Die Pasterze ist der größte Gletscher Österreichs. Die Aufnahmen stammen aus dem Jahren 1920 und 2012 (links: Alpenverein/Laternbildsammlung, rechts: Alpenverein / N. Freudenthaler).

In Island wurde im vorigen Monat der erste Gletscher für tot erklärt, und auch hierzulande ziehen sich die Eismassen seit Jahrzehnten massiv zurück. "Selbst wenn ab heute keine Treibhausgase mehr ausgestoßen würden, schmelzen die Gletscher noch Jahrzehnte weiter und können nicht mehr gerettet werden", erklärt Marion Greilinger von der Fachabteilung Klimamonitoring und Kryosphäre der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg).

Denn die Eismassen reagieren langsam, aber sehr sensibel auf Veränderungen – bis zum Ende des Jahrhunderts werden 80 Prozent der österreichischen Gletscher unaufhaltsam verschwunden sein. Um den Gletscherschwund zu stoppen, wäre Handeln, nach Einschätzung der Expertin, viel früher notwendig gewesen.

Wie sich die Gletscher verändert haben

Gebirgsgletscher gehören zu den sichtbarsten Indikatoren einer Klimaveränderung. Sie passen sich geänderten Temperaturen und Niederschlägen an, indem sie sich in größere Höhen zurückziehen oder in tiefere Lagen vorstoßen. Die Anpassung kann bei kleinen Gletschern einige Jahre dauern, bei größeren Gletschern dauert sie mehrere Jahrzehnte.

"Natürliche Klimaänderungen gab es immer und wird es auch immer geben. Die derzeitige Klimaänderung passiert jedoch deutlich schneller aufgrund der explosiv gestiegenen Emission von Treibhausgasen. Dieser rasante Anstieg beschleunigt das Abschmelzen der Gletscher, wie es durch die natürliche Klimaänderung in der Vergangenheit nicht passiert ist", sagt Greilinger.

Schwierigkeiten bei der Vermessung

Die genaue Vermessung der ganzjährig von Eis bedeckten Flächen ist keine einfache Aufgabe. Für die Messung der Längenmeter werden die Oberflächenänderungen anhand von Messpunkten bestimmt – verschieben sich diese im Laufe der Zeit, kann die Änderung des Gletschers nur schwer rekonstruiert werden. Bei der Erhebung von Gletscherfläche und Eismasse durch Luftaufnahmen und Satellitenbilder kann die Abgrenzung der Gletscherumrisse Schwierigkeiten bereiten, da Eisränder von Altschnee bedeckt und somit nicht immer eindeutig bestimmt werden können. Außerdem variiert die Anzahl der Gletscher, wenn viele große Eismassen in mehrere kleine Teile zerfallen, erklärt Jan-Christoph Otto vom Fachbereich für Geografie und Geologie der Universität Salzburg.

In der Regionalinformation des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen (BEV) werden Gletscherflächen erst seit einer Gesetzesänderung 2012 erhoben und befinden sich in einem noch nicht abgeschlossenen Erfassungsstand. "Die Gletscher sind zwar seit der dritten Landesaufnahme von 1869 bis 1887 auch in zahlreichen Karten grafisch wiedergegeben, die Anzahl und die Fläche sind aber nur mit entsprechend großem Aufwand zu ermitteln", sagt Michaela Katzinger von der Abteilung für Marketing und Vertrieb des BEV.

Wie sich die Eismassen zwischen 1998 und 2015 verändert haben, zeigt die interaktive Karte. Die schwarze Umrandung gibt den früheren Umfang an, die weißen Flächen zeigen, wie die Gletscher 2015 aussahen. Die Daten für die interaktive Karte stammen aus dem österreichischen Gletscherinventar, das System erfasst seit 1969 erstmals alle österreichischen Gletscher nahezu zeitgleich und wird seitdem in unregelmäßigen Abständen erneuert. Das Inventar wird mittels Auswertungen von Luftaufnahmen erstellt. Für die Gletscherhochstände um 1850 wurde außerdem ein Inventar auf Grundlage historischer Karten und sichtbarer Moränen erarbeitet.

"Grundsätzlich sind alle Gletscher seit der Aufzeichnung zurückgegangen. Im Vergleich zum Maximalstand 1850 war im Zeitraum der letzten Erfassung nur noch ein Drittel der Gletscherfläche übrig", beschreibt Otto die Entwicklung.

Ökologische und wirtschaftliche Folgen

Aufgrund ihrer Größe haben die österreichischen Gletscher keine nennenswerte Auswirkung auf das österreichische oder gar das globale Klima. Expertinnen und Experten warnen jedoch vor den ökologischen und wirtschaftlichen Folgen in der Region. Direkt betroffen sind demnach Alpenflüsse und der Wasserhaushalt, vor allem wenn in den heißen Sommermonaten der Wasserpegel sinkt. In einigen umliegenden Regionen gehen so wertvolle Ressourcen für Grundwasser und Böden verloren, betont Otto.

Die Aufnahmen zeigen den Brandner Gletscher in den Jahren 2003 und 2015 (links: Alpenverein/Kaufmann, rechts: Alpenverein/Gross).

Das Abschmelzen der Gletscher führt außerdem zu Rückkopplungen, beispielsweise steigt die oberflächennahe Temperatur, wenn die Gletscheroberfläche durch Abschmelzen nach Jahrzehnten 100 Meter tiefer liegt, oder das Muster der Schneeverfrachtung verändert sich, wenn sich die Form der Gletscheroberfläche durch Schmelze wandelt. Auch die Artenvielfalt wird dabei laut Greilinger maßgeblich beeinflusst, Pflanzen und Tiere, die den kühlen Lebensraum des hochalpinen Geländes bevorzugen, können irgendwann nicht mehr weiter nach oben ausweichen.

Ein weiterer Faktor ist der Permafrost, der in Verbindung mit Gletscher relevant ist. Er gilt als der Klebstoff der Berge. Tauen die Permafrostböden auf, verschärft sich die Problematik von Hangrutschungen oder Felsstürzen. Aus wirtschaftlicher Sicht spielt das Abschmelzen der Gletscher vor allem im Hinblick auf Gletscherskigebiete eine entscheidende Rolle, und auch für die Energiewirtschaft in glazial geprägten Abflussregimen sind die Gletscher von Bedeutung.

Das ewige Eis schmilzt weltweit

Doch nicht nur in den Alpen verschwinden die Gletscher – auch global ist das ewige Eis fast uneingeschränkt auf dem Rückzug. Die wirklich großen Eismassen befinden sich in Patagonien, im Himalaja, in Alaska, in der Arktis, in Grönland und in der Antarktis. Wenn diese auf den Klimawandel reagieren, sind die Auswirkungen wesentlich größer.

Im Gegensatz zu Europa sind in Zentralasien oder Südamerika Millionen von Menschen von der Wasserversorgung der Gletscher abhängig und stehen durch die Gletscherschmelze vor dem Problem der Wasserverknappung. Die verheerendste Auswirkung der schmelzenden Eismassen ist der Anstieg des Meeresspiegel, der vor allem durch das Schmelzwasser der Gletscher und Eisschilder in der Antarktis und Grönland vorangetrieben wird. Die Forschergruppe um Jonathan Bamber von der University of Bristol geht in einer aktuellen Studie davon aus, dass hunderte Millionen Menschen vertrieben, Millionen Quadratkilometer Land vernichtet und Inselstaaten zur Gänze im Meer ertränkt werden könnten. (Anika Dang, 24.9.2019)