Keine Millionärssteuer für Landwirte? Im Gastkommentar zeigt sich Europarechtsexperte Stefan Brocza verwundert, dass Maßnahmen der "Partei des kleinen Mannes" Vorteile für den Bauernstand mit sich bringen.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner fordert im Wahlkampf landauf, landab "Gerechtigkeit".
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Die von der SPÖ propagierte Millionärssteuer wird auf Landwirte de facto nicht anwendbar sein. Für diese soll vielmehr – als Ausnahme – die verfassungswidrige Berechnung auf Basis niedriger Einheitswerte beibehalten werden. Das ist nicht die einzige SPÖ-Maßnahme, die Vorteile für den Bauernstand mit sich bringt.

Die zentrale Forderung der SPÖ im laufenden Nationalratswahlkampf lautet "Gerechtigkeit". Landauf, landab ist es auf Plakaten zu lesen, und die Spitzenkandidatin wird bei ihren diversen Medienauftritten nicht müde, vehement Gerechtigkeit einzufordern. Nun, die zentrale Grundbedingung für Gerechtigkeit wäre, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird. So die Theorie. In der Praxis sieht das jedoch vollkommen anderes aus, sobald es um Landwirte geht.

Massive Unterschiede

Zentral für das Selbstverständnis der SPÖ ist derzeit eine "Millionärsabgabe für Millionenvermögen und Millionenerbschaften". Im jüngst veröffentlichen Wahlprogramm finden sich keine weiteren Details dazu, auf Nachfrage wird regelmäßig auf das "SPÖ-Konzept für eine verfassungskonforme und gerechte Erbschafts- und Schenkungssteuer" beziehungsweise das "SPÖ-Konzept für eine Millionärsabgabe" verwiesen. Beide finden sich im Bericht der Steuerreformkommission 2014. Demnach soll jede Person einen persönlichen Lebensfreibetrag von einer Million Euro haben. Erbschaften und Schenkungen über diesen Betrag sollen (progressiv) besteuert werden. Parallel dazu soll es auch eine jährliche Vermögenssteuer geben. Hier gilt der Ein-Millionen-Euro-Freibetrag übrigens nur pro Haushalt. Vermögen über dieser Grenze sollen wiederum (progressiv) besteuert werden.

So schön, so gut. Was jedoch viel weniger bekannt ist: bei der Bewertung der konkreten Vermögenswerte sehen die SPÖ-Vorschläge massive Unterschiede vor. So soll Grundvermögen künftig grundsätzlich nach dem (höheren) Verkehrswert bemessen werden. Nicht jedoch das land- und forstwirtschaftliche Vermögen. Dieses soll – wenn es nach dem Willen der SPÖ geht – nach den von Ertragswerten abgeleiteten (niedrigeren) Einheitswerten bemessen werden. Was hier enorm technisch klingt, hat politisch und rechtlich jedoch enorme Sprengkraft. Waren es doch in der Vergangenheit gerade die viel zu niedrigen Einheitswerte, die zu einer Ungleichbehandlung von Erben und in der Folge zur Aufhebung der ehemaligen Erbschaftssteuer durch den Verfassungsgerichtshof führten.

Keine Klientelpolitik

Warum die SPÖ und ihre Steuer- und Gerechtigkeitsexperten mehr als ein Jahrzehnt später noch immer und konsequent die damaligen verfassungsrechtlichen Bedenken außer Acht lassen, ist nicht wirklich nachvollziehbar. Normalerweise würde man Klientelpolitik vermuten. Da aber Landwirte bekanntlich nicht unbedingt zur Kernwählerschaft der SPÖ zählen, ist die Sonderbehandlung noch viel weniger zu verstehen.

Wobei es sich bei der geplanten Millionärsabgabe nicht um die erste Besserbehandlung von Landwirten durch die SPÖ handelt. Spricht man etwa mit Sozialrechtsexperten, bestätigen diese, dass von der viel gerühmten "Hacklerregelung" (Langzeitversicherungsregelung) oder auch der großzügigen Anrechnung von Kindererziehungszeiten auf die Pension überdurchschnittlich oft Landwirte und deren Familienangehörige profitieren. Berücksichtigt man dann auch noch die Tatsache, dass Bauern sowieso wenig in den Sozialtopf einzahlen, erscheint es umso fraglicher, warum gerade sie nun neuerlich dauerhaft privilegiert werden sollten. Und das ausgerechnet von der SPÖ, die von sich selber behauptet, die Partei des kleinen Mannes zu sein. (Stefan Brocza, 18.9.2019)