Bei den Prozessen in den Landesgerichten kommen den Dolmetschern entscheidende Aufgaben zu. Viel Geld bekommen sie dafür nicht.

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Nicht nur Dolmetsch bei Verhandlungen, auch schriftliche Aktenübersetzung wird schlecht bezahlt, bekritteln die Gerichtsdolmetscher und streiken für mehr Geld.

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Einen Tag lang sollte es am Dienstag in ganz Österreich keine Dolmetschaktivitäten und Übersetzungen für Gerichte und Behörden geben. Die gerichtlich zertifizierten Dolmetscher waren im Streik und riefen zum Aktionstag. Die Justizbetreuungsagentur erklärte sich mit der Aktion solidarisch. Auch sie beschickte keine Zivil- und Strafprozesse mit Übersetzern. Denn: Es fehlt am Geld.

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Eine ihrer Hauptforderungen ist die aus Sicht der Gerichtsdolmetscher schon längst überfällige Inflationsabgeltung. Denn seit 2007 sei für Gerichtsdolmetscher allein durch die Inflation ein Reallohnverlust von 22,6 Prozent eingetreten, erklärte Andrea Bernardini, Präsidentin des Verbands der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetscher. "Das ist Geld, das uns zusteht." Ein Inflationsausgleich von 25 Prozent wäre "ein erster Schritt", erklärte Bernardini im Zuge einer Informationsveranstaltung am Landesgericht in Wien.

Bessere Bezahlung

Dazu kommt der Appell zur besseren Bezahlung – in Form einer starken Anhebung der Tarife auf ein marktgerechtes Niveau. Und zwar von dem aktuellen Stundenlohn von 24,80 Euro auf 50 Euro. Eine Preiserhöhung soll es auch bei schriftlichen Übersetzungen geben. Derzeit verdienen die Gerichtsdolmetscher 15,20 Euro pro 1000 Anschläge – "ohne Leerzeichen", wie Bernardini ausführte: "Das sind etwa 70 Cent pro Zeile. Wir wollen, dass unser Zeilensatz auf 1,80 Euro angehoben wird."

Das sei etwas, das "die Justiz langgedienten Kollegen schuldig wäre", sagt Bernardini. Und langgedient sind die meisten von ihnen: Das Durchschnittsalter liege "um die 60_Jahre", sagte Bernardini. Dass es kaum Nachwuchs in dem Beruf gebe, liege besonders am niedrigen Einkommen.

Seit dem Jahr 2006 ist die Zahl der Gerichtsdolmetscher von 1400 auf 720 zurückgegangen. Dabei steige der Bedarf an Übersetzungsleistungen stetig, so Bernardini. "Es wird immer schwieriger, Dolmetscher zu finden, die die entsprechende Ausbildung haben", sagte am Dienstag auch Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung, im Ö1-Morgenjournal. Und: "Es ist allgemein anerkannt, dass die Gebührensätze nicht mehr zeitgemäß und ausreichend sind", in Budgetverhandlungen konnten die Mittel nicht lukriert werden.

Jabloner sieht Forderungen als "berechtigt" an

Justizminister Clemens Jabloner bezeichnete das Forderungspaket – ebenfalls im Morgenjournal – als "berechtigt" und sprach sich für eine Erhöhung der Gebührensätze aus. Dies sei jedoch Aufgabe der nächsten Bundesregierung.

Der ehemaligen Justizministerin Maria Berger (SPÖ) dauert das zu lange, wie sie bei der Veranstaltung erklärte. Sie sprach sich für ein Erste-Hilfe-Paket aus. In Bergers Online-Petition Rettet die Justiz mit aktuell rund 12.600 Unterschriften findet sich ebenfalls die Forderung nach einer besseren Bezahlung der Dolmetscher.

Seit 20 Jahren ist Funda Sel zertifizierte Gerichtsdolmetscherin, seit 15 Jahren ist sie selbstständig. In Verhandlungen dolmetscht Sel zwischen Türkisch und Deutsch. "Man muss das Gesamtbild sehen: Das Geld ist eine Frechheit, und das Gericht hat keine Frist, unser Gehalt zu zahlen", sagte Sel am Rande der Informationsveranstaltung zum STANDARD.

Rechnungen aus 2015 offen

Bis heute seien in ihrer persönlichen Buchhaltung Rechnungen aus dem Jahr 2015 offen. "Wie eine Person, die keinen Partner zu Hause hat, der ein zweites Gehalt einbringen kann, oder eine Alleinerzieherin das machen soll, weiß ich nicht", sagt Sel, die sich bei der Gewerkschaft Vidaflex engagiert.

Manchmal würde man für eine Anfrage angerufen, selten würde man eine E-Mail erhalten. Und oft hätte sie einfach eine Ladung zur Verhandlung in der Post, erzählt Sel von ihrem Alltag. Ist der Termin schon für einen anderen Prozess belegt, sucht sie eine Alternative. "Das ist viel Koordinierungsarbeit, die unbezahlt ist."

Doch was, wenn kein Dolmetscher gefunden wird? "Immer öfter passiert es, dass auch Laienübersetzer von Richtern vereidigt werden", kritisiert Sel. Diese Situation sei eine "Zumutung" für alle an einem Prozess Beteiligten.

Besonders ärgerlich sei zudem, das berichteten mehrere der Dolmetscher bei der Veranstaltung, wenn Termine abgesagt würden. Den Übersetzern würde oft nicht Bescheid gegeben, und sie säßen alleine im Gerichtssaal. Bernardinini will für solche Fälle eine Stornogebühr. Und wenn die Politik nicht einlenkt? Dann könnte weiter protestiert werden.(Oona Kroisleitner, 17.9.2019)