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Edward Snowden enthüllte das massive Überwachungsprogramm der NSA und sorgte so dafür, dass viele Nutzer auf starke Verschlüsselung setzen. Etwa bei ihren Messengern.

Foto: AP

Edward Snowden bestimmte im des Jahr 2013 die Schlagzeilen. Seine Enthüllungen über die Spionage- und Überwachungsaktivitäten der NSA (National Security Agency) sorgten auch in Österreich für Empörung und behördliche Ermittlungen. Mittlerweile ist die Affäre vom Tisch. Für Politik, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz, sind die Aktivitäten des US-Geheimdienstes kein Thema mehr, die Ermittlungen wurden auf Eis gelegt.

Die Dokumente, die der Techniker der NSA ans Licht brachte, enthüllten ein zuvor unvorstellbares Ausmaß an Überwachung bei nahezu jeder Art elektronischer Daten und Kommunikation. Man erfuhr, dass die NSA in großem Stil Datenströme aus Unterseekabeln abgegriffen und sich in den Datenverkehr zwischen Rechenzentren von Internetkonzernen wie Google und Yahoo eingeklinkt hatte.

Viel Schaden angerichtet

Die NSA hackte weltweit hunderttausende Computer, saugte überall Ortungsdaten, SMS und Adressbücher ab und überwachte dutzende internationale Spitzenpolitiker auch befreundeter Staaten – darunter etwa die deutsche Kanzlerin Angela Merkel.

In Österreich gerieten Nutzer mit E-Mail-Adressen des Internetanbieters UPC in das Visier des Geheimdienstes, ebenso internationale Einrichtungen wie die Opec oder die OSZE.

Mithilfe des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) wurde die elektronische Kommunikation von Firmen, Ministerien sowie der Verfassungsschutz gezielt überwacht. Allerdings wurde schon kurz nach Bekanntwerden der Snowden-Papiere öffentlich, dass das offizielle Österreich mit der NSA seit Jahrzehnten zusammenarbeitet. Der US-Geheimdienst ist ein Partner des Heeresnachrichtenamts, das zum Bundesheer gehört. "Zur Terrorabwehr werden Informationen getauscht", heißt es dazu seitens des Heeres. Diese Zusammenarbeit verhinderte hierzulande die Aufklärung der Affäre, die Zusammenarbeit gehe daher weiter.

Weitere Dokumente

Die Enthüllungen über die Zusammenarbeit zwischen Österreich und der NSA gehen aber weiter. In den vergangen Monaten hat das Online-Magazin The Intercept immer wieder neue Dokumente aus dem Snowden-Fundus veröffentlicht. Darunter etwa ein Dokument über die Liaison zwischen NSA und dem Heeresnachrichtendienst. The Intercept wird noch weitere Snowden-Papiere veröffentlichen, die weiterhin für Aufsehen sorgen. Mit weltbewegende Enthüllungen ist aber nicht mehr zu rechnen.

Liaison zwischen NSA und dem Heeresnachrichtendienst.
Foto: SCreenshot

Memoiren

Edward Snowden veröffentlichte am Dienstag seine Memoiren. Das Buch des im russischen Exil lebenden Informanten mit dem Titel "Permanent Record: Meine Geschichte" ist ab heute auch in österreichischen Buchhandlungen erhältlich. Das Werk ist sehr persönlich gehalten und schildert Snowdens Werdegang sowie seine Beweggründe dafür, die massiven Überwachungspraktiken der US-Geheimdienste in ihrem ganzen Ausmaß zu enthüllen.

Aus Liebe zu seinem Heimatland, wie er selbst gerne betont, meldet sich Snowden, aus einer Militärfamilie stammend, 2003 freiwillig zum Einsatz im Irak-Krieg. Später bewirbt er sich bei den Special Forces, wo er sich jedoch bei einem Trainingskurs beide Beine bricht. Er landet schließlich beim US-Geheimdienst CIA und wird aufgrund seines Programmiertalents auf die virtuelle Bekämpfung von Terrorismus angesetzt. Erstmals erhält er Zugang zu streng geheimen Informationen.

Stationiert in Hawaii

Bei seiner Stationierung in Genf erfährt Snowden von PRISM, einem Programm, mit dem die US-Geheimdienste auf Millionen Daten von Nutzern von Internetfirmen wie Facebook oder Google zugreifen können. Schon jetzt ist er nach eigenen Angaben skeptisch, lässt sich aber von der Notwendigkeit der Maßnahmen überzeugen. Andere Vorgänge bringen ihn dazu, die CIA zu verlassen. Über die Vertragsfirma Booz Allen Hamilton landet er schließlich als externer Mitarbeiter bei der NSA, stationiert in Hawaii.

