Ideal besetzte Nonnen gibt es selten, dem Linzer Landestheater gelingt das vorzüglich, wie "Sister Act" zeigt.

Robert Josipovic

Sister Act als Musical, aber ohne die charmanten Musikarrangements des populären Films, ohne My Guy und I Will Follow Him: geht das, grübelt man auf der Fahrt nach Linz? Es geht nicht nur, es läuft wie geschmiert. Die Musik von Disney-Allzweckwaffe Alan Menken (Arielle, Die Schöne und das Biest, Pocahontas ...) geht runter wie Öl. Soul, Funk & Disco (das Stück spielt Ende der 1970er Jahre in Philadelphia) wechseln mit Musical-Rührseligkeit und Show-Bombast. So soll es sein.

Auf der Handlungsebene wurde (fast) alles so belassen wie im Film. Lediglich der Police Officer wurde zu einem linkischen Schüchti umgeschrieben, der am Ende aber das Herz von Deloris Van Cartier erobert.

"Tief in mir"

Gut, dass die Rolle in der ironieaffinen, abschnittsweise angenehm entspannten Inszenierung von Andreas Gergen mit einem absoluten Juwel besetzt wurde: Gernot Romic singt seinen Schmusesong Tief in mir so soft, charmant und auch spontan, dass es einen umhaut. Sein Eddie Fritzinger, so heißt der Officer im Musical, hat Spurenelemente von Helge Schneiders Nerd-Schalk und Rocko Schamonis ironischem Glamour. Und das in einem Mainstream-Musical.

Auch die drei Handlanger von Curtis Jackson sind absolute Extraklasse: Speziell beim sensationell smarten Solo von David Arnsperger (als Joey) in der Barry-White-Hommage Hey, Schwester erlebt man sich als staunenden, dankbaren Menschen. Den Unterweltboss gibt Karsten Kenzel mit Glatze und Schnauzer sowie auf unverwechselbare Weise: Seine Solonummer Ich mach sie kalt präsentiert er mit in einer Klaus-Lage-artigen Gemütlichkeit.

Künstliche Perücken

Die Männer tragen übrigens allerschrecklichste 1970er-Jahre-Klamotten (Kostüme: Conny Lüders) und extrem künstliche Perücken, abgesehen von Kenzel natürlich.

Die Nonnen sind ideal besetzt, man meint fast den Film vor Augen zu sehen. Speziell Hanna Kastner ist als Lehrnonne Mary Robert gleichsam eine Wiederauferstehung ihres von Wendy Makkena dargestellten filmischen Vorbilds. Und singen kann sie auch mindestens so gut ...

Daniela Detts Darstellung der Mutter Oberin ist Balsam: dezent, natürlich und nuanciert. Ganz große Klasse. Und Tertia Botha ist in Linz eine Deloris Van Cartier mit einem Powerorgan, das nicht nur ihre Mitschwestern mitreißt, sondern vom ersten Showblock an auch das Publikum im Großen Saal.

Stählerne Skelette

Die "Sixtinische Kapelle" unter der Leitung von Tom Bitterlich gibt die stilistische Bandbreite von Menkens Musik gewinnend wieder, nur der Plastik-Sound der Synthi-Streicher tut echt weh.

Walter Vogelweiders Bühnenbild – das stählerne Skelett eines Sakralbaus – tendiert gefährlich in die aschgrau-asketische Richtung; das Lichtdesign (von Michael Grundner) scheint ab und zu abstrakte Bilder von Gerhard Richter zu zitieren und illuminiert das Gerippe immerhin hochklassig. Das Finale (Choreographie: Kim Duddy) ist so, wie ein Finale sein soll: großartig.

Stehen bleibt da niemand im Linzer Landestheater, und gute Laune flutet den Saal: So geht Musical. Halleluja – und höchste Empfehlung. (Stefan Ender, 16.9.2019)