Die 74. Sitzungsperiode der Uno-Vollversammlung wird am Dienstagabend (Ortszeit) in New York im UN-Hauptquartier eröffnet. Seit der Gründung der Vereinten Nationen 1945 kommen im September jährlich Delegierte aller Mitgliedsstaaten zusammen – um das Budget der Organisation zu prüfen und nicht bindende, aber politisch gewichtige Empfehlungen zu Fragen von internationaler Bedeutung abzugeben. Parallel dazu startet am Wochenende dann ein hochrangiges Uno-Klimatreffen.

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Am Dienstag tritt die jährliche Uno-Vollversammlung zusammen. Der Redemarathon wird bis Monatsende dauern.
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Allerdings liefern weltpolitische Krisenherde aktuell reichlich Zündstoff für die diplomatische Hochsaison des Jahres. Nach dem Brand in der weltgrößten Ölverarbeitungsanlage in Saudi-Arabien spitzt sich der Ton zwischen dem Iran und den USA gefährlich zu. Indessen lodert das Feuer im fürs Weltklima bedeutenden Regenwald im Amazonas-Becken weiter. Im jahrzehntealten Konflikt um die umstrittene Kaschmir-Region überhäufen sich Indien und Pakistan erneut mit Schuldzuweisungen. Und die USA fahren im Streit mit Venezuela schwere Geschütze auf.

Diese Spannungsfelder werden wohl die Auftritte einiger Staatschefs und hochrangiger Regierungsvertreter prägen. Am kommenden Dienstag startet nämlich die "General Debate", während der alle 193 UN-Mitgliedsstaaten sowie drei Beobachter vor der Uno-Vollversammlung die Anliegen ihrer Regierung ausführen dürfen.

Es folgt eine Auflistung der zu erwartenden Spannungsfelder:

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Das Kräftemessen zwischen den USA und dem Iran

Seit Wochen wird spekuliert, ob es am Rande der Generaldebatte auch zu Gesprächen des iranischen Präsidenten Hassan Rohani (rechts) mit US-Präsident Donald Trump (links) kommt. Rouhani hat zwar ein bilaterales Treffen mit Trump abgelehnt, nicht aber eine Unterredung mit ihm in Anwesenheit der anderen fünf Vertragspartner des Atomabkommens – das sind China, Russland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Es wird erwartet, dass beide Staatschefs kommenden Dienstag vor die Vertreter der Uno-Mitgliedsstaaten treten. Allerdings wurde das Visum von Rohani für seinen nahenden US-Besuch bislang noch nicht bestätigt. Der iranische Präsident drohte deshalb am Mittwoch damit seinen Auftritt bei der Generalversammlung abzusagen, wenn ihm Washington das Visum nicht in den nächsten Stunden ausstelle.

Seitdem die USA im Alleingang aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen sind, haben sich die Beziehungen zwischen Teheran und den Washington stetig verschlechtert. Wegen der Angriffe auf Ölanlagen in Saudi-Arabien ist die Situation nun zusätzlich angespannt. Die USA klagen an, dass der Iran hinter den Angriffen steckt. Die Islamische Republik weist dies zurück. Die USA würden Details bei der Uno-Generalversammlung präsentieren, erklärten US-Regierungsvertreter am Dienstag. Washington wolle dabei besonders die Europäer von der Verantwortung der Iraner überzeugen.

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Die US-Unterstützung für Maduros Rivalen

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro wird dieses Jahr nicht an der Uno-Vollversammlung in New York teilnehmen. Seine für 26. September geplante Rede hat Maduro abgesagt. Der seit 2013 regierende Staatschef liefert sich seit Monaten mit dem selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó einen Kampf um die Macht in dem ölreichen, aber von einer politischen und wirtschaftlichen Krise gezeichneten Land. Guiadó erwägt, an der Uno-Generalversammlung teilzunehmen, sagte sein Sprecher am Dienstag.

Millionen Menschen haben das Land bereits wegen des Mangels an Nahrungsmitteln und des angespannten politischen Klimas verlassen. Guaidó wird unter anderem von den USA unterstützt. Die US-Regierung hatte vergangene Woche ein Militärbündnis aktiviert, dem neben den USA zehn Länder der Region angehören. Die Entscheidung sei auf Bitten der venezolanischen Opposition und angesichts von "kriegslüsternen Aktionen der venezolanischen Armee" unter Präsident Maduro gefallen.