Seinen Schritt, an die Öffentlichkeit zu gehen und die Welt über die beispiellose Massenüberwachung, die seiner Meinung nach gegen die Menschenrechte sowie die US-Verfassung verstößt, zu informieren, plant der junge Computerexperte genau und lange Zeit im Voraus. Dass er damit in Konflikt mit dem Gesetz gerät, ist dem damals 29-Jährigen bewusst. Er habe sich dazu entschlossen, ein "Verbrechen zu begehen, um ein noch viel größeres offenzulegen", wird er später dazu sagen.

Vertraulicher Dokumente im Gepäck

2013 flüchtet Snowden nach Hongkong – eine Kopie tausender vertraulicher Dokumente im Gepäck -, wo er sich schließlich den Journalisten Laura Poitras und Glenn Greenwald anvertraut. Kurz darauf tritt er an die Öffentlichkeit, ein Katz- und Mausspiel folgt. Snowden flieht aus einem Hotel in Hongkong und taucht bei verschiedenen Flüchtlingsfamilien in der Stadt unter, bevor sein Anwalt Robert Tibbo die Flucht – eigentlich geplant nach Lateinamerika – organisiert. Weil die USA seinen Pass annullieren, strandet Snowden bei einer Zwischenlandung aber auf einem Moskauer Flughafen. Nach wochenlanger Unklarheit über seinen Aufenthaltsort erhält der Whistleblower Asyl, später ein Geschäftsvisum für Russland. Bis heute lebt er im Großraum Moskau.

Zurück in die USA

Eigentlich, so beteuert Snowden immer wieder, möchte er am liebsten zurück in die USA. In seiner Heimat ist der heute 36-Jährige jedoch unter dem "Espionage Act" angeklagt, der es ihm nicht erlaubt, die Argumente für sein Tun vor einer Geschworenen-Jury darzulegen. Zudem droht die Todesstrafe – ein Urteil, das auch US-Präsident Donald Trump favorisiert. Aber auch dessen Vorgänger Barack Obama war Snowden gegenüber nicht besonders wohlwollend. So ließ er sich von einer Bürgerrechtskampagne, die die Begnadigung Snowdens kurz vor Ende der Amtszeit Obamas forderte, nicht beeindrucken, räumte aber ein, dass dieser "berechtigte Sorgen" angesprochen habe.

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Das Buch "Permanent Record: Meine Geschichte" von Edward Snowden.
Foto: Reuters

Aus Europa erfuhr Snowden zwar immer wieder große Unterstützung und erhielt zahlreiche Preise. Doch sein Asylgesuch wollte keines der 21 Länder, in denen der US-Amerikaner einen Antrag stellte, akzeptieren. Auch Österreich winkte aus formalen Gründen ab. Kritiker sehen hinter den Entscheidungen auch politischen und wirtschaftlichen Druck seitens Washingtons.

Ausgerechnet in Russland

Dass Snowden nun ausgerechnet in Russland lebt, dem Menschenrechtsorganisationen auch kein besonders gutes Zeugnis ausstellen, brachte ihm viel Kritik ein. Er sei ein russischer Spion, habe die streng geheimen Dokumente der US-Geheimdienste, von denen im Übrigen bisher nur ein Bruchteil veröffentlicht wurde, mit Moskau geteilt. Snowden selbst bestreitet dies.

Andere Kritiker werfen ihm vor, US-amerikanische und britische Geheimdienstarbeit düpiert zu haben. Mit seinen Enthüllungen habe er Militär- und Anti-Terror-Strategien verraten, die Abwehr- und Angriffsmethoden Amerikas gegen Cyberangriffe offengelegt und damit den Feinden in die Hände gespielt. Snowdens Verteidiger wiederum meinen, dass nichts veröffentlicht worden sei, was Terroristen nicht ohnedies schon gewusst hätten.

"Akt zivilen Ungehorsams im Zeitalter der totalen Überwachung"

Viel wichtiger, so die Fürsprecher, sei, dass er ein Thema immensen öffentlichen Interesses, nämlich die Praxis der massenhaften, anlasslosen staatlichen Überwachung, öffentlich gemacht und dafür Bewusstsein geschaffen habe. Er habe zeigen wollen, dass in der Gesellschaft etwas schiefläuft. Und wie gefährlich es für jeden werden könnte, wenn Politiker, die über solche Techniken verfügten, diese missbrauchten, um etwa Kritiker mundtot zu machen. Seine Enthüllungen seien demnach als "Akt zivilen Ungehorsams im Zeitalter der totalen Überwachung" zu sehen.

Snowden ist auf Twitter aktiv.

Snowden selbst bereut seinen Schritt jedenfalls nicht, wie er in Interviews immer wieder wiederholt. Er gehe jede Nacht mit der Gewissheit ins Bett, für seine Überzeugungen gekämpft zu haben. (Sum, APA 17.9. 2019)