ORF-Chef Alexander Wrabetz hat einiges zu antworten auf das Forderungspaket der Privatsender für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Millionen unter Plan bei der Werbung. Marktanteile auch wegen der ersten ORF-1-Reformen unter Druck. Eine ORF-Novelle wahlbedingt verzögert – die das nächste große Projekt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks deutlich erleichtern könnte: eine Streaming- und Social-Media-Plattform namens ORF-Player.

Das sind Themen für das oberste ORF-Gremium: Am Donnerstag tagt der Stiftungsrat, zehn Tage vor der Nationalratswahl. Mittwochabend präsentierten die Privatsender mit Blick auf die Wahl und die nächste Regierung ihre medienpolitischen Vorstellungen.

Berlusconi und der Austria Player

Markus Breitenecker, Vizepräsident des Privatfunkverbands VÖP und Chef von ProSiebenSat1Puls4, hat schon den ganzen ORF-Player im Interview mit dem STANDARD für überflüssig erklärt. Seine Gruppe habe schon einen "Austria Player" mit Platz für alle, wie ihn vor allem die ÖVP fordert. ORF-Chef Alexander Wrabetz winkte zuletzt ab – wer wollte schon eine gemeinsame österreichische Streamingplattform, bei der Silvio Berlusconis Mediaset größter Branchenaktionär ist (Mediaset kaufte im Mai knapp zehn Prozent an ProSiebenSat1).

Wrabetz wünscht sich einen ORF-Player im Gesetzesauftrag für den ORF verankert, etwa als "Zugangsportal für öffentlich-rechtliche Inhalte".

Die Schlange im Blick, den Fuchs im Genick

Facebook, Google, Youtube und Co. seien zwar die großen Gegner, räumte der Präsident des Privatsenderverbands und Kronehit-Chef Ernst Swoboda Mittwochabend bei der Präsentation des Forderungskatalogs ein ein. Doch für die brauche es vor allem EU-Regeln. Die Privatsender in Österreich dürften nicht "wie die Kaninchen auf die Schlange" – die Silicon-Valley-Onlinegiganten – "starren und dabei übersehen, dass ihnen der Fuchs ins Gnack beißt – und dann sind wir erst recht tot". Der Fuchs in Swobodas Bild ist der öffentlich-rechtliche ORF, der aus der Sicht der Privatsender noch viel zu kommerziell funken darf und viel zuwenig reguliert ist. Dafür haben die Privatsender einige Ideen.

Private Wünsche: Quoten für jeden ORF-Kanal

Das Gesetz schreibt dem ORF vier Programmsparten vor – Information, Kultur, Unterhaltung und Sport – bisher bezogen auf das Gesamtangebot pro Mediengattung. Die Privatsender verlangen nun, dass keines dieser Genres mehr als 40 Prozent Programmanteil in ORF 1 und ORF 2 in der Hauptsendezeit (6 bis 23 Uhr) haben darf.

Im Radio verlangen die Privatsender pro Kanal mindestens 25 Prozent Information, 20 Prozent Kultur und 20 Prozent Wortanteil. Ö3 habe weniger Wortanteil als alle Privatsender, erklärte VÖP-Präsident Swoboda bei der Präsentation am Mittwochabend – er beziffert ihn auf derzeit knapp mehr als zehn Prozent.

Mindestens 40 Prozent von ORF 1 und ORF 2 sollen österreichische Inhalte ausmachen, mindestens 20 Prozent der Musik im Radio, wiederum zwischen 6 und 23 Uhr.

Budgetlimits für Premiumsport und US-Serien

Für Premiumsport und Kauffilme/Serien soll der ORF nicht mehr als jeweils 35 Millionen Euro pro Jahr einsetzen dürfen, findet der VÖP. Derzeit beträgt das gesamte TV-Sportbudget des ORF in Olympia- und Fußball-EM/WM-Jahren rund 100 Millionen Euro; für Kauffilme und Kaufserien hat der ORF ein jährliches Budget von 42 bis 45 Millionen Euro.

