In Österreich ist die Kluft zwischen in- und ausländischen Schülern eine der größten Europas. Hier müsse man ansetzen, sagt die Agenda Austria.

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Wien – Leistung. Aufstieg. Sicherheit. Mit diesem Motto hatte einst SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky die Stoßrichtung der Sozialdemokratie vorgegeben. Am Dienstag nahm die liberale Denkfabrik Agenda Austria daran Anlehnung, um ihren Forderungskatalog an die nächste Regierung zu präsentieren. Denn in Österreich fehle die Sicherheit, dass mit Leistung noch der Aufstieg gelinge, sagt Direktor Franz Schellhorn. Man müsse die Gunst der Stunde nutzen. Statt sich "gratis Geld in Frankfurt" abzuholen, solle die Politik das niedrige Zinsumfeld nutzen, um Reformen anzupacken. Fünf Prioritäten gäbe es aus Sicht der Agenda Austria.

Steuern senken

Arbeit müsse sich wieder lohnen. Diese Forderung erklingt quer durch das politische Spektrum. Anders als etwa die Ex-Koalitionäre ÖVP und FPÖ hängt man sich bei der Agenda Austria weniger an der Abgabenquote auf, die unter Türkis-Blau in Richtung 40 Prozent der Wirtschaftsleistung hätte gesenkt werden sollen. Die Abgabenquote sinke auch, wenn die Wirtschaft stärker wächst, betont Schellhorn. Wichtig sei, was netto vom Bruttoeinkommen übrig bleibe. Der sogenannte Steuerkeil ist nur in vier EU-Ländern größer als in Österreich. Rund die Hälfte der Lohnkosten fließen hierzulande in Steuern und Abgaben.

Die Agenda Austria schlägt eine Entlastung von rund neun Milliarden vor. Damit käme Österreich auf den EU-Schnitt bei der Belastung des Faktors Arbeit. Derzeit holen sich der Finanzminister und die Sozialversicherungen rund 104 Milliarden Euro aus den Arbeitseinkommen. Um die Vorteile für Arbeitnehmer auch abzusichern, sollte die kalte Progression – die schleichende Steuererhöhung im Sog der Inflation – abgeschafft werden, fordert der Thinktank. Unternehmenssteuern zu senken habe im Vergleich zum Faktor Arbeit keine Priorität.

Länger arbeiten

Niemand will in Österreich die Höhe der Pensionsleistungen antasten. Auch bei der Agenda Austria plädiert man stattdessen für ein späteres Pensionsantrittsalter, um dem nahenden Ruhestand der Babyboomer und der steigenden Lebenserwartung Rechnung zu tragen. Konkret schlagen die Ökonomen vor, das gesetzliche Antrittsalter um zwei Monate für Männer und drei Monate für Frauen pro Jahr zu erhöhen, bis beide das gleiche gesetzliche Pensionsalter von 67 Jahren erreicht hätten.

Derzeit schießt der Bund rund 20 Milliarden Euro im Jahr in den Pensionstopf aus dem Budget zu – Beamtenpensionen sind dabei berücksichtigt. Natürlich gebe es Rechnungen, die bis zum Jahr 2060 einen eher leichten Anstieg der Pensionsausgaben im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung vorhersagen. "Ich frage mich, woher wissen die, wie das BIP in 40 Jahren wächst, wenn wir nicht einmal wissen, wie es sich nächstes Jahr entwickelt", kritisiert Schellhorn solche Erwartungen. Eine Jugendbewegung wie Fridays for Future, die sich für ein nachhaltiges Pensionssystem einsetzt, wäre eine gute Sache.

Sozialindex für Schulen

Österreich Schulsystem schneide im internationalen Vergleich nicht schlecht ab, sagt Bildungsexperte Hanno Lorenz. Allerdings stünden die Ergebnisse nicht im Verhältnis zu den hohen Ausgaben. Ein großes Manko sei die Ausbildung von Kindern mit Migrationshintergrund. Während weniger als fünf Prozent der 15- bis 24-Jährigen mit in Österreich geborenen Eltern die Schule abbrechen, sind es unter Jugendlichen mit Eltern, die im Ausland geboren wurden, über 14 Prozent. Damit ist liegt man im traurigen Spitzenfeld innerhalb der EU.

Schulen mit sozial schwächeren Schülern sollten daher anhand eines Sozialindex stärker gefördert werden. Der Agenda Austria schwebt in diesem Fall einmal keine Umverteilung vor, sondern zusätzliche Mittel. Langfristig würden vermiedene Folgekosten die anfänglichen Zusatzausgaben mehr als kompensieren, lautet das Argument.

Keine Gießkanne für Start-ups

In Österreich komme sogar Private Equity vom Staat, lautet ein weiterer Kritikpunkt der Agenda Austria. Eine starke Dynamik hat dieses System bisher nicht gebracht. Österreich zählt nach Belgien und Griechenland zu den EU-Ländern mit den wenigsten Unternehmensgründungen.

Zwar greifen öffentliche Förderprogramme in der Anfangsphase vielen Start-ups unter die Arme, doch bei der Anschlussfinanzierung sitzen viele Gründer auf dem Trockenen. Um privates Wagniskapital zu mobilisieren, schlägt die Agenda Austria steuerliche Erleichterungen für Geldgeber vor. Im Gegenzug könnte der Staat in den Hintergrund treten, statt in der Breite Fördergelder über Jungunternehmen auszuschütten.

Mehr Macht den Ländern

In Österreich nimmt der Zentralstaat den Löwenanteil des Steuergelds ein, aber die Länder und Gemeinden geben es aus. "Unser Mischsystem ist das schlechteste von allen", moniert Schellhorn. Um die Verantwortung für Einnahmen und Ausgaben in eine Hand zu legen, schlägt die Denkfabrik vor, dass Gemeinden selber über die Höhe der Einkommensteuer entscheiden sollen. Auf einen vom Bund festgelegten und einkassierten Basissatz käme ein Hebesatz drauf. Die Hoffnung: dass Bürgermeister effizienter mit Steuergeld umgehen, wenn sie es direkt bei den Bürgen einheben müssen.

Im System sparen

Die Frage der Gegenfinanzierung für Entlastungen und höhere Bildungsausgaben werfe in der Theorie keine Probleme auf. "Die Vorschläge, wie man Milliarden im System spart, liegen in diversen Schubladen", sagt Vizedirektor Lukas Sustala. Das günstige Zinsumfeld würde dem Staat zusätzlichen Spielraum verschaffen.

Wichtig wäre eine Ausgabenbremse, im Gegensatz zu der vieldiskutieren Schuldenbremse, sagt Sustala. Während komplexe Defizitregeln erfahrungsgemäß vielfach gebrochen würden, ließen sich Ausgaben besser planen und einfacher kontrollieren. "Ziel ist nicht, die Ausgaben zu senken, sondern dass sie weniger dynamisch wachsen als die Einnahmen," betont Schellhorn.

Derzeit sieht man bei der Agenda Austria den eigenen Kurs nicht in der Politik vertreten. Schließlich haben alle Parteien eines gemeinsam: Sie fordern neue Steuern. (slp, 17.9.2019)