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Die Brände im Amazonas-Regenwald

Laut Protokoll soll der ultrarechte Präsident Jair Bolsonaro kommenden Dienstag die Generaldebatte der Uno-Vollversammlung mit seiner Rede eröffnen – auf seinen Auftritt wird wohl heftige Kritik folgen. Schließlich wird die brasilianische Regierung von der internationalen Gemeinschaft für die verheerenden Brände mitverantwortlich gemacht, die derzeit den Amazonas-Regenwald verwüsten. Der Klimawandelskeptiker verwahrt sich gegen die Kritik aus dem Ausland und pocht auf die nationale Souveränität im Umgang mit den Bränden. Gegenmaßnahmen hat er nur widerwillig ergriffen.

Unklar ist aber, ob Bolsonaros Gesundheitszustand den Auftritt in New York überhaupt erlaubt. Der Verbündete Trumps, der die Militärdiktatur in Brasilien verherrlicht, war vor einem Jahr bei einem Wahlkampfauftritt niedergestochen worden und musste vergangene Woche wegen eines Narbenbruchs erneut behandelt werden.

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Der wieder aufgeflammte Kaschmir-Konflikt

Der pakistanische Premierminister Imran Khan (rechts) und der indische Premierminister Narendra Modi (links) werden beide kommende Woche vor die Vollversammlung der Vereinten Nationen treten. Khan hat angekündigt, dass er den Kaschmir-Konflikt bei der Generalversammlung thematisieren werde. Als Indien im August den Artikel 370 nach Jahrzehnten aufhob, protestierte Pakistan heftig, und der Kaschmir-Konflikt eskalierte erneut. Artikel 370 der Verfassung garantierte dem indischen Teil Kaschmirs bisher unter anderem eine eigene Verfassung, eine eigene Flagge und weitgehende Kompetenzen mit namentlicher Ausnahme der Außen- und Verteidigungspolitik. Der blutige Konflikt, der bereits mehrere hunderttausend Menschenleben gefordert hat, datiert aus den Jahren unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, als Indien und Pakistan von Großbritannien unabhängig wurden. Die beiden Staaten erheben beide Anspruch auf die Region, das führte zu zwei Kriegen und zur Teilung Kaschmirs. An der Demarkationslinie kam und kommt es immer wieder zu Gefechten mit Toten.

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Ungewöhnliche Rahmenbedingungen für Österreich

Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist in Folge von Ibiza-Gate samt Misstrauensantrag gegen die ÖVP-FPÖ-Koalition mit Neuwahlen am 29. September diesmal nicht von Berufspolitikern umgeben, sondern ausschließlich von Experten. Im Gegensatz zum Vorjahr, als mit dem ursprünglich aus den Reihen der Grünen stammenden Van der Bellen sowie ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz und der von der FPÖ in die Regierung gehievten Außenministerin Karin Kneissl Vertreter unterschiedlicher politischer Richtungen in Big Apple traute Eintracht demonstrierten, sind ideologische Differenzen diesmal quasi schon im vorhinein ausgeschlossen.

Van der Bellen reist am Freitag mit Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und Umweltministerin Maria Patek nach New York. Außenminister Alexander Schallenberg stößt am Sonntag dazu. Schallenberg wird am Donnerstagabend (26. September) bei der hochrangigen Debatte in der Generalversammlung eine Rede halten.

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Der Weltklimagipfel

Angesichts der politischen Prominenz, die sich wegen der Vollversammlung in New York tummelt, dürfte auch der kurz zuvor stattfindende Uno-Klimagipfel spannend werden. Die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg war im August per Segelboot aus Europa angereist, um am UN-Weltklimagipfel teilzunehmen. Es wird nicht erwartet, dass Trump an dem Gipfel teilnimmt – schließlich sind die USA unter seiner Führung aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen.

Spannend ist auch die Frage, wer nicht in der diplomatischen Hochsaison nach New York reist – denn die Abwesenheit gewisser Staatschefs wird oft auch als Indiz für nationale oder internationale politische Spannungen gewertet. Zum Beispiel hat der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman seine Teilnahme an der Generalversammlung abgesagt. Medien und Vertreter der Zivilgesellschaft warten immer noch gespannt darauf, wie Saudi-Arabien auf den Uno-Bericht reagiert, dem zufolge das Königreich "vorsätzlich" und "absichtlich" den "Washington Post"-Kolumnisten Jamal Khashoggi hingerichtet hat. Auch der kanadische Premier Justin Trudeau kommt kommende Woche nicht nach New York – er steckt mitten im Wahlkampf und muss um seine Wiederwahl ringen. (fmo, 17.9.2019)