Selbstporträts mit Hut und aufgemaltem Bart: Jabob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl blicken in Lyon von einer Wandtapete in ein gemütlich-ungemütliches Zimmerchen.

Foto: Blaise Adilon

Grimassen, Wutanfälle, langgezogene Nasen und immer wieder der Ausruf "Nein! Doch! Oh!": Die unverwechselbaren Gesten von Louis de Funès kennt in Frankreich heute noch jedes Kind. Dementsprechend erfreut reagierte das Publikum auf der 15. Kunstbiennale von Lyon, als zwei Wiener Künstlerinnen ihren Lieblingskomiker in einem Video nachspielten.

Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl servieren Genderkritik mit einer doppelten Portion Humor. In der heimischen Kunstszene hätten sich viele gewünscht, die beiden auf der Biennale in Venedig zu sehen. Nachdem im österreichischen Pavillon Renate Bertlmann ihren Rosengarten pflanzen durfte, kam dem Paar die Einladung zur französischen Biennale gerade recht.

Allerweltsthema in Lyon

Zum Lachen gibt es in Lyon insgesamt wenig. Unter dem Allerweltsthema Where Water Comes Together with Other Water hat dort ein achtköpfiges Kuratorenteam 55 Positionen ausgesucht. Als Austragungsorte dienen das Lyoner Museum für zeitgenössische Kunst und eine ehemalige Fabrik mit enormen 29.000 Quadratmetern Fläche. Die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler konnten sich ihren Lieblingsspot selbst aussuchen – ein großer Fehler, denn die meisten Positionen sind von so viel Platz überfordert.

Während sich in Venedig die Kunstwerke gegenseitig auf die Zehen steigen, verliert sich in dieser Geisterfabrik fast jedes noch so große Objekt und jede X-Large-Intervention. Aber auch die Anordnung haut häufig nicht hin. Wo bitte war das kuratorische "Non!", fragt man sich angesichts einer Videoinstallation, die zwölf Projektionen chaotisch verteilt, oder wenn sich Kunst so an industrielle Bauteile schmiegt, dass sie wie ein Accessoire wirkt.

Bei Feuerstein blubbert es nonstop

Wacker schlägt sich hingegen Thomas Feuerstein, der zweite Teilnehmer aus Österreich, der riesige Glaskolben, Unmengen an Kabeln und Schläuchen auffährt. Bei Feuerstein blubbert es nonstop, dort werden Flüssigkeiten destilliert und angereichert. Das stärkste Bild liefert eine Prometheus-Figur aus Marmor, die von Schläuchen durchbohrt wird und rostfarbene Flüssigkeit verliert. Am Ende des Prozesses entsteht ausgerechnet aus Leberzellen ein Kolben voll rotem Schnaps.

Feuersteins Installation passt gut in diese Biennale, bei der etliche Arbeiten an Alchemie und an eine Welt nach den Menschen gemahnen. Aber warum nicht Spaß haben, bis uns die Katastrophe trifft? Dieses Motto steht quasi über dem knallbunten Beitrag von Knebl und Scheirl, der aus dem Duktus der Biennale heraussticht. Das queere Künstlerinnenpaar hat eine Grube im Fabriksboden als Standort gewählt und sich dort zwei gemütlich-ungemütliche Zimmerchen eingerichtet.

Der Clou: Die Bodensenke wurde komplett verspiegelt und das Publikum blickt hinab. In diesem geilen Ambiente steht nicht nur ein flauschiges Bett, das an Adolf Loos’ Schlafzimmer für seine Frau erinnert, sondern auch fetischhafte Lederpuppen mit Keramikköpfen und Lampen aus den 1970ern.

Kein Problem mit Größe

Der erste Blick fällt jedoch auf die kostümierten Künstlerinnen: Zehn Meter hoch, blicken sie mit Hut und aufgemaltem Bart von einer Wandtapete. Dass die beiden mit Größe kein Problem haben, bewiesen sie zuletzt am Wiener Rathausturm. Dort waren Knebl und Scheirl in roten Ganzkörperanzügen zu sehen – eine Hommage an 100 Jahre Rotes Wien, an den Life Ball und die Europride.

In Lyon schlägt vor allem ihr Spiel mit Perspektiven in den Bann. Hier hat alles mehrere Schichten, ist verschachtelt und verdoppelt. Mal treten Körperteile wie ein Mund mit gefletschten Zähnen oder ein goldener Finger (der lesbische "Phallus") plastisch hervor, dann erscheint wieder alles flächig wie ein Bild. Die Motive kehren in Scheirls neuem Gemälde ebenso wieder wie in der extra entworfenen Modekollektion samt Fashion-Photos.

Scheirl und Knebl reiten zweifellos auf der Welle der Nachfrage, die Transsexualität derzeit im Kunstbetrieb erlebt. Wer aber glaubt, sie wären selbst eine Modeerscheinung, dem ziehen sie wie Louis de Funès eine lange Nase und spielen Geige darauf. (Nicole Scheyerer, 18.9.2019)