Erfolgreich in Wien-Favoriten gelandet: Die aus Budapest vertriebene Central European University, ein Opfer der eingeschränkten Wissenschaftsfreiheit in Ungarn.

CEU / Peter Lorenz

Wien – Es war eine Veranstaltung, die es in dieser Form wohl noch nie zuvor an einer Universität gegeben hat: Am Montagabend hießen Vertreter der Universität Wien, an der Spitze vertreten durch Rektor Heinz Engl, ganz offiziell Vertreter der Central European University (CEU), angeführt durch deren Präsidenten Michael Ignatieff, in Wien willkommen, dem neuen CEU-Hauptstandort.

Das klingt eigentlich nach einem üblichen Vorgang. Doch genauer betrachtet war es tatsächlich ein "historischer Moment", wie an diesem Abend im Festsaal der Universität Wien gleich mehrfach betont wurde: Nie zuvor in der Geschichte der Europäischen Union war eine Hochschule durch ein eigens auf sie zugeschnittenes Gesetz gezwungen worden, ein Land zu verlassen und ihren Campus anderswo neu zu errichten. Entsprechend war auch die "Willkommensfeier" für die CEU an der größten und ältesten Universität des neuen Standorts einzigartig.

Bedrohte Freiheit

Wie es sich für zwei international angesehene Universitäten gehört, wurde der Abend für eine englischsprachige Diskussion genützt. Das Thema war dem Anlass entsprechend gewählt: "Academic Freedom in the Digital Age". Die Wissenschaftsfreiheit sah Gastgeber Heinz Engl in seiner Einleitung nicht nur durch die politischen Entwicklungen in Ländern wie Ungarn oder der Türkei gefährdet. Der angewandte Mathematiker wies auch auf mögliche Gefahren hin, die sich für die Wissenschaft durch die Digitalisierung ergeben.

CEU-Präsident Michael Ignatieff, Historiker und früherer kanadischer Politiker, zeigte sich in seiner Antwort dankbar für der Geste der Solidarität nicht nur der Universität Wien, sondern auch der Stadt. Seinem sichtlich bewegten "Thank you, Vienna" folgten klare Worte zum "politischen, moralischen und wissenschaftlichen Skandal", den die Vertreibung der CEU aus Ungarn darstelle. Gleichwohl betonte er, dort nicht widerstandslos das Feld zu räumen und in Budapest weiterhin Flagge zeigen zu wollen.

Ignatieffs Bericht über seine "größte Enttäuschung" in Sachen Wissenschaftsfreiheit verwunderte dann ein wenig: Das seien nämlich nicht die zynischen Attacken der ungarischen Regierung gewesen, sondern eine Veranstaltung an seiner eigenen Universität, als Studierende aus Protest den Hörsaal verlassen haben, statt sich der Debatte zu stellen.

Proteste gegen Uni-Gäste

Diese Anekdote war die ideale Überleitung zum Hauptvortrag von Robert Zimmer, dem Präsidenten der Universität Chicago, der selbst Anfang der 2010er-Jahre wiederholt mit studentischen Protesten gegen eingeladene Gäste – von Henry Kissinger bis Larry Summers – zu kämpfen hatte.

2014 beauftragte Zimmer, so wie Engl ein Mathematiker, ein Komitee damit, die Werte der Hochschule bezüglich freier Meinungsäußerung als Statut zu formulieren. Diesen sogenannten Chicago Principles schlossen sich mittlerweile zahlreiche weitere Colleges und Universitäten an. Zimmer betonte in seiner Rede, die eine Tour d'Horizon von Galileo Galilei über die Humboldt'sche Universitätsreform bis in die Gegenwart war, wie fundamental es für jede Uni sei, dieses Grundprinzip der Wissenschaftsfreiheit zu verteidigen. Dabei dürfe man sich aber nicht nur auf deren gesetzliche Grundlagen zurückziehen, sondern müsse sie zur gelebten Praxis machen.

Nicht zuletzt brauche es dafür auch Mut – und mitunter das Rückgrat, viel Geld aus der Wirtschaft abzulehnen, wenn dadurch die Wissenschaftsfreiheit kompromittiert werde. (tasch, 18.9.2019)