte diese Aussage aber später. Er wurde in der Vergangenheit auch immer wieder für sexistische "Scherze" und Bemerkungen bei seinen Auftritten auf Open-Source-Veranstaltungen kritisiert.

Hintergrund

Stallman ist eine der zentralen Figuren der Freie-Software-Bewegung. Er war es, der im Jahr 1983 das GNU-Projekt mit dem Ziel der Entwicklung eines komplett im Quellcode offenen Betriebssystems gründete. Aus diesem sind unter anderem die GNU Compiler Collection (GCC) sowie der von Stallman entwickelte Texteditor Emacs hervorgegangen. Zudem ist in diesem Rahmen die Idee des Copyleft entstanden, die zu freien Lizenzen wie der GNU General Public License (GPL) geführt hat. Des weiteren ist Stallman Gründer – und bis heute Vorsitzender – der Free Software Foundation. (apo, 16.9.2019)