Ralf Beste geht mit Konflikten heute anders um als früher.

Foto: Präsidentschaftskanzlei

Wer mit dem neuen deutschen Botschafter in Wien spricht, muss natürlich irgendwann nach Córdoba fragen – auch wenn es das Gegenüber schmerzen mag. Doch beim Treffen mit Ralf Beste ist das gar nicht nötig.

"Schauen Sie, was für ein Bild ich auf Twitter habe" – so eröffnet der 53-Jährige gleich von sich aus das Gespräch und zeigt das Smartphone. Vielleicht ist es ein gewisser Masochismus, vielleicht auch der Respekt vor jenem Land, in dem Beste nun Botschafter ist. Zu sehen ist jedenfalls das legendäre Siegestor von Hans Krankl.

"Córdoba war tatsächlich mein erster Kontakt mit Österreich", erinnert sich Beste, der zweite erfolgte wenige Wochen später: Der Bub aus Witten (Nordrhein-Westfalen) fuhr im Sommer 1978 mit seinen Eltern erstmals nach Österreich, man reiste im Urlaub per Schiff über den Bodensee an.

Frischer Wind

Jahrzehnte später kommt Beste wieder, diesmal aber, um länger zu bleiben. Er hat am Mittwoch Bundespräsident Alexander Van der Bellen sein Beglaubigungsschreiben übergeben und wird ab jetzt möglicherweise in Österreichs diplomatischen Kreisen für frischen Wind sorgen.

Foto: Präsidentschaftskanzlei

Beste hat eine eher ungewöhnliche Karriere hinter sich. Bevor er 2014 in den Planungsstab des Auswärtigen Amtes (AA) in Berlin kam, war der Historiker fast 20 Jahre lang politischer Journalist, die meiste Zeit beim Spiegel, und als solcher hielt er sich mit diplomatischen Floskeln nicht lange auf. Den grünen Politiker Jürgen Trittin bezeichnete er als "linken Querulanten", dem ehemaligen Außenminister und heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier attestierte er: "Jeder Landrat hat mehr Basiserfahrung."

Darauf angesprochen, lacht Beste und betont: "Sowohl mit Trittin als auch mit Steinmeier habe ich heute ein gutes Verhältnis." Steinmeier war es auch, der den parteilosen Beste ins Außenamt holte.

Konflikte benennen

Nun, als Botschafter, sieht Beste sich auch in einer ganz anderen Rolle: "Wenn ein Journalist einen Konflikt sieht, steuert er geradewegs darauf zu, um ihn auszuweiden. Zur Aufgabe eines Diplomaten gehört es hingegen, einen Konflikt frühzeitig einzuhegen, zu vermeiden oder zu lösen. Aber auch dafür muss man ihn zunächst einmal benennen können."

Große Konflikte gebe es zwischen Berlin und Wien aber nicht: "Auch in Österreich sind die Grundkoordinaten auf europäische Integration abgestellt." Natürlich habe man in der Asylpolitik "unterschiedliche Sichtweisen gehabt". Aber, so Beste: "Die Schärfe ist aus der Debatte raus."

Foto: Präsidentschaftskanzlei

Ihn interessiert, was die beiden Länder voneinander lernen können, und da hat er im kleinen Österreich schon etwas entdeckt: "Man merkt schon beim ersten Kontakt mit der Wiener Stadtverwaltung, dass der Standard beim Electronic Government viel höher ist als in Deutschland." Überhaupt findet Beste: "Österreich hat mehr Start-up-Qualitäten als der Tanker Deutschland. Da können wir uns was abgucken."

Erfolgreich, weltoffen, freundlich

Umgekehrt habe auch Deutschland etwas zu bieten, findet Beste: "Durch die Reformen vor 15 Jahren hat sich das Land von einem Patienten der internationalen Wirtschaft zu einer Lokomotive mit ununterbrochenem Wachstum in den vergangenen zehn Jahren gewandelt." Fazit für ihn: "Man kann ein erfolgreiches Land sein, dabei aber weltoffen und freundlich bleiben."

Doch es gibt auch Entwicklungen in Österreich, die viele in Deutschland nicht nachvollziehen möchten: das Erstarken der Rechten. Darauf angesprochen, ist Beste ganz Diplomat und erklärt: "Natürlich werde ich als Botschafter mit jeder demokratisch gewählten Partei Kontakt pflegen und sie mir anschauen."

Er selbst wollte mit seinem ersten Besuch außerhalb Wiens ein Zeichen setzen und fuhr ins ehemalige Konzentrationslager Mauthausen: "Es war mir wichtig zu sehen, wie Österreich mit dem schrecklichsten Kapitel unserer Geschichte umgeht. Als deutscher Botschafter gehören Verantwortung und Erinnerung dafür zum Fundament meiner Arbeit hier." (Birgit Baumann aus Berlin, 18.9.2019)