Strengere Werberegeln

Ein neues ORF-Gesetz soll dem ORF Sonderkonditionen und Sonderwerbeformen verbieten und höchstens sechs Minuten Werbung pro Stunde in TV und Radio erlauben. Der ORF habe derzeit mehr Radio-Werbezeit, als er vermarkten könne, sagte Swoboda. Ein Drittel der Werbung auf Ö3 bekämen Werbekunden geschenkt. Damit flute der ORF den Radiowerbemarkt.

Pflicht zur Kooperation

In den Stiftungszweck der ORF-Stiftung wünschen sich die Privatsender eine Pflicht zur Kooperation (mit anderen Medien) und zur Förderung des Medienstandorts.

Social-Media-Verbot für ORF-Inhalte

Das ORF-Gesetz soll dem ORF verbieten, seine Inhalte in Social-Media-Plattformen anzubieten, die nicht in der EU ihren Sitz haben.

Neue Angebote nur mit Privaten

Neue Medien oder Angebote sollen dem ORF erlaubt werden, wenn er dort mit anderen Medien kooperiert.

Unabhängige GIS-Berechnung

Den Gebührenbedarf des ORF soll eine vom ORF unabhängiges Stelle errechnen.

Steuerwünsche

Von der nächsten Regierung wünschen sich die Privatsender zudem den gleichen Werbesteuersatz für alle Medien (bisher sind Onlinemedien ausgenommen). Eine Digitalsteuer wollen jedenfalls ÖVP und FPÖ am Donnerstag im Nationalrat beschließen.

"Wettbewerb" um GIS-Gebühren

Einnahmen aus der Werbeabgabe und der Digitalsteuer sollen für Medienförderungen zweckgewidmet werden. Um (GIS-)Gebührenmittel wünschen sich die Privatsender "Wettbewerb".

ORF-Digitalpaket "nicht nötig"

"Nicht notwendig" findet VÖP-Geschäftsführerin ein rasches "Digitalpaket" für den ORF, wie es ORF-General Alexander Wrabetz gerade wieder forderte – also weniger Onlinebeschränkungen für den ORF. Für neue Angebote des ORF (wie den von den Privaten ohnehin infrage gestellten) ORF-Player gebe es schon jetzt ein Prüfungsverfahren laut ORF-Gesetz.

Rasches Digitalpaket, Gremien und Vorstand später

ORF-Chef Wrabetz wünschte sich zuletzt im Publikumsrat rasche Erleichterungen für Online-Aktivitäten wie insbesondere den ORF-Player. Alle weiteren ORF-Reformen könnte man sich, wenn überhaupt nötig, für später aufheben – etwa einen ORF-Vorstand statt des Alleingeschäftsführers.

Heinz Lederer, ORF-Stiftungsrat der SPÖ, sähe den ORF lieber als Aktiengesellschaft organisiert.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Stiftungsrat wie Nationalrat

Im ORF-Stiftungsrat stellt die ÖVP vor allem dank Regierungs- und Bundesländermandaten die größte Fraktion. SPÖ wie FPÖ drängen, die Mandate nach den Kräfteverhältnissen im Nationalrat zu verteilen. Auf dem Weg in die Opposition schrumpfen Fraktionen im ORF-Stiftungsrat derzeit ruckartig.

ORF-Aktiengeselllschaft mit Beteiligungen an Töchtern

Heinz Lederer, Sprecher der roten Fraktion, wünscht sich im Gespräch mit dem STANDARD auch eine neue Organisationsform für den ORF – eine Aktiengesellschaft. Eine AG "sui generis", sagt er, die weiter ganz einer ORF -Stiftung im Gemeininteresse gehören soll. Private Beteiligungen an Tochterfirmen der AG könnte er sich vorstellen. Lederer sieht in der AG klarere Verantwortung und Struktur in einem AG-Vorstand. Vor allem ein Digitalvorstand fehlt ihm im ORF.

Einen Vorstand wollen auch ÖVP und FPÖ statt des Alleingeschäftsführers – bisher Alexander Wrabetz (SPÖ). Den hätte Lederer gern weiter – als Vorstandschef. (Harald Fidler, 18.9.2019)