Im Februar 2019 ist Christoph Chorherr aus dem Wiener Gemeinderat ausgeschieden.

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Wien – "Ich halte es für einen politischen Fehler, dass Christoph Chorherrs Verein Spenden von Immobilienfirmen angenommen hat." Wiens Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) fand am Mittwoch deutliche Worte, nachdem seit Tagen über die mögliche Einflussnahme der Immobilienwirtschaft auf Flächenwidmungen in der Bundeshauptstadt spekuliert worden war. Sie lud Journalisten zu einem Hintergrundgespräch und versprach Transparenz: "Ich werde alle Fakten auf den Tisch legen und für Klarheit sorgen", sagte sie fast mantraartig.

Ermittlungen in MA 21

Es geht um Ermittlungen wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Bestechung in Zusammenhang mit dem Verein S2arch gegen acht Personen. Der Vorwurf: Chorherr, ehemaliger Planungssprecher der Grünen und bis 2018 Vorstand des Vereins, sei möglicherweise bei Entscheidungen beeinflusst worden, weil Spenden für den Verein, der Schulen in Südafrika fördert, aus der Bauwirtschaft gekommen seien.

Man habe immer mit den Behörden kooperiert und werde das auch weiterhin tun, sagte Hebein. Sie habe Vertrauen in die Staatsanwaltschaft und werde die Ergebnisse abwarten. Mitarbeiter der MA 21 wurden erst im Juli befragt und weitere Akten ausgehändigt. Hebein bestätigte auch, dass nicht nur die Anzeige gegen Chorherr vorliege, auch ein Mitarbeiter der MA 21 wurde 2018 anonym angezeigt. Details wollte Hebein nicht nennen.

Neue Vorwürfe

Auch zu Vorwürfen, Chorherrs Ehefrau arbeite in einem Architekturbüro, das Aufträge aus der Stadt erhalten habe, nahm sie Stellung. Es habe zwei Aufträge gegeben: einen im Mai 2019 gemeinsam mit Wiener Wohnen in Höhe von 52.400 Euro, einen weiteren 2017 in Höhe von 3.500 Euro von der Mobilitätsagentur. Hebein merkte an, dass eine zwei Jahre alte Geschichte zehn Tage vor der für die Grünen entscheidenden Nationalratswahl "aufgewärmt" werde.

Cooling-off für Amtsträger

Was die Partei dennoch aus der Causa lernen wolle, damit solche Fälle nicht mehr passieren? Hebein sprach sich für Cooling-off-Phasen aus. Darauf solle man sich überparteilich einigen. Ein Jahr lang sollen Politiker nach ihrem Ausscheiden nicht in Unternehmen arbeiten dürfen, mit denen sie zu tun hatten.

Im Fall Chorherr findet kein solches Cooling-off statt. Er ist in beratender Funktion für die Soravia Service GmbH tätig. Das ist jene Immobilienfirma, die die umstrittenen Danube Flats umsetzt. Auch bei diesem Bauvorhaben sieht die Opposition eine "schiefe Optik". Es handelt sich um einen 163-Meter-Wohnturm bei der Reichsbrücke, der dank einer Umwidmung realisiert werden kann: Vor 2015 waren als Bebauungshöhe 26 Meter zulässig.

Chorherr teilte eine Stellungnahme auf Twitter. Er hält fest, dass sein Handeln in der Stadtplanungspolitik "immer zu 100 Prozent das Interesse Wiens im Auge" gehabt habe. Er schließt aus, dass Spenden dieses jemals beeinflusst haben. Er wolle Aufklärung und sieht die Berichterstattung zum jetzigen Zeitpunkt im Zusammenhang mit der Nationalratswahl.

Die Neos haben einen Sondergemeinderat angekündigt, in dem sie nicht nur den Turmbau am Heumarkt, sondern auch das Hochhausprojekt Danube Flats thematisieren wollen. "Die zentrale Frage ist, kann man sich in dieser Stadt eine Flächenwidmung erkaufen oder nicht", sagte der Wiener Neos-Chef Christoph Wiederkehr in der "ZiB 2".

Ein Vertreter der Soravia Service GmbH hat laut Wiederkehr auch an Chorherrs Verein gespendet.

Widmungsprozess "exakt nach Vorschrift"

Am Mittwoch hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme der Soravia Service GmbH an den STANDARD, dass der Widmungsprozess mit "maximaler Transparenz und exakt nach Vorschrift" abgehandelt worden sei. Sämtliche Grundlagen der Baugenehmigung inklusive der Flächenwidmung sowie die zugehörigen Verfahrensschritte seien in zweiter Instanz durch das Verwaltungsgericht eingehend geprüft und die ordnungsgemäße Abwicklung des Widmungsverfahrens und der Baugenehmigung umfassend bestätigt worden.

Eine Spende an die Schulprojekte in Südafrika wird bestätigt, allerdings nicht von Soravia direkt. Im Zuge des Begräbnisses von Herrn Soravia senior sei Geld für den Rotarier Club gesammelt worden. Den Hinweis auf die Projekte habe man nicht von Chorherr erhalten, sondern vom ehemaligen Bezirkshauptmann von Spittal an der Drau, einem "rotarischen Freund" der Familie, der die Schularchitekten kenne. Die Spende erfolgte seitens des "Rotary Club Spital/Drau".

Freier Berater

Auch zur beruflichen Tätigkeit des Ex-Mandatars wird Stellung genommen: Chorherr sei nach seinem Ausscheiden aus der Politik ersucht worden, das Unternehmen als freier Berater in den Bereichen geförderter Wohnbau, ökologisch nachhaltige Bauten sowie neue Nutzungskonzepte zu unterstützen. "Seine Expertise und sein Know-how werden hier sehr geschätzt, und die Zusammenarbeit wird auch weiterhin bestehen bleiben", heißt es in dem Schreiben. (Rosa Winkler-Hermaden, 18.9.2019)